Zum Hauptinhalt springen Zur Hauptnavigation springen Zum Footer springen
auf der Richterbank liegen Barett und Arbeitsmappe, dahinter ein Richterstuhl, auf dem eine Robe hängt

Entscheidungen
des Bundesfinanzhofs

Entscheidungen online

Zur Hauptnavigation springen Zum Footer springen

Beschluss vom 13. Dezember 2011, VIII B 82/11

NZB: grundsätzliche Bedeutung, private Pkw-Nutzung, Fahrtenbuch

BFH VIII. Senat

FGO § 115 Abs 2 Nr 1, EStG § 4 Abs 4

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht , 11. April 2011, Az: 12 K 122/10

Leitsätze

1. NV: Es ist höchstrichterlich geklärt, dass dienstliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat genutzt werden. Dafür spricht der Beweis des ersten Anscheins.

2. NV: Der Anscheinsbeweis wird im Regelfall noch nicht erschüttert, wenn der Kläger lediglich behauptet, für privat veranlasste Fahrten hätten private Fahrzeuge zur Verfügung gestanden.

3. NV: Die Rechtsfrage, welche Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch zu stellen sind, ist höchstrichterlich hinreichend geklärt.

Gründe

  1. Die Beschwerde ist unbegründet.

  2. 1. Weder ist der Streitfall von grundsätzlicher Bedeutung, noch ist eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich, noch ist der von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) geltend gemachte Verfahrensmangel gegeben.

  3. a) Zum einen ist höchstrichterlich geklärt, dass dienstliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat genutzt werden. Dafür spricht der Beweis des ersten Anscheins (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Mai 1999 VI B 258/98, BFH/NV 1999, 1330). Etwas anderes gilt, wenn es sich um ein Fahrzeug handelt, das typischerweise zum privaten Gebrauch nicht geeignet ist (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 2008 VI R 34/07, BFHE 224, 108, BStBl II 2009, 381). Soweit keine besonderen Umstände hinzutreten, kann das Finanzgericht (FG) aufgrund der Anscheinsbeweisregel regelmäßig davon ausgehen, dass eine private Nutzung stattgefunden hat (Senatsurteil vom 19. Mai 2009 VIII R 60/06, BFH/NV 2009, 1974).

  4. Der Beweis des ersten Anscheins kann von den Klägern durch den sog. Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. Hierzu ist der Vollbeweis des Gegenteils nicht erforderlich. Die Kläger müssen also nicht beweisen, dass eine private Nutzung nicht stattgefunden hat. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass von den Klägern ein Sachverhalt dargelegt (und im Zweifelsfall nachgewiesen) wird, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehens ergibt (vgl. BFH-Urteil vom 7. November 2006 VI R 19/05, BFHE 215, 256, BStBl II 2007, 116, m.w.N.).

  5. Der Anscheinsbeweis wird im Regelfall noch nicht erschüttert, wenn der Kläger lediglich behauptet, für privat veranlasste Fahrten hätten private Fahrzeuge zur Verfügung gestanden (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 1330). Auch ein eingeschränktes privates Nutzungsverbot vermag den Anscheinsbeweis regelmäßig nicht zu entkräften (vgl. BFH-Beschluss vom 13. April 2005 VI B 59/04, BFH/NV 2005, 1300).

  6. Über die Frage, ob der Kläger den für eine Privatnutzung sprechenden Beweis des ersten Anscheins erschüttert hat, entscheidet das FG unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Dabei hat es nicht nur den von den Klägern vorgebrachten Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären. Unter Umständen muss das FG auch zusätzliche, für die Privatnutzung sprechende Umstände aufklären und berücksichtigen. An die Würdigung des FG ist der BFH revisionsrechtlich gebunden (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑), soweit sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungsgrundsätzen beeinflusst ist (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2007 VIII B 212/06, BFH/NV 2008, 210).

  7. Von diesen Grundsätzen ist das FG in der angefochtenen Entscheidung ‑‑entgegen der Auffassung der Kläger‑‑ nicht abgewichen, sondern hat diese seiner Entscheidung vollumfänglich zugrunde gelegt und nach gründlicher Abwägung der Umstände des Streitfalls den Schluss gezogen, der Anscheinsbeweis für eine Privatnutzung des PKW Porsche sei nicht erschüttert worden, was nicht zuletzt auch daran liege, dass die vom Kläger als "Fahrtenbuch" bezeichneten Unterlagen keine Überprüfung der vom Kläger gemachten Angaben ermöglichten. Der insoweit von den Klägern gerügte Sachaufklärungsmangel ist nicht ersichtlich. Zudem fehlt es schon an einer Darlegung der Kläger, welche Beweiserhebung sich dem FG noch hätte aufdrängen müssen.

  8. Demzufolge könnte allenfalls eine fehlerhafte Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze auf die Besonderheiten des Streitfalls vorliegen. Das reicht indes für eine Gefährdung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung nicht aus. Im Übrigen erschließt sich angesichts dieser dem FG obliegenden tatrichterlichen Würdigung (vgl. dazu BFH-Urteil vom 15. März 2007 VI R 94/04, BFH/NV 2007, 1302), die den BFH auch in einem künftigen Revisionsverfahren bindet (Senatsbeschluss in BFH/NV 2008, 210, m.w.N.), nicht, weshalb eine weitere Entscheidung des BFH zu diesem Thema erforderlich sein sollte.

  9. b) Die Kläger lassen zudem unberücksichtigt, dass die Rechtsfrage, welche Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch zu stellen sind, höchstrichterlich hinreichend geklärt sind (z.B. BFH-Urteile vom 9. November 2005 VI R 27/05, BFHE 211, 508, BStBl II 2006, 408; vom 16. November 2005 VI R 64/04, BFHE 211, 513, BStBl II 2006, 410; vom 16. März 2006 VI R 87/04, BFHE 212, 546, BStBl II 2006, 625; Senatsbeschluss vom 16. Januar 2009 VIII B 140/08, BFH/NV 2009, 770). Das FG hat sich ausweislich der Urteilsgründe ausführlich mit dem Vortrag der Kläger zur PKW-Privatnutzung und zur Anerkennung der "Fahrtenbücher" auseinandergesetzt und Letztere aus nachvollziehbaren Gründen verworfen. Der ‑‑angebliche‑‑ Verfahrensmangel wegen Nichtberücksichtigung des klägerischen Vortrags und Nichtberücksichtigung der Fahrtenbücher ist daher nicht gegeben. Vielmehr rügen die Kläger im Ergebnis, das FG habe materiell-rechtlich falsch entschieden. Die Rüge falscher materieller Rechtsanwendung führt aber grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 28. April 2003 VIII B 260/02, BFH/NV 2003, 1336; vom 23. Juni 2003 IX B 119/02, BFH/NV 2003, 1289).

Seite drucken