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Urteil vom 29. August 2012, I R 7/12

Vorrang der Niederlassungsfreiheit gegenüber der Kapitalverkehrsfreiheit und damit keine Drittstaatenwirkung bei gesetzlicher qualifizierter Mindestbeteiligungsquote von 10 v.H. - kein Verstoß gegen Diskriminierungsverbote und kein "Treaty override" durch sog. Schachtelstrafe

BFH I. Senat

KStG § 54 Abs 6d, DBA USA Art 10 Abs 2 S 1 Buchst a, DBA USA Art 10 Abs 4, DBA USA Art 23 Abs 2 S 1 Buchst a S 1, DBA USA Art 23 Abs 2 S 1 Buchst a S 3, DBA USA Art 24, EG Art 43, EG Art 56, EStG § 3c, AEUV Art 49, AEUV Art 63, KStG § 8b Abs 5, FreundschVtr USA Art 11 Abs 1, KStG § 8b Abs 7

vorgehend FG Köln, 21. November 2011, Az: 13 K 2853/07

Leitsätze

1. Die sog. Schachtelstrafe gemäß § 8b Abs. 7 KStG 1999 (i.d.F. des StBereinG 1999) verstößt gegen die unionsrechtliche Grundfreiheit der freien Wahl der Niederlassung nach Art. 43 EG (jetzt Art. 49 AEUV) und bleibt deswegen innerhalb der Europäischen Union unanwendbar (Bestätigung des Senatsurteils vom 13. Juni 2006 I R 78/04, BFHE 215, 82, BStBl II 2008, 821, und des BMF-Schreibens vom 30. September 2008, BStBl I 2008, 940) .   

2. § 8b Abs. 7 KStG 1999 (i.d.F. des StBereinG 1999) verlangt ‑‑i.V.m. Art. 23 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Sätze 1 und 3 DBA-USA 1989 als maßgebende Bezugsnorm‑‑ eine unmittelbare Beteiligung an einer in den Vereinigten Staaten von Amerika ansässigen Gesellschaft von mindestens 10 v.H. der stimmberechtigten Anteile und damit eine qualifizierte Mindestbeteiligungsquote, welche bei typisierender Betrachtung geeignet ist, nach der einschlägigen Spruchpraxis des EuGH "einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Beteiligungsgesellschaft zu ermöglichen". Die Unanwendbarkeit von § 8b Abs. 7 KStG 1999 (i.d.F. des StBereinG 1999) erstreckt sich deshalb infolge Vorrangs der Niederlassungsfreiheit gegenüber der Kapitalverkehrsfreiheit (nach Art. 56 EG, jetzt Art. 63 AEUV) nicht auf sog. Drittstaaten (Abgrenzung zu den Senatsurteilen vom 9. August 2006 I R 95/05, BFHE 214, 504, BStBl II 2007, 279, sowie vom 26. November 2008 I R 7/08, BFHE 224, 50) .

3. Die sog. Schachtelstrafe (hier nach § 8b Abs. 7 KStG 1999 i.d.F. des StBereinG 1999) widerspricht weder den Diskriminierungsverboten des Art. XI des deutsch-amerikanischen Freundschaftsvertrages noch jenen des Art. 24 DBA-USA 1989. Sie stellt gegenüber den abkommensrechtlichen Schachtelprivilegien (hier nach Art. 23 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Sätze 1 und 3 i.V.m. Art. 10 Abs. 4 DBA-USA 1989) auch kein "Treaty override" dar .

Tatbestand

I.

  1. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, war im Streitjahr 1999 zu 33,5 v.H. an einer in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) ansässigen Kapitalgesellschaft, der UC, beteiligt. Für die in diesem Jahr aus dieser Beteiligung erzielte Brutto-Dividende wurde in den USA nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern (DBA-USA 1989) eine Quellensteuer von 5 v.H. einbehalten. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) nahm die Dividende nach Art. 23 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Sätze 1 und 3 i.V.m. Art. 10 Abs. 4 DBA-USA 1989 von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer aus, unterwarf sie jedoch der sog. Schachtelstrafe nach § 8b Abs. 7 des Körperschaftsteuergesetzes 1999 i.d.F. des Gesetzes zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften (Steuerbereinigungsgesetz 1999) vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13) ‑‑KStG 1999 n.F.‑‑ und berücksichtigte hiernach steuererhöhend 5 v.H. der Brutto-Dividende als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben. Tatsächlich betrugen die der Klägerin im Zusammenhang mit der Beteiligung im Streitjahr entstandenen Kosten lediglich 10.953,18 DM.

  2. Die Klägerin sah demgegenüber ‑‑unter Hinweis auf die Senatsurteile vom 13. Juni 2006 I R 78/04 (BFHE 215, 82, BStBl II 2008, 821), vom 9. August 2006 I R 50/05 (BFHE 215, 93, BStBl II 2008, 823), vom 9. August 2006 I R 95/05 (BFHE 214, 504, BStBl II 2007, 279) sowie vom 26. November 2008 I R 7/08 (BFHE 224, 50)‑‑ nur die ihr tatsächlich entstandenen Betriebsausgaben gemäß § 3c des Einkommensteuergesetzes (EStG 1997) i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 1999 als nichtabzugsfähig an; die sog. Schachtelstrafe des § 8b Abs. 7 KStG 1999 n.F. verstoße gegen die gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten der freien Wahl der Niederlassung sowie der Freiheit des Kapitalverkehrs (Art. 43 und Art. 56 des Vertrags von Amsterdam zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften ‑‑EG‑‑ sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. C-340, 1, jetzt Art. 49 und Art. 63 des Vertrags über die die Arbeitsweise der Europäischen Union ‑‑AEUV‑‑ i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Amtsblatt der Europäischen Union 2008, 47) und bleibe infolgedessen auch bezogen auf Beteiligungen in sog. Drittstaaten wie hier in den USA unanwendbar. Das FA lehnte das ab. Die anschließende Klage war erfolgreich. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) Köln vom 22. November 2011  13 K 2853/07 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2012, 1085 abgedruckt.

  3. Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es anerkennt zwar, dass die sog. Schachtelstrafe des § 8b Abs. 7 KStG 1999 n.F. gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt. Dieser Verstoß schließe jedoch einen gleichzeitigen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit und damit auch eine Ausstrahlung des unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs auf sog. Drittstaaten aus. Das FA bezieht sich dazu auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 21. März 2007 (BStBl I 2007, 302; durch BMF-Schreiben vom 27. März 2012, BStBl I 2012, 370, aufgehoben für Steuertatbestände, die nach dem 31. Dezember 2010 verwirklicht werden). Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

  4. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

  5. Das BMF ist dem Verfahren beigetreten, ohne eigene Anträge zu stellen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung. Das FG hat zu Unrecht angenommen, die sog. Schachtelstrafe des § 8b Abs. 7 KStG 1999 n.F. bleibe infolge eines Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit bezogen auf die Dividende aus der Kapitalbeteiligung in den USA unangewandt.

  2. 1. Einkünfte aus Dividenden sind nach Art. 23 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Sätze 1 und 3 i.V.m. Art. 10 Abs. 4 DBA-USA 1989 aus der Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer sowie ‑‑i.V.m. § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG 1999)‑‑ aus dem Gewerbeertrag auszunehmen, soweit es sich hierbei um aus nach dem Recht der USA steuerpflichtige Gewinnausschüttungen auf Anteile an Kapitalgesellschaften handelt, die von einer in den USA ansässigen Gesellschaft an eine in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) ansässige Gesellschaft gezahlt werden, der unmittelbar mindestens 10 v.H. der stimmberechtigten Anteile der in den USA ansässigen Gesellschaft gehören. Das korrespondiert, was die Mindestbeteiligungsquote von 10 v.H. anbelangt, mit § 8b Abs. 5 KStG 1999 n.F., wonach die abkommensrechtliche Steuerbefreiung für Gewinnanteile, die von einer ausländischen Gesellschaft ausgeschüttet werden, ungeachtet der im Abkommen vereinbarten Mindestbeteiligung auch dann gilt, wenn die Beteiligung mindestens ein Zehntel beträgt. Die Voraussetzungen des hiernach gewährten sog. Schachtelprivilegs sind für die im Streitjahr von der UC an die Klägerin ausgeschütteten Beträge erfüllt. Insbesondere ist die Ausschüttung in den USA nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a DBA-USA 1989 steuerpflichtig und hält die Klägerin mit 33,5 v.H. unmittelbar mindestens 10 v.H. der stimmberechtigten Anteile an der UC als einer in den USA ansässigen Gesellschaft. Darüber besteht unter den Beteiligten kein Streit und das bedarf keiner weiteren Erörterung.

  3. 2. Nach § 8b Abs. 7 KStG 1999 n.F., der im Streitjahr anzuwenden ist (vgl. § 54 Abs. 6d KStG 1999 n.F.), gelten 5 v.H. von den Dividenden aus Anteilen an einer ausländischen Gesellschaft, die (u.a.) nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung oder nach § 8b Abs. 5 KStG 1999 n.F. von der Körperschaftsteuer (bzw. ‑‑i.V.m. § 7 Satz 1 GewStG 1999‑‑ von der Gewerbesteuer) befreit sind, als Betriebsausgaben, die mit den Dividenden in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Daraus folgt nach Auffassung der Verwaltungspraxis (vgl. BMF-Schreiben vom 10. Januar 2000, BStBl I 2000, 71), dass der hieraus zu errechnende Betrag gemäß § 3c EStG 1997 (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 1999 n.F.) nicht abgezogen werden darf; die Fiktion ist danach nicht davon abhängig, ob und in welcher Höhe der Obergesellschaft tatsächlich Betriebsausgaben entstanden sind (ebenso z.B. Buyer in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 8b KStG 1999 Rz 286, 290; Krabbe, Internationales Steuerrecht ‑‑IStR‑‑ 1999, 365; Berndt/Wiesch, Betriebs-Berater 1999, 2325). Die Gegenmeinung vermisst, um diese Rechtswirkung eines Abzugsverbots auslösen zu können, die ausdrückliche tatbestandliche Bezugnahme auf § 3c EStG 1997 und den darin angeordneten Abzugsausschluss für die betreffenden Betriebsausgaben, wie sie noch in der vorherigen Fassung des § 8b Abs. 7 KStG 1999 a.F. enthalten war; mittels des bloßen Hinweises auf den "unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang" mit den betreffenden steuerfreien Einnahmen lasse sich dieses Manko nicht substituieren (z.B. Scheipers, Deutsches Steuerrecht ‑‑DStR‑‑ 2000, 89 unter Bezugnahme auf Füger/Rieger, IStR 1999, 257). Bei verständiger Auslegung lässt sich auch die Betriebsausgabenfiktion in § 8b Abs. 7 KStG 1999 n.F. aber leichthin in den notwendigen Kontext zu § 3c EStG 1997 stellen und sind beide Vorschriften im wechselseitigen Zusammenhang zu lesen. Es genügt die gesetzliche Festlegung, dass die mit 5 v.H. quantifizierten fiktiven Betriebsausgaben solche sind, die "in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang" mit den steuerfreien Einnahmen stehen; sowohl Rechtsvoraussetzung als auch Rechtsfolge von § 3c EStG 1997 werden damit tatbestandlich mit hinreichender Deutlichkeit aufgegriffen. Auch über diese Frage, die im Senatsurteil in BFHE 215, 82, BStBl II 2008, 821 noch unbeantwortet geblieben ist, streiten die Beteiligten im Ergebnis denn auch nicht.

  4. 3. Die vorgenannte Fiktion von Betriebsausgaben und ein daraus abzuleitendes Abzugsverbot sind auf den im Streitfall zu beurteilenden Sachverhalt anzuwenden.

  5. a) Der Senat hat allerdings in seinem Urteil in BFHE 215, 82, BStBl II 2008, 821 (vgl. auch Urteile in BFHE 215, 93, BStBl II 2008, 823, sowie in BFHE 214, 504, BStBl II 2007, 279, und in BFHE 224, 50, jeweils zu § 8b Abs. 5 KStG 1999 [i.d.F. bis zur Änderung durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts ‑‑Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz‑‑ vom 20. Dezember 2001, BGBl I 2001, 3858, BStBl I 2002, 35 ‑‑KStG 1999/2002 a.F.‑‑] im Anschluss an die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, jetzt Gerichtshof der Europäischen Union, ‑‑EuGH‑‑ (vgl. Urteile vom 18. September 2003, Bosal, C-168/01, Slg. 2003, I-9409, IStR 2003, 666, und vom 23. Februar 2006, Keller Holding, C-471/04, Slg. 2006, I-2107) erkannt, dass beides im Zusammenwirken gegen die gemeinschaftsrechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 i.V.m. Art. 48 EG, jetzt Art. 49 i.V.m. Art. 54 AEUV, und damit gegen primäres Gemeinschaftsrecht verstößt und deshalb wegen des Vorrangs des Unionsrechts vor nationalem Recht unanwendbar bleibt. Dem hat sich die Finanzverwaltung prinzipiell angeschlossen (vgl. BMF-Schreiben vom 30. September 2008, BStBl I 2008, 940). Auch in diesem Punkt besteht unter den Beteiligten kein Streit.

  6. b) Streit besteht aber darüber, ob die Vorschrift des § 8b Abs. 7 KStG 1999 n.F. über die sog. Schachtelstrafe nicht allein gegen die Niederlassungsfreiheit, sondern zugleich auch gegen die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 EG (Art. 63 AEUV) verstößt. Letzteres könnte zur Folge haben, dass sich die Reichweite der Vertragsverletzung prinzipiell nicht nur auf Beteiligungsgesellschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union und eines Staates erstreckt, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, sondern auch auf sog. Drittstaaten ("erga omnes"). Das hat der Senat ‑‑ebenfalls im Anschluss an einschlägige Entscheidungen des EuGH‑‑ in seinen Urteilen in BFHE 214, 504, BStBl II 2007, 279, und in BFHE 224, 50 (jeweils m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung, s. dazu nachfolgend und fortführend auch z.B. Urteile vom 17. September 2009, Glaxo Wellcome, C-182/08, Slg. 2009, I-8591, IStR 2009, 691 Rn. 36 ff., sowie vom 19. Juli 2012, Scheunemann, C-31/11, DStR 2012, 1508 Rn. 17 ff.) für die Regelungen in § 8b Abs. 5 KStG 1999/2002 a.F. angenommen (und blieb nach entsprechender Verfassungsbeschwerde des beklagten Finanzamts gegen das Senatsurteil in BFHE 224, 50 gemäß §§ 93a, 93b des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vom Bundesverfassungsgericht in dessen allerdings nicht begründeten Beschluss vom 11. April 2012  2 BvR 862/09, IStR 2012, 464, unbeanstandet), wird seitens der Finanzverwaltung aber bislang anders gesehen; ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit trete jedenfalls dann hinter einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit zurück, wenn infolge der konkret in Rede stehenden Beteiligungsquote die "beschränkenden Auswirkungen die unvermeidliche Konsequenz einer eventuellen Beschränkung der Niederlassungsfreiheit" darstellten (BMF-Schreiben in BStBl I 2007, 302).

  7. aa) Auslösend für diesen Streit ist das unterschiedliche Rechtsverständnis darüber, ob es für den systematischen Anwendungsvorrang der Niederlassungs- gegenüber der Kapitalverkehrsfreiheit auf das Telos der betreffenden nationalen Vorschrift oder aber auf die tatsächlichen Beteiligungsverhältnisse ankommt: Nach der ständigen Spruchpraxis des EuGH berührt eine nationale Regelung vorwiegend die Ausübung der Niederlassungsfreiheit, wenn die Beteiligung es ihrem Inhaber im Rahmen einer sog. Direktinvestition ermöglicht, "einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der betreffenden Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen"; hingegen sind nationale Bestimmungen über Beteiligungen, die ‑‑als sog. Portfolioinvestitionen‑‑ "in der alleinigen Absicht der Geldanlage erfolgen, ohne dass auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss genommen werden soll", ausschließlich im Hinblick auf den freien Kapitalverkehr zu prüfen (vgl. m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung z.B. EuGH-Urteile in Slg. 2009, I-8591, Rn. 36 ff., sowie in DStR 2012, 1508 Rn. 17 ff.; vom 21. November 2002, X und Y, C-436/00, Slg. 2002, I-10829, Rn. 66 ff.; vom 12. Dezember 2006, Test Claimants in the FII Group Litigation, C-446/04, Slg. 2006, I-11753 Rn. 37 f.). Ausschlaggebend ist sonach, ob die zugrundeliegende nationale Norm ‑‑wie beispielsweise § 8b Abs. 5 KStG 1999/2002 a.F.‑‑ ausdrücklich oder nach ihrer Zielsetzung allgemein und vorbehaltlos gegen "jedermann" wirkt, oder ob sie qualifizierte Beteiligungsmerkmale verlangt. Die tatsächlichen Verhältnisse spielen insoweit keine unmittelbare Rolle; sie werden vom EuGH lediglich ergänzend herangezogen, um den zur Abgrenzung eingeforderten "sicheren Einfluss" für den konkret zu beurteilenden Einzelfall zu verifizieren (z.B. EuGH-Urteile in DStR 2012, 1508 Rn. 31; vom 26. März 2009, Kommission ./. Italienische Republik, C-326/07, Slg. 2009, I-2291 Rn. 36 ff.; s.a. FG Köln, Urteil vom 24. Februar 2011  13 K 80/06, EFG 2011, 1651, jeweils m.w.N.). Die Finanzverwaltung sieht demgegenüber die tatsächlichen Verhältnisse als allein maßgebend an; lediglich sog. Streubesitz soll dem weltweit wirkenden Diskriminierungs- und Beschränkungsschutz der Kapitalverkehrsfreiheit unterworfen sein.

  8. bb) Im Streitfall bedarf es zu dieser Kontroverse nach dem grundsätzlichen Verhältnis von Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit keiner weiteren Ausführungen, weil eine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit jedenfalls unter den hier zu beurteilenden Gegebenheiten hinter die Verletzung der Niederlassungsfreiheit zurücktritt und deren "unvermeidliche Folge" ist (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2009, I-8591, Rn. 51). Grund dafür ist, dass § 8b Abs. 7 KStG 1999 n.F. nicht ‑‑wie aber dessen Nachfolgeregelung in § 8b Abs. 5 KStG 1999/2002 a.F.‑‑ allgemein an die steuerfreien Bezüge aus Anteilen an ausländischen Gesellschaften anknüpft, sondern nur an solche Gewinnausschüttungen der Auslandsgesellschaft, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Körperschaftsteuer befreit sind. Das aber erfordert wiederum nach dem beschriebenen Tatbestand des im Streitfall anzuwendenden Art. 23 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Sätze 1 und 3 DBA-USA 1989 als maßgebender Bezugsnorm ‑‑abweichend von § 8b Abs. 1 KStG 2002 n.F.‑‑ eine unmittelbare Beteiligung an den stimmberechtigten Anteilen der in den USA ansässigen Gesellschaft von mindestens 10 v.H. und damit eine (qualifizierte) Mindestbeteiligungsquote, für welche sich "nach Aktien- und Umwandlungsrecht bereits bestimmte Sonderrechte (ergeben)" (so die amtliche Gesetzesbegründung zur innerstaatlich einseitigen Herabsetzung höherer abkommensrechtlicher Beteiligungsgrenzen auf eine Mindestbeteiligung von einem Zehntel in § 26 Abs. 5 KStG 1984 ‑‑als Vorgängervorschrift zu § 8b Abs. 5 KStG 1999 n.F.‑‑ durch das Gesetz zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und zur Einschränkung von steuerlichen Vorteilen ‑‑Steuerentlastungsgesetz 1984‑‑ vom 22. Dezember 1983, BGBl I 1983, 1583, BStBl I 1984, 14, vgl. BTDrucks. 10/336, dort S. 28 [i.V.m. S. 22 f. zu § 102 Abs. 1 und 2 des Bewertungsgesetzes und der dadurch für Zwecke der Vermögensteuer gleichermaßen abgesenkten Mindestbeteiligungshöhe]) und welche deswegen eine "unternehmerische Beteiligung" kennzeichnet (s. Vogel, DBA, 3. Aufl., Art. 23 Rz 102). Eine derartige qualifizierte Mindestbeteiligungsquote ermöglicht in Einklang mit der zitierten einschlägigen Spruchpraxis des EuGH bei der hierfür gebotenen typisierenden Betrachtung einen hinreichend "sicheren Einfluss". Im Streitfall, in dem die Klägerin einen Anteil von 33,5 v.H. an der UC hielt und die Mindestbeteiligungsquote deutlich übertraf, steht denn auch tatsächlich außer Frage, dass es sich so verhält. Zu einer Drittstaatenwirkung der grundsätzlich anzunehmenden Unionsrechtswidrigkeit gelangt man sonach nicht; die Kapitalverkehrsfreiheit wird unbeschadet dessen, dass auch deren Schutzbereich grundsätzlich eröffnet bleibt, von der insoweit vorrangig anzuwendenden Niederlassungsfreiheit verdrängt (vgl. insoweit auch EuGH-Urteil in Slg. 2009, I-2291 Rn. 36 ff., dort zu einer 5%igen ‑‑allerdings mit Einspruchsrechten verbundenen‑‑ Beteiligung an einer Publikums-AG im Hinblick darauf, dass die nationale Regelung jedenfalls auch auf Beteiligungen anwendbar sei, die den gesetzlichen Mindestvomhundertsatz überschritten; s. auch Gosch in Kirchhof, EStG, 11. Aufl., § 50d Rz 27).

  9. c) Der Senat erachtet die aufgezeigte Unionsrechtslage in Anbetracht des zwischenzeitlichen Stands der Rechtsprechung des EuGH als eindeutig. Sie entspricht den Aussagen der zitierten EuGH-Urteile und war insoweit bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof. Sie ergibt sich überdies zweifelsfrei aus dem EG-Vertrag. Überdies gebührt dem nationalen Gericht und nicht dem EuGH die vorrangige Einschätzung der Frage, ob eine Regelung wie vorliegend § 8b Abs. 7 KStG 1999 n.F. nach ihrer Zielsetzung in erster Linie eine potentielle Beherrschungssituation ‑‑mit der Folge der primären Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit‑‑ im Auge hat, oder aber, ob ‑‑mit der Folge der Anwendbarkeit der Kapitalverkehrsfreiheit‑‑ diese Regelung primär allgemein wirkt. Einer Vorlage an den EuGH gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV bedurfte es deshalb nicht (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, 3415).

  10. 4. Die sog. Schachtelstrafe nach § 8b Abs. 7 KStG 1999 n.F. widerspricht entgegen der Annahme der Klägerin auch nicht dem Diskriminierungsverbot, wie dieses in Art. XI Abs. 1 des Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29. Oktober 1954 ebenso wie in Art. 24 DBA-USA 1989 verbürgt ist. Denn die UC als "Gesellschaft eines Vertragsteils" ‑‑hier der USA‑‑ unterliegt in Deutschland keiner "stärkeren Belastung als unter gleichartigen Voraussetzungen die (...) Gesellschaften des anderen Vertragsteils". Auch die Ausdehnung unionsrechtlich einzufordernder Diskriminierungs- und Beschränkungsverbote auf Drittstaatenangehörige und Drittstaatenkonstellationen i.S. einer Meistbegünstigung ist danach nicht zu gewähren (vgl. Senatsurteil vom 30. März 2011 I R 63/10, BFHE 233, 198, BStBl II 2011, 747).

  11. 5. Schließlich stellt die sog. Schachtelstrafe gleichermaßen kein sog. Treaty override dar, das der prinzipiellen Schachtelprivilegierung des Art. 23 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Sätze 1 und 3 i.V.m. Art. 10 Abs. 4 DBA-USA 1989 für die Dividenden aus der Auslandsbeteiligung in "faktischer" und möglicherweise völker- und verfassungswidriger Weise (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Januar 2012 I R 66/09, BFHE 236, 304) entgegenstünde. Die Schachtelprivilegierung wird vollen Umfangs eingeräumt. Dass die daraus erwachsende Steuerfreistellung der Auslandsdividenden wirtschaftlich dann wieder um 5 v.H. der Dividenden als nichtabziehbar behandelte fiktive Betriebsausgaben zurückgenommen wird, berührt die zunächst gewährte Freistellung aus rechtlicher Sicht ebenso wenig, wie dies infolge der Nichtabziehbarkeit der tatsächlich angefallenen Betriebsausgaben nach Maßgabe von § 3c EStG 1997 der Fall wäre. In beiden Situationen wird kraft positiv-rechtlicher Anordnung lediglich dem Rechtsgedanken Rechnung getragen, dass steuerbefreite Einkommensbestandteile mit einem Abzugsverbot für damit in Zusammenhang stehenden Aufwand korrespondieren sollen, und zwar gleichviel, ob dabei auf den tatsächlich angefallenen Aufwand abgestellt wird oder ob die nicht abziehbaren Betriebsausgaben insoweit abweichend von § 3c EStG 1997 pauschaliert werden. Keineswegs aber schafft § 8b Abs. 7 KStG 1999 n.F. einen Steuertatbestand, welcher rechtlich neben der Steuerfreistellung des DBA-Schachtelprivilegs stünde und diesen "überschriebe" (vgl. im Einzelnen z.B. Heurung/Engel/Seidel, Der Betrieb 2010, 1551, 1553 f.; Gosch in Kessler/Förster/Watrin [Hrsg.], Unternehmensbesteuerung, Festschrift Herzig, 2010, S. 63, 85 ff.; Frotscher, DStR 2001, 2045, 2051; s.a. Senatsurteil vom 10. Januar 2007 I R 53/06, BFHE 217, 98, BStBl II 2007, 585; anders z.B. ‑‑z.T. unter Berufung auf einen Grundsatz der "völkerrechtsfreundlichen" Auslegung‑‑ Hageböke, IStR 2009, 473; Stangl/Hageböke, Unternehmensbesteuerung 2010, 651; Lorenz, IStR 2009, 437; Schönfeld, IStR 2010, 658; U. Prinz, Finanz-Rundschau ‑‑FR‑‑ 1999, 356, 358; Kraft/Gebhardt/ Quilitzsch, FR 2011, 593, jeweils m.w.N.). Aus dem in anderen gesetzlichen Zusammenhängen des § 8 Nr. 5 GewStG 2002 ergangenen Senatsurteil vom 23. Juni 2010 I R 71/09 (BFHE 230, 177, BStBl II 2011, 129) ergibt sich insoweit nichts Gegenteiliges.

  12. 6. Die Vorinstanz war hinsichtlich der unionsrechtlichen Einschätzung abweichender Auffassung. Ihre Entscheidung ist deswegen aufzuheben und die Klage ist abzuweisen.

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