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Urteil vom 10. Juli 2012, VIII R 48/09

Rechtsberatungsvertrag - Entschädigung bei arbeitnehmerähnlicher Ausgestaltung

BFH VIII. Senat

EStG § 18 Abs 1 Nr 1 S 2, EStG § 24 Nr 1 Buchst a, EStG § 34 Abs 1, EStG § 34 Abs 2 Nr 2, GG Art 3 Abs 1

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht , 11. Februar 2009, Az: 14 K 622/04

Leitsätze

Schuldet ein Rechtsanwalt seine Leistung trotz Beibehaltung der rechtlichen Selbständigkeit aufgrund eines Beratungsvertrags im Wesentlichen wie ein Arbeitnehmer, so kommt im Zusammenhang mit diesem Vertrag eine Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG bei ihm nach den Grundsätzen in Betracht, die für Arbeitnehmer gelten .

Tatbestand

I.

  1. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) begehrt für die im Streitjahr 1998 empfangene Zahlung aus einem gerichtlichen Vergleich die Tarifermäßigung gemäß § 34 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Klägerin und Revisionsklägerin ist die mit dem Kläger im Streitjahr zusammen veranlagte Ehefrau des Klägers.

  2. Der Kläger war als Rechtsanwalt und Notar selbständig tätig. 1979 schloss er mit der R-GmbH einen Rechtsberatungsvertrag. Darin verpflichtete sich der Kläger, unter Beibehaltung seiner Selbständigkeit als Rechtsanwalt und Notar die laufende Rechtsberatung der R-GmbH zu übernehmen. Im Gegenzug verpflichtete sich die R-GmbH, an den Kläger monatlich 5.000 DM zu zahlen und sagte ihm eine betriebliche Altersversorgung wie einem Geschäftsführer zu. Im Dezember 1994 schlossen die R-GmbH und der Kläger einen neuen Rechtsberatungsvertrag. Danach sollte der Kläger nunmehr ein jährliches Beratungshonorar von "netto 0,20 % des Planumsatzes" der R-GmbH erhalten. Die Versorgungszusage wurde unverändert fortgeschrieben. Der neue Vertrag hatte eine feste Laufzeit bis zum 31. Dezember 2008.

  3. Mit Schreiben vom 29. August 1996 kündigte die R-GmbH den Beratungsvertrag mit sofortiger Wirkung. Dem widersprach der Kläger. Das Landgericht gab seiner Klage statt. Es stellte fest, der Beratungsvertrag sei durch die Kündigung nicht beendet. Vor dem Oberlandesgericht einigten sich die Beteiligten vergleichsweise auf die Aufhebung des Vertrags mit Wirkung zum 31. August 1996. Zur Abgeltung der dadurch dem Kläger entstehenden Nachteile verpflichtete sich die R-GmbH, an den Kläger einmalig eine Entschädigung (Abfindung) in Höhe von 1,7 Mio. DM zu zahlen. Die Ruhegehaltszusage sollte ab dem 1. Januar 2012 monatlich 9.000 DM betragen. Die GmbH zahlte den Vergleichsbetrag von 1,7 Mio. DM noch 1998 an den Kläger.

  4. Im Einkommensteuerbescheid für 1998 gewährte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) zunächst die Tarifbegünstigung. Der Bescheid stand allerdings unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

  5. Nach einer Außenprüfung war der Prüfer der Auffassung, dass die Entschädigung nicht ermäßigt besteuert werden könne. Dem schloss sich das FA an, änderte den Einkommensteuerbescheid für 1998 entsprechend und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Der Einspruch blieb erfolglos.

  6. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen (Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2010, 421). Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er die Verletzung von Bundesrecht (§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG) rügt.

  7. Die Kläger beantragen,
    das FG-Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 1998 dahin zu ändern, dass die 1998 von der R-GmbH an den Kläger gezahlte Entschädigung gemäß § 34 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG ermäßigt besteuert wird.

  8. Das FA beantragt,
    die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat zu Unrecht die Anwendung der Tarifbegünstigung versagt. Der Senat kann indes mangels tatsächlicher Feststellungen nicht entscheiden, ob das Beratungsvertragsverhältnis des Klägers mit der R-GmbH arbeitnehmerähnlich ausgestaltet war und wie vereinbart tatsächlich durchgeführt worden ist.

  2. 1. Das FG hat zur Begründung ausgeführt, die Kündigung eines Beratungsvertrags und der Abschluss eines Vergleichs seien für einen Rechtsanwalt ein normaler und üblicher Geschäftsvorfall, auch wenn es sich ‑‑wie im Streitfall‑‑ aufgrund seines Volumens um einen für den Kläger bedeutsamen Vertrag gehandelt habe. Dem Kläger sei weder durch die Kündigung noch durch den Vergleich die Grundlage für seine Geschäftstätigkeit entzogen worden. Wie die Umsatzentwicklung der Kanzlei zeige, habe der Kläger die mit dem Wegfall des Beratungsvertrags verbundenen Einnahmenausfälle ohne Weiteres ausgleichen können. Es komme auch nicht darauf an, ob der Beratungsvertrag ‑‑wie der Kläger meine‑‑ arbeitnehmerähnlich ausgestaltet gewesen sei. Dieser Gesichtspunkt spiele in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) keine Rolle. Das FG Hamburg (Urteil vom 2. Dezember 1981 VI 50/79, EFG 1982, 302) habe lediglich in einem Einzelfall darauf abgestellt, dessen tatsächliche Umstände mit dem vorliegenden Fall aber nicht vergleichbar seien.

  3. 2. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Schuldet ein Rechtsanwalt seine Leistung trotz Beibehaltung der rechtlichen Selbständigkeit aufgrund eines Beratungsvertrags im Wesentlichen wie ein Arbeitnehmer, so kommt im Zusammenhang mit diesem Vertrag eine Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG bei ihm nach den Grundsätzen in Betracht, die für Arbeitnehmer gelten.

  4. a) Im Ausgangspunkt zutreffend ist das FG allerdings davon ausgegangen, dass im Bereich der Gewinneinkünfte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 EStG) eine Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht anzunehmen ist bei Einnahmen (Einkünften) aus Geschäftsvorfällen, die der laufenden Geschäftsführung zuzurechnen sind. Solche Einnahmen führen zu laufenden Einkünften, die nicht tarifbegünstigt besteuert werden. Welche Geschäftsvorfälle im Einzelfall zur laufenden Geschäftsführung gehören, hängt maßgebend von der Art der Tätigkeit ab. Bei Steuerpflichtigen, die im Rahmen ihrer gewerblichen oder selbständigen Tätigkeit üblicherweise eine Vielzahl von Verträgen abschließen, gehören auch die Kündigung oder Auflösung einzelner Verträge sowie deren Abwicklung nach Leistungsstörungen zur laufenden Geschäftsführung. Es handelt sich insofern nicht um ungewöhnliche Geschäftsvorfälle. Eine Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG ist deshalb grundsätzlich noch nicht anzunehmen, wenn Schadensersatz oder Ausgleich für die Nichterfüllung eines (üblichen) Vertrags geleistet wird, einschließlich des entgangenen Gewinns (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 20. Juli 1978 IV R 43/74, BFHE 125, 271, BStBl II 1979, 9; vom 27. Juli 1978 IV R 153/77, BFHE 126, 165, BStBl II 1979, 69; vom 10. September 1998 IV R 19/96, BFH/NV 1999, 308). Dabei kommt es auf den Umfang und die Bedeutung des Geschäfts nicht an (vgl. BFH-Urteile vom 18. September 1986 IV R 228/83, BFHE 147, 477, BStBl II 1987, 25; in BFH/NV 1999, 308). Diese Grundsätze gelten ebenso für selbständig tätige Rechtsanwälte.

  5. Zu Recht ist das FG deshalb davon ausgegangen, dass die (unberechtigte) Kündigung eines üblichen Mandatsvertrags für einen Rechtsanwalt grundsätzlich nicht zu Einnahmen gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG führt, wenn er für den dadurch entgangenen Gewinn entschädigt wird. Nach diesen Grundsätzen könnte der Kläger die Tarifbegünstigung auch für die streitige Vergleichszahlung nicht erlangen, wenn man mit dem FG bei einem Rechtsanwalt den Abschluss oder die Auflösung von Beratungsverträgen generell als üblichen Geschäftsvorfall ansieht.

  6. b) Demgegenüber hat die Rechtsprechung § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit stets deutlich großzügiger gehandhabt. Bei Arbeitnehmern wendet die Rechtsprechung § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG bereits dann an, wenn die Zahlung unmittelbar durch den Verlust von steuerbaren Einnahmen bedingt (veranlasst) und dazu bestimmt ist, diesen Verlust auszugleichen. Sie muss außerdem (funktional) auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruhen. Nicht (mehr) erforderlich ist, dass der Arbeitnehmer seine Tätigkeit vollständig einstellt. Eine tarifbegünstigte Entschädigung kann auch dann vorliegen, wenn der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer eine Abfindung dafür zahlt, dass dieser einer Reduzierung seiner wöchentlichen Arbeitszeit zustimmt (vgl. BFH-Urteil vom 25. August 2009 IX R 3/09, BFHE 226, 261, BStBl II 2010, 1030, m.w.N.). Hinzukommen muss weiterhin, dass es sich um ein "besonderes Ereignis" handelt (BFH-Urteil in BFHE 226, 261, BStBl II 2010, 1030, unter II.1.b bb (2) der Entscheidungsgründe). Dies setzt nicht voraus, dass die Entschädigung für den vollständigen Verlust der (einzigen) Einkunftsquelle geleistet wird. Vielmehr ist ein "besonderes Ereignis" schon dann anzunehmen, wenn die Beendigung oder Änderung des Vertrags vom Arbeitgeber ausgeht oder wenn der Arbeitnehmer beim Abschluss einer Aufhebungs- oder Änderungsvereinbarung unter einem nicht unerheblichen rechtlichen, wirtschaftlichen oder tatsächlichen Druck gehandelt hat (vgl. BFH-Urteile in BFHE 125, 271, BStBl II 1979, 9; in BFHE 226, 261, BStBl II 2010, 1030, unter II.2. der Entscheidungsgründe).

  7. c) Nach diesen Maßstäben käme im Streitfall eine Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG in Betracht, denn die streitige Zahlung war durch den Wegfall der künftigen Einnahmen aus dem Beratungsvertrag veranlasst und beruhte auf einer neuen Rechtsgrundlage (Vergleich). Ebenso wäre ein "besonderes Ereignis" anzunehmen, denn der Kläger stand beim Abschluss des Vergleichs unter Druck. Hierzu hat der IX. Senat des BFH jüngst entschieden, dass es nicht dem Zweck des von der Rechtsprechung entwickelten Merkmals der Zwangssituation entspricht, allein wegen einer gütlichen Einigung in einer konfligierenden Interessenlage zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen tatsächlichen Druck in Frage zu stellen (vgl. BFH-Urteil vom 29. Februar 2012 IX R 28/11, BFH/NV 2012, 1218).

  8. d) Das hierdurch beschriebene Spannungsverhältnis ist in der Weise aufzulösen, dass bei der Anwendung von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG die für Arbeitnehmer geltenden Grundsätze (analog) zu beachten sind, wenn im Rahmen der selbständigen Tätigkeit eines Rechtsanwalts ein Geschäftsbesorgungs- oder Rechtsberatungsvertrag arbeitnehmerähnlich ausgestaltet ist. Dies gebietet die rechtliche Gleichbehandlung von wesentlich Gleichem.

  9. aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) folgt die systematische Einteilung der Einkunftsarten des EStG im Grundsatz keiner eigenen Sachgesetzlichkeit. Unterschiedliche Rechtsfolgen können deshalb nicht ohne Weiteres auf die bestehende Einteilung der Einkunftsarten gestützt werden, sondern bedürfen einer davon unabhängigen sachlichen Rechtfertigung (vgl. BVerfG-Beschluss vom 10. April 1997  2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1, BStBl II 1997, 518). Lassen sich solche sachlichen Unterschiede nicht finden, sind die Einkunftsarten grundsätzlich gleich zu behandeln (vgl. BVerfG-Beschluss vom 30. September 1998  2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88).

  10. bb) Dies zugrunde gelegt, kann § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht nach den für die Gewinneinkünfte entwickelten Regeln zur Anwendung kommen, wenn ein Geschäftsvorfall zu beurteilen ist, der nach objektiven Kriterien und bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung einem nichtselbständigen Beschäftigungsverhältnis hinreichend ähnlich ist und schon deshalb aus dem Rahmen der für die zu beurteilende Tätigkeit sonst üblichen Geschäfte herausfällt; in einem solchen Fall muss sich die rechtliche Beurteilung des Vertrags nach den in der Rechtsprechung für die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit entwickelten Grundsätzen richten (vgl. FG Hamburg, Urteil in EFG 1982, 302; im Ergebnis wohl ebenso Schmidt/Wacker, EStG, 31. Aufl., § 24 Rz 14).

  11. cc) Ob der Beratungsvertrag arbeitnehmerähnlich ausgestaltet war, bedarf einer wertenden Betrachtung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls. Dabei obliegt die Feststellung und Würdigung der tatsächlichen Umstände in erster Linie der Tatsacheninstanz.

  12. 3. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sein Urteil wird deshalb aufgehoben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat von seinem Standpunkt aus zu Recht keine Feststellungen dazu getroffen, ob das Beratungsmandat des Klägers bei der R-GmbH arbeitnehmerähnlich ausgestaltet war und ob der Vertrag wie vereinbart durchgeführt worden ist. Dies wird es im zweiten Rechtsgang feststellen und zu würdigen haben. In rechtlicher Hinsicht sind dabei die folgenden Hinweise zu beachten.

  13. a) Bei isolierter Betrachtung des Vertrags ist darauf abzustellen, ob er ‑‑ungeachtet der rechtlich zutreffenden Einordnung bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit, also insbesondere ohne Berücksichtigung der fehlenden Weisungsabhängigkeit‑‑ die für einen vergleichbaren leitenden Angestellten wesentlichen Merkmale eines typischen Arbeitsvertrags aufweist (vgl. BFH-Urteil vom 22. Februar 2012 X R 14/10, BFHE 236, 464, BFH/NV 2012, 864, mit umfangreichen Ausführungen zur Abgrenzung von gewerblicher und nichtselbständiger Arbeit). Als Kriterien kommen hier insbesondere in Betracht eine feste Vergütung ohne leistungsbezogene Einzelabrechnungen, Kündigungsschutz bzw. Vereinbarung einer festen Laufzeit des Vertrags, Anspruch auf Urlaub, Sozialleistungen und betriebliche Altersvorsorge, Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall, fehlendes Unternehmerrisiko, fehlende Unternehmerinitiative, kein Kapitaleinsatz, keine Pflicht zur Beschaffung von Arbeitsmitteln, Notwendigkeit der engen ständigen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern, Eingliederung in den Betrieb. Hinsichtlich der gebotenen Gesamtwürdigung kommt es darauf an, ob das Vertragsverhältnis in seiner rechtlichen Ausgestaltung und der tatsächlichen Handhabung einem Anstellungsverhältnis soweit angenähert ist, dass es deswegen aus dem Rahmen der sonst für einen Rechtsanwalt üblichen Geschäfte deutlich herausfällt und eindeutig von diesen abgegrenzt werden kann.

  14. b) Bei Betrachtung der gesamten Tätigkeit des Rechtsanwalts muss der Beratungsvertrag eine wesentliche, aber nicht die einzige Erwerbsquelle darstellen.

  15. aa) Es ist nicht erforderlich, dass es sich um die einzige Einnahmequelle des Rechtsanwalts handelt. Nachdem die Rechtsprechung bei Arbeitnehmern eine Entschädigung für entgehende Einnahmen ‑‑wie dargelegt‑‑ auch bei einer bloßen Reduzierung der Arbeitszeit und Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Übrigen gewährt hat, sind an die Vergleichbarkeit eines arbeitnehmerähnlich ausgestalteten Rechtsberatungsvertrags keine darüber hinausgehenden Anforderungen zu stellen. Das bedeutet, dass eine Entschädigung gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG auch dann in Betracht kommt, wenn entweder der Rechtsberatungsvertrag, der die Arbeitskraft des Rechtsanwalts in vollem Umfang bindet, auf Betreiben des Auftraggebers erheblich reduziert wird oder wenn z.B. ein Rechtsberatungsvertrag, der ‑‑wie im Streitfall‑‑ nur einen Teil der Arbeitskraft des Rechtsanwalts bindet, vollständig wegfällt.

  16. bb) Andererseits muss der Beratungsvertrag eine für die Gesamttätigkeit des Rechtsanwalts wesentliche Bedeutung haben. Das folgt daraus, dass ein Arbeitnehmer typischerweise nicht beliebig viele, sondern allenfalls so viele verschiedene Arbeitsverhältnisse einzugehen pflegt, dass jedes bei einer Gesamtbetrachtung noch als wesentlich angesehen werden muss. Dabei bestimmt sich die Wesentlichkeit für einen Rechtsanwalt vor allem danach, in welchem Umfang das Beratungsmandat dem Rechtsanwalt die Möglichkeit zum Abschluss beliebiger anderer Mandatsverträge nimmt, weil es seine Arbeitskraft dauerhaft bindet. Der Rechtsanwalt wird bei Abschluss eines Beratungsvertrags stets abzuwägen haben, ob er die Sicherheit einer dauernden Einnahmequelle der Möglichkeit eines höheren, aber möglicherweise unsichereren Verdienstes bei Abschluss vieler anderer Verträge vorzieht. Vor diesem Hintergrund ist die Arbeitnehmerähnlichkeit umso mehr zu bejahen, je umfangreicher ein Beratungsvertrag die Arbeitskraft des Rechtsanwalts bindet. Ein fester Anteil, der mindestens gegeben sein muss, um von einem arbeitnehmerähnlichen Vertrag sprechen zu können, kann allerdings nicht angegeben werden, weil auch Arbeitnehmer mitunter mehrere Arbeitsverhältnisse parallel begründen können.

  17. cc) Unerheblich ist, dass der Kläger trotz des Wegfalls des Beratungsmandats keinen feststellbaren Umsatzeinbruch erlitten hat. Darauf kommt es für die Anwendung des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht an. Soweit der Kläger angibt, den fehlenden Umsatz durch die Annahme anderer Mandate ausgeglichen zu haben, ist ihm dieser Vorteil nicht anzurechnen. Es entspricht der Rechtsprechung, dass bei der Anwendung von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG der "Schaden" nicht entfällt, wenn durch das schädigende Ereignis zugleich ein Vorteil bewirkt wird. Ein Vorteilsausgleich ist nicht vorzunehmen (vgl. BFH-Urteile vom 9. August 1974 VI R 142/72, BFHE 113, 239, BStBl II 1974, 714; vom 20. Oktober 1978 VI R 107/77, BFHE 126, 408, BStBl II 1979, 176; vom 22. Januar 2009 IV R 12/06, BFH/NV 2009, 933). Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die Arbeitnehmerähnlichkeit des Vertrags. Auch im Fall der vollständigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der BFH nicht danach gefragt, ob und wann der Arbeitnehmer infolge der gewonnenen Verfügungsmacht über seine Arbeitszeit ein neues (und eventuell für ihn sogar günstigeres) Anstellungsverhältnis begründet hat.

  18. dd) Dem steht nicht die Rechtsprechung entgegen, wonach bei den Gewinneinkünften ein außergewöhnliches Ereignis (nur) anzunehmen ist, wenn der Steuerpflichtige von einem Außenstehenden an der Verwirklichung seines Gewinnstrebens durch Anwendung eines nicht unerheblichen tatsächlichen, rechtlichen oder wirtschaftlichen Drucks dergestalt gehindert worden ist, dass dem Geschäftsbetrieb zumindest teilweise die Ertragsgrundlage entzogen worden ist (vgl. BFH-Urteile vom 5. Oktober 1989 IV R 126/85, BFHE 158, 404, BStBl II 1990, 155; vom 27. November 1991 X R 10/91, BFH/NV 1992, 455; BFH-Beschluss vom 9. Januar 2002 IV B 31/01, BFH/NV 2002, 776). Das ist zwar vorliegend nicht der Fall, denn durch den Wegfall des Beratungsmandats hat der Kläger nicht etwa die Möglichkeit zum Abschluss neuer Verträge verloren, sondern vielmehr im Umfang des Wegfalls seiner eigenen Leistungsverpflichtung wieder hinzugewonnen. Die in der zitierten Rechtsprechung umschriebene Fallgruppe eines "Eingriffs" von dritter Seite in den laufenden Geschäftsbetrieb ist aber nicht abschließend in dem Sinne, dass sie andere Fälle einer Entschädigung bei den Gewinneinkünften vollständig ausschließt. Ein solcher anderer Fall ist die Kündigung oder Aufhebung eines arbeitnehmerähnlich ausgestalteten Beratungsvertrags. Damit weicht der Senat von der zitierten Rechtsprechung nicht ab.

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