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Beschluss vom 15. Dezember 2011, VI R 26/11

Vorzeitige Beendigung eines im Blockmodell geführten Altersteilzeitarbeitsverhältnisses - Ausgleichszahlungen für in der Arbeitsphase erbrachte Vorleistungen - Beschwer bei Begehren einer höheren Steuerfestsetzung

BFH VI. Senat

EStG § 11 Abs 1 S 1, EStG § 11 Abs 1 S 4, EStG § 38a Abs 1 S 2, EStG § 38a Abs 1 S 3, EStG § 39b Abs 5 S 2, FGO § 40 Abs 2

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht , 07. Dezember 2010, Az: 3 K 238/08

Leitsätze

1. Wird ein im Blockmodell geführtes Altersteilzeitarbeitsverhältnis vor Ablauf der vertraglich vereinbarten Zeit beendet und erhält der Arbeitnehmer für seine in der Arbeitsphase erbrachten Vorleistungen Ausgleichszahlungen, stellen diese Ausgleichszahlungen Arbeitslohn dar.

2. Solche Ausgleichszahlungen sind sonstige Bezüge i.S. des § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG, so dass sie nach dem Zuflussprinzip des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zu erfassen sind.

Tatbestand

I.

  1. Streitig ist, in welchem Veranlagungszeitraum Zahlungen im Zusammenhang mit der vorzeitigen Beendigung eines Blockmodells der Altersteilzeit als Lohn zu erfassen sind.

  2. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammen veranlagte Ehegatten. Der Kläger erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er vereinbarte mit seiner Arbeitgeberin einen Altersteilzeitvertrag im sog. Blockmodell. Danach blieb die wöchentliche Arbeitszeit bei reduzierter Entlohnung zunächst ungekürzt (Arbeitsphase). Anschließend sollte der Arbeitnehmer von seiner Arbeitsleistung freigestellt werden (Freistellungsphase). Die Arbeitsphase begann im Oktober 2005, die Freistellungsphase sollte erst 2008 beginnen.

  3. Aufgrund einer Betriebsübertragung wurde das Arbeitsverhältnis mit der Arbeitgeberin einschließlich der Altersteilzeitabrede beendet. Wegen der von dem Kläger in der Arbeitsphase erbrachten, jedoch nicht voll entlohnten Arbeitszeit entstand zu seinen Gunsten ein Wertguthaben. Dieses zahlte die Arbeitgeberin an den Kläger am 29. Januar 2007 aus.

  4. In der Einkommensteuererklärung für 2006, dem Streitjahr, gab der Kläger auch die am 29. Januar 2007 erfolgte Auszahlung des Wertguthabens als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit an. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) war dagegen der Ansicht, die Auszahlung sei erst im Jahr des Zuflusses, nämlich im Veranlagungszeitraum 2007, steuerlich zu erfassen. Dementsprechend setzte das FA die Einkommensteuer für das Streitjahr ohne Berücksichtigung der Auszahlung des Wertguthabens fest.

  5. Die dagegen erhobene Klage wurde durch das Finanzgericht (FG) abgewiesen.

  6. Mit der Revision machen die Kläger geltend, es handele sich bei der Auszahlung des Berichtigungsbetrages um laufenden Arbeitslohn, der im Zusammenhang mit den einzelnen Lohnzahlungszeiträumen stehe und daher in dem Streitjahr zu erfassen sei.

  7. Die Kläger beantragen,

    die Aufhebung des Urteils des Niedersächsischen FG vom 8. Dezember 2010  3 K 238/08 und die Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2006 vom 3. Januar 2008 dahingehend, dass der auf das Kalenderjahr 2006 entfallende Arbeitslohn aus dem ausgezahlten Zeitwertguthaben der Altersteilzeit in Höhe von 42.866,37 € nicht als Arbeitslohn für das Kalenderjahr 2007 zu erfassen ist, sondern als Arbeitslohn für das Kalenderjahr 2006.

  8. Das FA beantragt,

    die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Der Senat entscheidet gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss. Er hält die Revision einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind vorher darüber unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

  2. 1. Die Revision ist zulässig. Die Kläger begehren in der Revision eine höhere Einkommensteuer als im angefochtenen Bescheid festgesetzt, weil sie sich von der Erfassung der Ausgleichszahlung im Streitjahr Vorteile für spätere Jahre versprechen. Sie sind daher von ihrem Standpunkt aus durch die niedrigere Steuerfestsetzung im angefochtenen Bescheid beschwert (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 7. April 1976 I R 24/75, BFHE 118, 542, BStBl II 1976, 501).

  3. 2. Das FG ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Auszahlung des Wertguthabens kein laufender Arbeitslohn und dem Kläger nicht im Streitjahr zugeflossen ist.

  4. a) Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Für Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit, wie sie im Streitfall vorliegen, verweist § 11 Abs. 1 Satz 4 EStG auf § 38a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG. Dort wird unterschieden zwischen laufendem Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer regelmäßig zufließt (BFH-Beschluss vom 29. Mai 1998 VI B 275/97, BFH/NV 1998, 1477), und sonstigen Bezügen, d.h. Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird (BFH-Urteile vom 20. November 2008 VI R 25/05, BFHE 223, 419, BStBl II 2009, 382; vom 30. September 2008 VI R 67/05, BFHE 223, 98, BStBl II 2009, 282; vom 29. Mai 2008 VI R 57/05, BFHE 221, 177, BStBl II 2009, 147; BFH-Beschluss in BFH/NV 1998, 1477). Für sonstige Bezüge verbleibt es nach § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG beim Zuflussprinzip des § 11 EStG.

  5. b) Nach diesen Maßstäben und auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen hält die Entscheidung der Vorinstanz, die Auszahlung des Wertguthabens sei dem Kläger als sonstiger Bezug nicht im Streitjahr zugeflossen, revisionsrechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.

  6. aa) Die Ausgleichszahlung stellt einen sonstigen Bezug dar. Sie hat ihre Ursache in der Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. Im Blockmodell der Altersteilzeit tritt der Arbeitnehmer während der Arbeitsphase mit seiner vollen Arbeitsleistung im Hinblick auf die anschließende Freistellungsphase in Vorleistung. Er hat hierdurch Entgelte erarbeitet, die nicht im Monat der Arbeitsphase ausgezahlt, sondern für die spätere Freistellungsphase angespart werden. Der Arbeitnehmer erarbeitet sich damit im Umfang seiner Vorleistungen zum einen Ansprüche auf die spätere Zahlung der Bezüge und zum anderen einen entsprechenden Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistungspflicht (Urteile des Bundesarbeitsgerichts ‑‑BAG‑‑ vom 16. August 2005  9 AZR 79/05, Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht 2006, 1057; vom 19. Oktober 2004  9 AZR 647/03, BAGE 112, 214, m.w.N.). Nur wenn ein im Blockmodell geführtes Altersteilzeitarbeitsverhältnis vor Ablauf der vertraglich vereinbarten Zeit endet, ist die vom Arbeitnehmer erbrachte Vorleistung ‑‑wie hier geschehen‑‑ zivilrechtlich durch Zahlung eines Entgeltes auszugleichen (vgl. BAG-Urteil vom 14. Oktober 2003 9 AZR 146/03, BAGE 108, 94).

  7. Unabhängig davon, auf welcher zivilrechtlichen Grundlage ein Ausgleich im Streitfall erfolgte, ist das den Ausgleichsanspruch begründende Ereignis daher einzig in der vorzeitigen Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses zu sehen. Die daraufhin wegen des unvorhergesehenen Abbruchs getätigte Ausgleichszahlung stellt deshalb gerade kein regelmäßig zufließendes Entgelt und mithin keinen laufenden Arbeitslohn i.S. des § 38a Abs. 1 Satz 2 EStG dar. Entgegen der Ansicht der Revision ist es aus diesen Gründen auch nicht entscheidend, dass die in der Arbeitsphase regelmäßig und fortlaufend erbrachte Mehrarbeit des Klägers durch die Ausgleichszahlung vergütet wird. Ferner ist ein von der Revision insoweit geltend gemachter Verstoß gegen die Denkgesetze nicht ersichtlich. Denn das FG ist mit seiner rechtlichen Würdigung, bei der Tilgung des Ausgleichsanspruchs handele es sich trotz ihres Zusammenhangs zu periodisch erbrachter Arbeitsleistung nicht um laufenden Arbeitslohn, lediglich der klägerischen Rechtsauffassung nicht gefolgt.

  8. bb) Die sonstigen Bezüge waren nach §§ 11 Abs. 1 Satz 4, 38a Abs. 1 Satz 3 EStG nicht im Streitjahr zu versteuern. Denn nach den von der Revision nicht angegriffenen und daher für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) erfolgte die Auszahlung des Ausgleichsanspruchs erst Ende Januar des dem Streitjahr folgenden Jahres.

  9. cc) Die weitere vom FG aufgeworfene Frage, ob auf die Ausgleichszahlung die Regelung des § 39b Abs. 5 Satz 2 EStG analog anzuwenden ist, bedurfte hier keiner Entscheidung. Denn sie stellt sich nur für laufenden Arbeitslohn i.S. des § 38a Abs. 1 Satz 2 EStG, aber nicht bei sonstigen Bezügen der hier im Streitfall vorliegenden Art (BFH-Urteil vom 22. Juli 1993 VI R 104/92, BFHE 171, 555, BStBl II 1993, 795; FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 21. April 1999 II 365/97, Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2000, 326; FG Münster, Urteil vom 14. November 1990 VII 3638/88 E, EFG 1991, 567; Schmidt/Drenseck, EStG, 30. Aufl., § 38a Rz 2; Eisgruber in Kirchhof, EStG, 10. Aufl., § 38a Rz 4; Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 38a Rz B5; Tillmann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 38a EStG Rz 18; Seifert in Korn, § 38a EStG Rz 16; Blümich/Thürmer, § 38a EStG Rz 30; Lewang in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 38a Rz 7; Heß in Lademann, EStG, § 38a EStG Rz 18; Hartz/Meeßen/ Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort "Zufluss von Arbeitslohn" Rz 2/1). Angesichts dessen bedarf die von der Revision erhobene Rüge, die hierzu ergangene Rechtsprechung sei nicht sachgerecht wiedergegeben worden, keiner Erörterung.

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