BFH III. Senat
FGO § 76 Abs 1, FGO § 155, ZPO § 295, FGO § 115 Abs 2 Nr 3, FGO § 116 Abs 6
vorgehend FG Nürnberg, 21. Februar 2010, Az: 6 K 1289/2009
Leitsätze
1. NV: Das Übergehen eines vom Kläger gestellten Beweisantrages stellt auch dann eine Verletzung der sich aus § 76 Abs. 1 FGO ergebenden Sachaufklärungspflicht des Finanzgerichtes dar, wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf Frage des Vorsitzenden erklärt, dass die zu beweisenden Tatsachen nicht das Streitjahr, sondern dem Streitjahr vorangehende Jahre betreffen, das Finanzgericht dann aber selbst im Tatbestand und den Entscheidungsgründen auf Tatsachen abstellt, die vor dem Streitjahr entstanden sind.
2. NV: Unterlässt es der Kläger in der mündlichen Verhandlung, die mangelnde Durchführung der beantragten Vernehmung eines in der mündlichen Verhandlung nicht anwesenden Zeugen ein weiteres Mal zu rügen, hat dies keinen Verlust des Rügerechts zur Folge, wenn nicht zu erkennen war, dass das Gericht die beantragte Vernehmung nicht durchführen werde. Von mangelnder Erkennbarkeit ist auszugehen, wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung seinen Beweisantrag unmittelbar im Zusammenhang mit der Stellung seines Sachantrags wiederholt hat, die Beteiligten ausweislich der Sitzungsniederschrift danach nicht mehr weiter zur Sache verhandelt haben und der Kläger auch aufgrund sonstiger Umstände nicht von mangelnder Entscheidungserheblichkeit des Beweismittels ausgehen musste.
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) bezog zunächst Kindergeld für seine 1983 geborene Tochter (T). T hat einen GdB von 100 %, ist dauerhaft vollstationär in einer Einrichtung der R-Stiftung untergebracht und übt in einer dort angeschlossenen Werkstätte eine Beschäftigung aus.
Nachdem die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) mitgeteilt hatte, dass die Mutter der T, die geschiedene Ehefrau des Klägers (Beigeladene), einen Antrag auf Kindergeld gestellt habe, weil sich der Lebensmittelpunkt der T bei ihr, der Beigeladenen, befinde, hob die Familienkasse die Festsetzung von Kindergeld mit Bescheid vom 8. Januar 2009 ab Februar 2009 auf. Der Einspruch des Klägers wurde mit Einspruchsentscheidung vom 7. Juli 2009 als unbegründet zurückgewiesen. Im hiergegen geführten Klageverfahren beantragte der Kläger in seiner Klagebegründung, den Lebensgefährten seiner weiteren Tochter B, Herrn X, als Zeugen hinsichtlich der Aufenthalte der T beim Kläger und bei der B zu vernehmen. In der mündlichen Verhandlung stellte der Kläger erneut alle Beweisanträge aus dem Klageschriftsatz.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ohne Durchführung der beantragten Zeugenvernehmung als unbegründet ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus:
Nach § 64 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) werde das Kindergeld bei mehreren Berechtigten demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen habe. Vorliegend stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass T spätestens seit 2008 im Haushalt der Beigeladenen aufgenommen gewesen sei, so dass es für die Bewilligung von Kindergeld nicht darauf ankomme, wer den höheren Unterhalt zahle. Eine Haushaltsaufnahme i.S. des § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG sei gegeben, wenn das Kind in die Familiengemeinschaft mit einem dort begründeten Betreuungs- und Erziehungsverhältnis aufgenommen worden sei. Neben dem örtlich gebundenen Zusammenleben müssten Voraussetzungen materieller Art (Versorgung, Unterhaltsgewährung) und immaterieller Art (Fürsorge, Betreuung) erfüllt sein. Danach gehöre ein Kind zum Haushalt eines Elternteils, wenn es dort wohne, betreut und versorgt werde, d.h. sich in der Obhut eines Elternteils befinde. Der Begriff der Haushaltsaufnahme könne nicht für alle Sachverhalte gleichermaßen, sondern nur fallspezifisch konkretisiert werden.
Das örtliche Merkmal bestimme, dass der Berechtigte mit dem Kind in seinem Haushalt örtlich gebunden zusammenleben müsse. Es sei aber nicht erforderlich, dass das Kind ständig im Haushalt des Berechtigten anwesend sei (vgl. auswärts zum Studium untergebrachte Kinder). T kehre regelmäßig fast wöchentlich für mehrere Tage in den Haushalt der Beigeladenen zurück und werde dort betreut und versorgt. Die Situation sei insoweit mit der Unterbringung eines Kindes für die Schulzeit in einem Internat oder einer auswärtigen Ausbildung bzw. einem auswärtigen Studium vergleichbar. Das entspreche auch der Verwaltungsauffassung (DA 63.1.3 Abs. 2 der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes, Stand Januar 2009, BStBl I 2009, 1030, 1055). Behinderte Kinder könnten auch bei dauerhaft vollstationärer Unterbringung weiterhin ihren Mittelpunkt bei den Eltern haben. Für das Tatbestandsmerkmal "Fortbestand der Haushaltsaufnahme" sei es unschädlich, wenn das behinderte Kind auch nach der auswärtigen Unterbringung in den Haushalt eines anderen Elternteils wechsle, denn es komme nur auf die Haushaltsaufnahme und nicht auf den Fortbestand der Aufnahme in einen bestimmten (bisherigen) Haushalt an. In immaterieller Hinsicht müsse hinzukommen, dass der Berechtigte für das Kind sorge und es betreue. Bei Volljährigen sei allerdings ausreichend, wenn sich die Zuwendungen immaterieller Art als Ausdruck des familiären Bandes darstellten. Vorliegend sei die Beigeladene seit rund sieben Jahren Betreuerin für T und kümmere sich um deren Belange.
Schließlich sei es hinsichtlich des materiellen Elements der Haushaltsaufnahme im Rahmen des § 64 Abs. 2 EStG unerheblich, ob der vorrangig Berechtigte nur Naturalunterhalt erbringe und der andere Berechtigte z.B. durch Geldzahlungen zum Kindesunterhalt beitrage.
Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision u.a. wegen des Vorliegens von Verfahrensfehlern (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
1. Das FG habe entscheidungserhebliche Beweisanträge übergangen und dadurch gegen § 76 Abs. 1 FGO verstoßen.
Der Kläger habe beantragt, durch Zeugeneinvernahme Beweis über die Tatsachen zu erheben,
- dass T auch nach Oktober 2005 an Heimfahrtwochenenden teilweise bei ihm gewohnt habe,
- T ab Ende 2005 durchschnittlich einmal im Monat ein Wochenende bei ihrer Schwester B verbracht habe,
- T seit 2008 ein Zimmer bei ihrer Schwester B gehabt habe und
- dass dieser Sachverhalt in 2008 im Wesentlichen gleich gewesen sei, nur mit dem Unterschied, dass dem Zeugen die Abholung nicht mehr möglich gewesen sei.
Das FG habe sein Urteil damit begründet, dass T regelmäßig fast wöchentlich für mehrere Tage in den Haushalt der Beigeladenen zurückkehre. Hierfür habe das Gericht offenbar auf die Bestätigung der R-Stiftung vom 11. Mai 2009 zurückgegriffen. Diese habe er, der Kläger, nie zur Kenntnis erhalten. Die Feststellung der Vorinstanz, nach dieser Bestätigung habe sich T in 2008 an 116 Tagen und von Januar bis April 2009 an 40 Tagen bei der Beigeladenen aufgehalten, sei bereits nach dem Inhalt der Akten unzutreffend. Denn aus den mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2009 vorgelegten Anlagen 1 und 2 ‑‑die das FG verfahrensfehlerhaft nicht zur Kenntnis genommen habe‑‑ ergebe sich, dass ‑‑von der Urlaubszeit abgesehen‑‑ nur jedes zweite Wochenende überhaupt eine Heimfahrt stattgefunden habe, und dass nur die Abwesenheiten der T aufgezeichnet worden seien, nicht aber, wo sich T während der Abwesenheit aufgehalten habe. Das FG hätte daher den Sachverhalt weiter aufklären müssen. Hätte es die beantragte Zeugeneinvernahme durchgeführt, hätte sich ergeben, dass T sich auch in 2008 nicht nur bei der Beigeladenen aufgehalten habe, sondern ca. jedes zweite Heimfahrtwochenende bei ihrer Schwester B verbracht und teilweise auch beim Kläger gewohnt habe.
Abgesehen davon sei das Urteil auch im Ergebnis nicht zutreffend. Für die Streitsache sei unerheblich, dass T sich in 2009 nicht mehr im Umfang der Vorjahre bei ihrer Schwester und beim Kläger aufgehalten habe. Denn entscheidend seien die Umstände bei Erlass des Aufhebungsbescheids (8. Januar 2009). Da es sich bei der Haushaltsaufnahme um ein auf längere Dauer gerichtetes Betreuungsverhältnis handele, bedürfe es der Betrachtung eines gewissen Zeitraums. Nachträgliche Umstände könnten grundsätzlich nicht rückwirkend herangezogen werden; sie könnten nur Grundlage für eine Änderung der Festsetzung zu einem späteren Zeitpunkt sein. Der Familienkasse obliege die Feststellungslast bei Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung.
Das FG habe den Fortbestand der Haushaltsaufnahme nicht unterstellen dürfen. T habe, wie der Kläger in seinem Schriftsatz vom 8. August 2009 Ziff. 2 Mitte und Ziff. 3 Abs. 2 ausgeführt habe, bis Oktober 2005 die Heimfahrtwochenenden und die Ferien sowie später nach der Arbeitsaufnahme und der damit verbundenen dauerhaften Heimunterbringung den Urlaub in etwa gleichem Umfang beim Kläger und der Beigeladenen verbracht. Demzufolge hätte das FG nach seiner Rechtsansicht den Fortbestand der Haushaltsaufnahme nicht annehmen können. Denn dieser setze in Fällen wie dem vorliegenden voraus, dass der Lebensmittelpunkt bei den Eltern oder bei einem Elternteil (mit oder ohne Haushaltswechsel) auch nach der Heimunterbringung fortgeführt werde.
2. Das FG habe ferner die als Anlagen 1 und 2 zu dem Schriftsatz vom 22. Oktober 2009 vorgelegten Schreiben nicht zur Kenntnis genommen und dadurch § 96 Abs. 2 FGO verletzt. Hätte es diese Schreiben zur Kenntnis genommen, dann wäre es nicht auf der Grundlage der Bestätigung der R-Stiftung vom 11. Mai 2009 zur Feststellung gelangt, dass sich T in 2008 an 116 Tagen und von Januar bis April 2009 an 40 Tagen bei der Beigeladenen aufgehalten habe, sondern dazu, dass ‑‑von der Urlaubszeit abgesehen‑‑ nur jedes zweite Wochenende überhaupt eine Heimfahrt stattgefunden habe.
3. Verfahrensfehlerhaft habe das FG im Urteil auf S. 7 oben den Fortbestand der Haushaltsaufnahme nach der Heimunterbringung im Jahr 1992 unterstellt. Hierzu habe es im Urteil keine Feststellungen getroffen. Es habe nicht festgestellt, ob eine Haushaltsaufnahme in der Zeit bis einschließlich 2007 gegeben gewesen sei. Der allgemeine Hinweis auf einen Haushaltswechsel könne die erforderlichen Feststellungen nicht ersetzen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist begründet. Es liegt ein von dem Kläger geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des FG beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
1. Der Kläger hat einen Verfahrensmangel in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise dargelegt.
Wird das Übergehen von Beweisanträgen gerügt, so muss neben dem Beweisthema und dem angebotenen Beweismittel vorgetragen werden, inwiefern das Urteil des FG auf der unterlassenen Beweiserhebung beruhen kann und welches Ergebnis die Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätte (Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 9. Dezember 1998 VIII B 54/97, BFH/NV 1999, 802). Ferner muss dargelegt werden, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (BFH-Beschluss vom 16. Dezember 2003 VII B 10/03, BFH/NV 2004, 529).
Im Streitfall hat der Kläger zum Beweisthema und Beweismittel angegeben, dass gemäß Ziffer 3 seines Klageschriftsatzes vom 8. August 2009 der Zeuge X zum Beweis der Tatsachen vernommen werde sollte, dass T auch nach Oktober 2005 an Heimfahrtwochenenden teilweise bei ihm gewohnt habe, dass T ab Ende 2005 durchschnittlich einmal im Monat ein Wochenende bei ihrer Schwester verbracht habe, dass T seit 2008 ein Zimmer bei ihrer Schwester gehabt habe und dass dieser Sachverhalt in 2008 im Wesentlichen gleich gewesen sei, nur mit dem Unterschied, dass dem Zeugen die Abholung nicht mehr möglich gewesen sei. Ferner hat er angegeben, dass die Beweisaufnahme ergeben hätte, dass T sich auch in 2008 nicht nur bei der Beigeladenen aufgehalten habe, sondern ca. jedes zweite Heimfahrtwochenende bei ihrer Schwester verbracht und teilweise auch beim Kläger gewohnt habe. Des Weiteren hat der Kläger dargelegt, dass das Urteil auf dem Verfahrensfehler beruhen kann, weil das FG bei Durchführung der Beweisaufnahme nicht zu der Annahme habe kommen können, dass T regelmäßig fast wöchentlich für mehrere Tage in den Haushalt der Beigeladenen zurückkehre. Schließlich hat der Kläger vorgetragen, dass er die Nichterhebung des Beweises durch erneute Stellung des Beweisantrags zum Ende der mündlichen Verhandlung gerügt hat.
2. Der gerügte Verfahrensmangel liegt auch tatsächlich vor. Das FG hat seine aus § 76 Abs. 1 FGO folgende Pflicht zur Sachaufklärung verletzt, indem es den gestellten Antrag auf Vernehmung des Zeugen X übergangen hat.
a) aa) Ein ordnungsgemäß gestellter Beweisantrag darf nur unberücksichtigt bleiben, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich, das Beweismittel unerreichbar bzw. unzulässig oder absolut untauglich ist oder wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 29. Juni 2011 X B 242/10, BFH/NV 2011, 1715, m.w.N.).
bb) Keiner dieser Ausnahmegründe lag hinsichtlich der im Streitfall gestellten Beweisanträge vor. Insbesondere war das Beweismittel nach dem insoweit maßgeblichen materiellen Rechtsstandpunkt des FG (s. hierzu Senatsbeschluss vom 14. Januar 2011 III B 96/09, BFH/NV 2011, 788) nicht unerheblich.
Zwar hat der Kläger ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 22. Februar 2010 auf Nachfrage erklärt, dass die zu beweisenden Tatsachen nicht das Streitjahr 2009 betreffen, sondern frühere Jahre. In dem Tatbestand und in den Entscheidungsgründen hat das FG dann aber zur Feststellung der Tatsache, ob T (im Streitzeitraum ab Februar 2009) in den Haushalt der Beigeladenen, aufgenommen war, mehrfach Umstände dargelegt bzw. auf diese abgestellt, die vor 2009 entstanden sind (S. 3 unten: "In der Einspruchsentscheidung ... führte die Beklagte aus, dass entsprechend der Bestätigung der R...-Stiftung vom 11.05.2009 ... (T) sich im Jahr 2008 an 116 Tagen im Haushalt der Mutter ... aufgehalten habe"; S. 5 der Entscheidungsgründe: "Vorliegend steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass ... (T) spätestens seit 2008 in einem Haushalt ihrer Eltern, nämlich dem der Beigeladenen aufgenommen war ..."; S. 7 der Entscheidungsgründe: "Vorliegend ist die Beigeladene seit rund sieben Jahren Betreuerin für ihre Tochter ... (T) und kümmert sich um die Belange von ... (T)") bzw. hat das FG nicht näher erläutert, auf welchen Zeitraum sich die Feststellungen beziehen (S. 6 der Entscheidungsgründe: "Davon ist auch vorliegend auszugehen, denn ... (T) kehrt regelmäßig fast wöchentlich für mehrere Tage in den Haushalt der Beigeladenen zurück und wird dort betreut und versorgt").
Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass sich aus der Vernehmung des Zeugen zu vor 2009 stattgefundenen Aufenthalten bei ihrer Schwester oder bei dem Kläger entscheidungserhebliche Feststellungen ergeben hätten.
b) Anders als die Familienkasse meint, hat der Kläger sein Rügerecht nicht nach § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung verloren.
Im Streitfall hat der Kläger seinen in der Klagebegründung vom 8. August 2009 gestellten Antrag auf Zeugenvernehmung zum einen mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2009 und zum anderen in der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2010, zu welcher das FG den benannten Zeugen nicht geladen hatte, wiederholt. Er hat damit zum Ausdruck gebracht, dass er auf der beantragten Beweiserhebung besteht. Ausweislich der Sitzungsniederschrift hat er in dieser Verhandlung die Nichterhebung des Beweises zwar nicht nochmals ausdrücklich gerügt. Dies kann nach der Rechtsprechung dann einen Verlust des Rügerechts zur Folge haben, wenn zu erkennen war, dass das Gericht die beantragte Vernehmung nicht durchführen werde (BFH-Beschluss vom 15. Juni 2005 X B 180/03, BFH/NV 2005, 1843, m.w.N.).
Im Streitfall bestand jedoch die Besonderheit, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung seinen Beweisantrag unmittelbar im Zusammenhang mit der Stellung seines Sachantrags wiederholt hat. Ausweislich der Sitzungsniederschrift haben danach die Beteiligten nicht mehr weiter zur Sache verhandelt. Bei einer solchen Sachlage kann das Verhalten des Klägers jedenfalls dann nicht als Rügeverzicht gewertet werden, wenn dieser nicht damit rechnen musste, das FG werde dem Beweisantrag nicht entsprechen. Der Kläger hat hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er auf der Beweiserhebung besteht. Er musste, sofern keine besonderen Umstände vorlagen, bei einer solchen Sachlage nicht in Betracht ziehen, das FG werde eine notwendige Beweiserhebung unterlassen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 1843, m.w.N.). Solche besonderen Umstände lagen hier auch nicht vor. Der von dem Kläger benannte Zeuge war in der mündlichen Verhandlung nicht anwesend. Der Kläger konnte nicht erkennen, dass das FG die Zeugenvernehmung nicht durchführen werde. Dass der Kläger aus der Nachfrage des Einzelrichters zum Beweisantrag nicht von einer mangelnden Entscheidungserheblichkeit der zu bezeugenden Tatsachen ausgehen musste, ergibt sich zum einen bereits aus der tatsächlichen Verwertung von Umständen aus der Zeit vor 2009 (s. oben unter 2. a bb). Zum anderen ist der Kläger ausweislich seines Schriftsatzes vom 8. August 2009 erkennbar von der ‑‑fehlerhaften‑‑ Auffassung ausgegangen, dass nur Tatsachen berücksichtigt werden dürften, die sich vor Erlass des Bescheides vom 8. Januar 2009 ereignet haben, und nicht auch solche, die jedenfalls noch bis zur Einspruchsentscheidung vom 7. Juli 2009 entstanden sind. Zudem hat ausweislich der Prozessakten weder die Familienkasse oder die Beigeladene einer Beweiserhebung widersprochen, noch hat das FG zum Ausdruck gebracht, eine Beweiserhebung sei entbehrlich.
c) Die Vorentscheidung kann auf diesem Verfahrensmangel beruhen, da nicht auszuschließen ist, dass das FG nach Durchführung der Zeugenvernehmung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Dem FG wird daher Gelegenheit gegeben, die unterbliebene Zeugenvernehmung im zweiten Rechtsgang nachzuholen.
Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des BFH ein behindertes Kind trotz dauernder Heimunterbringung weiterhin zum Haushalt der Eltern gehören kann, wenn es dort in einem zeitlich bedeutsamen Umfang betreut wird (zu den Voraussetzungen im Einzelnen vgl. BFH-Urteile vom 14. November 2001 X R 24/99, BFHE 197, 296, BStBl II 2002, 244; vom 26. August 2003 VIII R 91/98, BFH/NV 2004, 324). Das FG wird daher festzustellen haben, ob und gegebenenfalls in welchem jeweiligen zeitlichen Umfang sich T vor dem Streitzeitraum in dem Haushalt des Klägers und dem der Beigeladenen aufgehalten hat und ob sich insoweit für den Streitzeitraum grundlegende Änderungen ergeben haben. Ergibt sich danach, dass sich T im Streitzeitraum in den Haushalten beider Elternteile in einer einen Besuchscharakter überschreitenden Weise aufgehalten hat, ist sie demjenigen Elternteil zuzuordnen, in dessen Haushalt sie sich überwiegend aufgehalten hat und in dem sie ihren Lebensmittelpunkt hat (BFH-Beschluss vom 14. Dezember 2004 VIII R 106/03, BFHE 208, 220, BStBl II 2008, 762). Sofern sich T in annähernd gleichem zeitlichen Umfang bei beiden Elternteilen aufgehalten haben sollte, ist nach den von dem Senat in dem BFH-Urteil vom 23. März 2005 III R 91/03 (BFHE 209, 338, BStBl II 2008, 752) entwickelten Grundsätzen zu verfahren.
Ob die weiteren Rügen des Verfahrens- und des materiellen Rechts durchgreifen, bedarf hiernach keiner Entscheidung. Die Sache geht deshalb an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück (§ 116 Abs. 6 FGO).