BFH X. Senat
EStG § 10 Abs 1 Nr 2 Buchst a, FGO § 115 Abs 2, FGO § 116 Abs 3 S 3, AltEinkG , EStG § 9
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg , 06. Juni 2011, Az: 11 K 11308/07
Leitsätze
NV: Die Rechtsfragen, die sich gegen die Einordnung der Arbeitnehmerbeiträge zur Rentenversicherung als Sonderausgaben gem. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG i.d.F. vor dem Inkrafttreten des AltEinkG richten, sind angesichts der Rechtsprechung des BVerfG und des BFH nicht mehr klärungsbedürftig .
Gründe
Die Beschwerde der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Um die Zulassung der Revision zu erreichen, muss der Beschwerdeführer in der von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Form darlegen, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert oder ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 FGO).
1. Macht der Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend, so muss er u.a. substantiiert darauf eingehen, weshalb die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Zur schlüssigen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit muss er außerdem begründen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und streitig ist. Dazu gehört auch, dass sich der Beschwerdeführer mit der zu dieser Rechtsfrage bereits vorhandenen Rechtsprechung auseinandersetzt und substantiiert darlegt, weshalb nach seiner Ansicht diese Rechtsprechung keine Klärung herbeigeführt habe (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 20. Juni 2007 X B 116/06, BFH/NV 2007, 1705, m.w.N.).
a) Im Streitfall wenden sich die Kläger gegen die Behandlung der Rentenversicherungsbeiträge des Jahres 2004 als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG a.F.). Sie sind der Auffassung, die Rentenversicherungsbeiträge seien sowohl nach als auch vor dem Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes (AltEinkG) Werbungskosten i.S. des § 9 EStG, da der Einleitungssatz des § 10 Abs. 1 EStG a.F. durch das AltEinkG unverändert geblieben sei.
b) Diese Rechtsfrage ist jedoch nicht mehr klärungsbedürftig, da sowohl das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als auch der erkennende Senat die bis zum 31. Dezember 2004 geltende Rechtslage in Bezug auf die steuerliche Behandlung der Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünfte als geklärt ansehen.
aa) Das BVerfG hatte in seinem "Renten-Urteil" vom 6. März 2002 2 BvL 17/99 (BVerfGE 105, 73) dem Gesetzgeber eine Frist zur Neuregelung auch des Rechts der Altersvorsorge gesetzt und unter D.II. der Entscheidungsgründe ausgesprochen, dass der Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet sei, "die Rechtslage rückwirkend, bezogen auf das Veranlagungsjahr 1996, zu bereinigen". Hieraus hat der Senat in seinem Urteil vom 21. Juli 2004 X R 72/01 (BFH/NV 2005, 513) gefolgert, dass der Gesetzgeber für Veranlagungszeiträume vor 2005 zu einer "Nachbesserung" des die Altersvorsorge betreffenden Sonderausgabenabzugs nicht verpflichtet sei. Aus der Zeitkomponente des Regelungsauftrags an den Gesetzgeber folge, dass das bisherige Recht der Vorsorgeaufwendungen fortgelte und eine Prüfung der Frage, ob der Gesetzgeber eine korrespondierende Besteuerung des Lebenseinkommens verfassungsgemäß angeordnet habe, künftigen Verfahren betreffend die Besteuerung ab dem Jahre 2005 zufließender Alterseinkünfte vorbehalten bleibe. Die gegen das Urteil eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde vom BVerfG mit Beschluss vom 25. September 2009 2 BvR 2299/04 (nicht veröffentlicht) nicht zur Entscheidung angenommen.
bb) Das BVerfG hat zudem in seinem Beschluss vom 13. Februar 2008 2 BvR 1220/04, 2 BvR 410/05 (BVerfGE 120, 169) entschieden, dass eine verfassungsgerichtliche Überprüfung der Abzugsfähigkeit von Altersvorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 10 Abs. 3 EStG a.F. für Veranlagungszeiträume vor 2005 auch im Hinblick auf das Verbot doppelter Besteuerung ‑‑hierauf bezieht sich die Argumentation der Kläger in ihrer Beschwerdebegründung unter 1.4.‑‑ nicht in Frage komme. In dem Urteil in BVerfGE 105, 73 sei zwar darauf hingewiesen worden, dass die Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen seien, dass eine doppelte Besteuerung vermieden werde. Es sei aber nicht in dem Verfahren in Bezug auf die Abzugsfähigkeit der Altersvorsorgeaufwendungen vor 2005 zu entscheiden, ob das Zusammenwirken der einkommensteuerrechtlichen Regelungen der Aufbauphase vor Inkrafttreten des AltEinkG und der Regelungen der Versorgungsphase seit Inkrafttreten des AltEinkG in bestimmten Fällen einen Verstoß gegen das Verbot doppelter Besteuerung bewirken könne. Aus dem Verbot doppelter Besteuerung lasse sich kein Anspruch auf eine bestimmte Abzugsfähigkeit der Beiträge in der Aufbauphase ableiten. Der Gesetzgeber könne dem Verbot doppelter Besteuerung ebenso durch einen entsprechend schonenderen Zugriff in der Versorgungsphase Rechnung tragen. Ein Verstoß müsse deshalb in den Veranlagungszeiträumen der Versorgungsphase gerügt werden, in denen die Altersbezüge der Besteuerung unterworfen werden (BVerfG in BVerfGE 129, 169, unter B.I.2.).
Diese grundlegenden Erwägungen des BVerfG gelten nicht nur für einen behaupteten Verstoß gegen die doppelte Besteuerung, sondern auch für alle Einwendungen ‑‑so auch die der Kläger‑‑, die sich gegen das Zusammenwirken der steuerlichen Abziehbarkeit von Altersvorsorgeaufwendungen vor dem Inkrafttreten des AltEinkG und der Besteuerung der daraus resultierenden Altersrenten nach dem Inkrafttreten des AltEinkG richten (so auch Senatsbeschluss vom 17. Juni 2010 X B 218/09, BFH/NV 2010, 1633).
c) Die kritische Auseinandersetzung der Kläger mit dem Senatsbeschluss vom 1. Februar 2006 X B 166/05 (BFHE 212, 242, BStBl II 2006, 420) kann ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen. In dem zugrunde liegenden Verfahren zum einstweiligen Rechtsschutz wurde die Neuregelung des § 10 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes nach Inkrafttreten des AltEinkG (EStG n.F.) geprüft, nicht aber die im Streitfall relevante Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. Abs. 3 EStG a.F. Aus demselben Grund sind die von den Klägern in ihrer Beschwerdebegründung unter 1.3. geäußerten verfassungsrechtlichen und systematischen Bedenken gegen die Neuregelung des Abzugs der Altersvorsorgeaufwendungen durch das AltEinkG für das vorliegende Verfahren, das sich auf den Veranlagungszeitraum vor Inkrafttreten des AltEinkG bezieht, nicht relevant und können keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO begründen.
d) Mit dem Einwand, die Klärung der Rechtsfrage werde allgemein und nicht bloß für den streitgegenständlich bestimmten Veranlagungszeitraum begehrt, verkennen die Kläger, dass die Rechtsfrage, deren grundsätzliche Bedeutung darzulegen ist, für die Entscheidung des Streitfalls rechtserheblich sein muss; mit einer Grundsatzrevision kann nicht die abstrakte Klärung von Rechtsfragen begehrt werden (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. Beschluss vom 28. April 1972 III B 40/71, BFHE 105, 335, BStBl II 1972, 575).
2. Da die Rechtsfortbildungsrevision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ein Spezialtatbestand der Grundsatzrevision ist (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Februar 2011 X B 67/10, BFH/NV 2011, 826, m.w.N.), kommt diese aus den unter 1. dargelegten Gründen nicht in Betracht.
3. Die Voraussetzungen der Revisionszulassung zur Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung liegen ebenfalls nicht vor. Zwar ist eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO möglich, wenn das angefochtene Urteil derart schwerwiegende Fehler bei der Auslegung des revisiblen Rechts aufweist, dass die Entscheidung des FG "objektiv willkürlich" erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 4. August 2010 X B 198/09, BFH/NV 2010, 2102). Dieses ist jedoch weder substantiiert vorgetragen worden noch sind entsprechende Anhaltspunkte erkennbar, zumal das finanzgerichtliche Urteil in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BVerfG und des BFH ergangen ist.