BFH IX. Senat
EStG § 3 Nr 40 Buchst c, EStG § 3c Abs 2, EStG § 17 Abs 1, EStG § 17 Abs 4, FGO § 120 Abs 3 Nr 1
vorgehend FG Düsseldorf, 08. Juli 2010, Az: 1 K 337/07 E
Leitsätze
NV: Halbeinkünfteverfahren und Halbabzugsverbot sind nicht deshalb anzuwenden, weil wertlose Anteile in der Liquidation zu dem symbolischen Kaufpreis von 1 € veräußert werden.
Tatbestand
I. Im Februar 1990 erwarb der Kläger und Revisionskläger (Kläger) sämtliche Gesellschaftsanteile an der A-GmbH zu einem Kaufpreis von 70.000 DM. Nachdem die A-GmbH mit Beschluss vom 12. Februar 2004 (Streitjahr) aufgelöst und der Kläger zum Liquidator bestellt worden war, veräußerte er die Gesellschaftsanteile mit Geschäftsanteilskauf- und -abtretungsvertrag vom 22. Dezember 2004 zum Preis von 1 € an Frau B. In Ziff. III. 2) des Vertrags heißt es: "Der Kaufpreis ist bezahlt, worüber der Verkäufer hiermit Quittung erteilt." Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger aus seiner Beteiligung an der GmbH keine dem Halbeinkünfteverfahren unterfallenden Gewinnausschüttungen erhalten hat.
Den erlittenen Verlust in Höhe von 35.789 € (Veräußerungspreis 1 € abzüglich gerundeter Anschaffungskosten von 35.790 €) machten die Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2004) als Veräußerungsverlust i.S. von § 17 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres (EStG) geltend. Unter Hinweis auf das Halbeinkünfteverfahren berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) den erklärten Verlust nur zur Hälfte.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg, ebenso die Klage, mit der sich die Kläger gegen die Anwendung von § 3c Abs. 2 EStG gewandt und beantragt haben, den Einkommensteuerbescheid 2004 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer auf 0 € festgesetzt wird.
Das Finanzgericht (FG) entschied mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1676 veröffentlichten Urteil, auf den vom Kläger im Streitjahr realisierten Veräußerungsverlust i.S. von § 17 Abs. 1, 2 EStG sei das Halbeinkünfteverfahren i.S. von §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG anzuwenden mit der Folge, dass der Verlust steuerlich nur zur Hälfte berücksichtigungsfähig sei.
Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der sich diese gegen die Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens wenden.
Einen ausdrücklichen Revisionsantrag haben die Kläger nicht gestellt.
Das FA beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Es fehle an einem Revisionsantrag. Auch ein Kaufpreis von 1 € führe zu Einnahmen, die die Anwendung von Halbeinkünfteverfahren und Halbabzugsverbot eröffneten.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Unzutreffend hat das FG im Hinblick auf den Kaufpreis von 1 € das Halbeinkünfteverfahren und Halbabzugsverbot (§§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c, 3c Abs. 2 EStG) angewandt.
1. Die Revision ist trotz Fehlens eines ausdrücklichen Revisionsantrags zulässig, da sich aus dem Revisionsvorbringen eindeutig ergibt, inwieweit sich die Kläger durch das angefochtene Urteil beschwert fühlen und dessen Aufhebung begehren (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 30. Januar 2008 X R 1/07, BFHE 220, 403, BStBl II 2008, 520, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 533); sie wenden sich gegen die Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens und damit des Halbabzugsverbots.
2. a) Indem der Kläger nach Auflösung der GmbH diese als Liquidator für lediglich 1 € veräußert hat, hat er in Gestalt der unstreitigen Anschaffungskosten einen Auflösungsverlust i.S. von § 17 Abs. 1, 4 EStG erlitten.
b) Gemäß § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG ist die Hälfte des gemeinen Werts i.S. von § 17 Abs. 2, 4 EStG steuerfrei. Die hiermit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Aufwendungen sind nur zur Hälfte abzuziehen (§ 3c Abs. 2 Satz 1 EStG). Bei steuerfreien Einnahmen soll kein doppelter steuerlicher Vorteil durch den zusätzlichen Abzug von unmittelbar mit diesen zusammenhängenden Aufwendungen erzielt werden (BFH-Urteil vom 6. Juli 2005 XI R 61/04, BFHE 210, 332, BStBl II 2006, 163).
Fallen keine Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen an, ist § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG nicht anzuwenden und der Erwerbsaufwand in vollem Umfang abziehbar (BFH-Urteile vom 25. Juni 2009 IX R 42/08, BFHE 225, 445, BStBl II 2010, 220; vom 14. Juli 2009 IX R 8/09, BFH/NV 2010, 399; BFH-Beschluss vom 18. März 2010 IX B 227/09, BFHE 229, 177, BStBl II 2010, 627).
Keine Einnahmen liegen vor, wenn objektiv wertlose Anteile in der Liquidation zu einem symbolischen Kaufpreis (z.B. von 1 €) veräußert werden. Zur weiteren Begründung verweist der Senat auf sein Urteil IX R 61/10 vom 6. April 2011, BFHE 233, 446.
c) Nach diesen Grundsätzen ist das Halbabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG im Streitfall nicht anzuwenden.
Die streitbefangenen Anteile waren objektiv wertlos. Der Kaufpreis von 1 € wird für eine GmbH in Liquidation typischerweise nicht als Gegenleistung für die Werthaltigkeit des Veräußerungsgegenstandes bezahlt.
Auch jenseits des symbolischen Kaufpreises hat der Kläger keine Einnahmen aus der GmbH, insbesondere keine die Anwendung des Halbabzugsverbots rechtfertigende Gewinnausschüttungen, erlangt. Sollten dem Kläger vor Geltung des Halbeinkünfteverfahrens (§ 52 Abs. 8a EStG i.V.m. § 52 Abs. 4b Nr. 2 EStG) Gewinnausschüttungen zugeflossen sein, könnten diese die Anwendung des Halbabzugsverbots nicht rechtfertigen, da es insoweit an der das Halbabzugsverbot rechtfertigenden systematischen Korrespondenz mit nur zur Hälfte besteuerten Einnahmen fehlt. Zur weiteren Begründung verweist der Senat auf sein Urteil vom 6. April 2011 in der Sache IX R 28/10, BFHE 233, 439.
3. Die Sache ist spruchreif. Die volle Berücksichtigung des Auflösungsverlustes führt im Streitjahr zu einer Einkommensteuer von Null.