BFH X. Senat
EStG § 7g, FGO § 76 Abs 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 3
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg , 11. Januar 2011, Az: 3 K 3241/09
Leitsätze
1. NV: Ein ordnungsgemäß gestellter Beweisantrag darf nur unberücksichtigt bleiben, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich, das Beweismittel unerreichbar bzw. unzulässig oder absolut untauglich ist oder wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann .
2. NV: Der notwendige Finanzierungszusammenhang zwischen der Geltendmachung einer Ansparabschreibung und der beabsichtigten Investition beurteilt sich rein objektiv .
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betreibt einen "Beauty-Salon". Ihre Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2000 ging ausweislich des vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ‑‑FA‑‑) angebrachten Eingangsstempels am 6. März 2003 im FA ein. Darin machte sie u.a. eine Ansparabschreibung in Höhe von 60.000 DM geltend. Das FA veranlagte zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Im Anschluss an eine ‑‑am 20. Dezember 2007 begonnene‑‑ Außenprüfung versagte das FA im angefochtenen Änderungsbescheid vom 27. Oktober 2008 die Gewährung der Ansparabschreibung. Der Finanzierungszusammenhang sei nicht gewahrt, da die zweijährige Investitionsfrist im Zeitpunkt der Einreichung der Steuererklärung bereits abgelaufen gewesen sei.
Im Einspruchs- und Klageverfahren berief sich die Klägerin auf Festsetzungsverjährung. Sie behauptete, die Steuererklärung bereits am 8. November 2002 eingereicht zu haben. Das FA habe für seine Behauptung zum Eingangsdatum kein Posteingangsbuch vorgelegt. Zwar könne auch ihr Prozessbevollmächtigter den Absendetag nicht mehr nachweisen, weil die Daten des elektronischen Postausgangsbuchs nicht mehr lesbar seien. Üblicherweise habe aber eine ‑‑nicht genannte‑‑ Mitarbeiterin die an das FA gerichtete Post mitgenommen und persönlich in den Hausbriefkasten des FA eingeworfen. Wenn die Steuererklärung tatsächlich erst im Jahr 2003 eingegangen wäre, hätte die Veranlagungsbeamtin die Gewährung der Ansparabschreibung unproblematisch unter Berufung auf den fehlenden Finanzierungszusammenhang ablehnen können. Tatsächlich habe sie aber mit Schreiben vom 31. März 2003 anderweitige Fragen zur Ansparabschreibung an die Klägerin gerichtet. Auch der Betriebsprüfer habe sich während der Prüfung zunächst nur mit der Höhe des geltend gemachten Betrages befasst. Erst nachdem die Klägerin seinem Erledigungsvorschlag nicht zugestimmt habe, habe er sich auf den Posteingangsstempel der Steuererklärung berufen und den gesamten Abzug versagt.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) stellte die Klägerin den Antrag, den Betriebsprüfer als Zeugen zum tatsächlichen Eingangsdatum der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2000 sowie zu der Frage zu vernehmen, weshalb die Ansparabschreibung nicht Gegenstand der ursprünglich avisierten Schlussbesprechung gewesen sei.
Das FG wies die Klage ab. Die Ansparabschreibung sei wegen fehlenden Finanzierungszusammenhangs zu versagen. Der Änderungsbescheid habe die Festsetzungsfrist gewahrt. Der Eingangsstempel stelle eine öffentliche Urkunde dar und begründe gemäß § 418 Abs. 1 der Zivilprozessordnung den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen. Dieser könne nur durch einen Gegenbeweis widerlegt werden, nicht aber durch bloße Mutmaßungen. Ein solcher Gegenbeweis sei der Klägerin nicht gelungen. Aus der erklärungsgemäßen Veranlagung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung könne nicht geschlossen werden, dass die Veranlagungsbeamtin sämtliche Rechtsfragen intensiv geprüft habe. Die Akten des Betriebsprüfers ließen erkennen, dass auch dieser das Problem des Finanzierungszusammenhangs erst zum Schluss seiner Prüfung überhaupt erkannt habe. Die von der Klägerin beantragte Beweiserhebung zu der Frage, weshalb dieser Punkt erst in einem fortgeschrittenen Stadium der Prüfung zur Sprache gekommen sei, sei entbehrlich, da es auf die Motive des Prüfers, seine Prüfungsfeststellungen zu ergänzen, in rechtlicher Hinsicht nicht ankomme. Der Antrag, den Betriebsprüfer zum tatsächlichen Eingangsdatum der Steuererklärung zu vernehmen, sei ungeeignet. Der Prüfer habe niemals in der Poststelle gearbeitet. Er sei erstmals im Jahr 2007 mit der Steuerakte der Klägerin befasst worden.
Gegenstand des finanzgerichtlichen Urteils war außerdem noch die Einkommensteuer 2002, für die eine anderweitige Frage zwischen den Beteiligten streitig war.
Mit ihrer ‑‑ausdrücklich "wegen Einkommensteuer 2000 und 2002" erhobenen‑‑ Nichtzulassungsbeschwerde rügt die Klägerin, das FG habe die von ihr gestellten Beweisanträge zu Unrecht übergangen.
Das FA hält die Beschwerde für unbegründet.
Entscheidungsgründe
II. 1. Die Beschwerde ist wegen des Fehlens der gemäß § 116 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erforderlichen Beschwerdebegründung unzulässig, soweit sie die Einkommensteuer 2002 betrifft.
Die Klägerin hat die Beschwerde bei ihrer Einlegung ausdrücklich auch auf die Einkommensteuer 2002 erstreckt. In der später eingereichten Beschwerdebegründung heißt es dann, sie halte ihren Antrag "in vollem Umfang aufrecht". Gleichwohl enthält die Beschwerdebegründung keine Ausführungen zu den für das Streitjahr 2002 maßgebenden Fragen.
Die Einreichung einer ‑‑auf den jeweiligen, ggf. teilbaren Streitgegenstand bezogenen‑‑ Begründung gehört gemäß § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO zu den zwingenden gesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen des Rechtsmittels der Nichtzulassungsbeschwerde. Daran fehlt es hier für das Jahr 2002.
2. Soweit die Beschwerde die Einkommensteuer 2000 betrifft, ist sie ‑‑bei Zweifeln daran, ob die gesetzlichen Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO insoweit überhaupt erfüllt sind‑‑ jedenfalls unbegründet.
Ein ordnungsgemäß gestellter Beweisantrag darf nur unberücksichtigt bleiben, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich, das Beweismittel unerreichbar bzw. unzulässig oder absolut untauglich ist oder wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 17. November 2009 VI B 11/09, BFH/NV 2010, 650, unter II.1.a, m.w.N.).
Diese Voraussetzungen liegen ‑‑wie bereits das FG im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt hat‑‑ hinsichtlich beider von der Klägerin aufgeworfenen Beweisfragen vor.
a) Der Antrag auf Vernehmung des Betriebsprüfers zur Frage des tatsächlichen Eingangsdatums der Einkommensteuererklärung 2000 durfte unberücksichtigt bleiben, weil dieses Beweismittel zur Aufklärung der Beweisfrage untauglich war. Das FG hat sich insoweit zu Recht darauf berufen, dass der Prüfer niemals in der Posteingangsstelle gearbeitet hat und erstmals im Jahr 2007 mit der Steuerakte der Klägerin befasst worden ist. Inwiefern er aus eigener Anschauung etwas zur Aufklärung der streitigen Frage hätte beitragen können, ob die Steuererklärung am 8. November 2002 oder aber am 6. März 2003 tatsächlich beim FA eingegangen ist, hat auch die Klägerin nicht dargelegt.
b) Der Antrag auf Vernehmung des Betriebsprüfers zu den Gründen, aus denen der fehlende Finanzierungszusammenhang erst in einem späten Stadium der Prüfung zur Sprache gekommen ist, durfte unberücksichtigt bleiben, weil diese Frage für die vom FG zu treffende Entscheidung unerheblich war.
Ob der nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung erforderliche Finanzierungszusammenhang (vgl. BFH-Urteil vom 6. März 2003 IV R 23/01, BFHE 202, 250, BStBl II 2004, 187) gegeben ist, wenn die Ansparabschreibung erstmals nach Ablauf des zweijährigen Investitionszeitraums geltend gemacht wird, beurteilt sich rein objektiv; eine Dispositionsbefugnis der Beteiligten oder ein Beurteilungsspielraum der Bediensteten des FA besteht insoweit nicht. Ist der Finanzierungszusammenhang ‑‑was hier nach den Feststellungen des FG der Fall war‑‑ nicht gewahrt, kommt es nicht auf die Gründe an, weshalb ein Bediensteter des FA dies möglicherweise erst recht spät erkannt hat. Selbst wenn der Prüfer ‑‑so dürfte das Vorbringen der Klägerin sinngemäß zu verstehen sein‑‑ sich an der Klägerin habe "rächen" wollen, weil diese seinen Erledigungsvorschlag nicht angenommen habe, würde dies nichts daran ändern, dass der Finanzierungszusammenhang nicht gewahrt war und der vorherige Erledigungsvorschlag ‑‑bei objektiv-nachträglicher Betrachtung‑‑ nicht zu einer vollständigen Erhebung der für das Streitjahr 2000 geschuldeten Einkommensteuer geführt hätte.