BFH I. Senat
AO § 180, AO § 182, EStG § 32c, GewStG § 2 Abs 2 S 2, EStG § 32c
vorgehend FG Hamburg, 25. Oktober 2010, Az: 2 K 250/08
Leitsätze
1. NV: Mitunternehmerschaftliche Einkünfte der Organgesellschaft sind auch dann von der Tarifbegrenzung nach § 32c EStG 1996 ausgeschlossen, wenn Organträgerin eine Personengesellschaft ist, an der natürliche Personen beteiligt sind. Gleiches gilt, wenn am Betrieb der Organgesellschaft eine Mitunternehmerschaft auf der Grundlage eines atypisch stillen Gesellschaftsverhältnisses begründet wurde.
2. NV: Zur Bindungswirkung von bestandkräftig festgestellten Besteuerungsgrundlagen (hier: Vorliegen einer Organschaft).
Tatbestand
I. Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der nach § 32c des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre (1996 bis 1998) geltenden Fassung (EStG) begünstigten gewerblichen Einkünfte streitig.
1. An der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), einer OHG, waren die Brüder … X zu jeweils 50 % beteiligt. Die OHG hielt sämtliche Anteile an der Y-GmbH sowie an der Z-GmbH. Da beide Kapitalgesellschaften sich zudem verpflichteten, ihre Gewinne an die Klägerin abzuführen, ging der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) davon aus, dass die körperschaftsteuerrechtlichen Organschaftsvoraussetzungen der §§ 14 ff. i.V.m. § 17 des Körperschaftsteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung (KStG) gegeben gewesen seien. Ab dem 1. Januar 1996 beteiligten sich die Ehefrauen der OHG-Gesellschafter als atypisch stille Gesellschafterinnen am Unternehmen der Kapitalgesellschaften.
Im Anschluss an eine Betriebsprüfung änderte das FA die Gewinnfeststellungsbescheide 1996 bis 1998 dahin, dass von den insgesamt für die Klägerin (bzw. deren Gesellschafter) ermittelten Gewinnen die aufgrund der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaftsverhältnisse zugerechneten Einkunftsteile nicht mehr als nach § 32c EStG begünstigt festgestellt wurden.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Die Revision wurde vom Finanzgericht (FG) nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.
1. Die Behauptung der Beschwerdeschrift, die Revision sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2, zweiter Halbsatz der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑), genügt nicht den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Eine solche Rüge erfordert, dass ‑‑woran es vorliegend fehlt‑‑ der Beschwerdeführer abstrakte und tragende Rechtssätze im Urteil des FG und in der Divergenzentscheidung so genau bezeichnet, dass eine Abweichung erkennbar wird (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 116 Rz 42, m.w.N.).
2. Nicht durchzugreifen vermag ferner die Rüge, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), weil es der Klärung bedürfe, nach welcher Vorschrift die dem Organträger im Rahmen eines Ergebnisabführungsvertrags zugerechneten Einkünfte für den Fall der Beteiligung der Organgesellschaft an einer Mitunternehmerschaft zu kürzen sei. Abgesehen davon, dass die Rechtsfrage nur im Hinblick auf die Ausschüttungen der Tochterkapitalgesellschaften (Y-GmbH; Z-GmbH) von entscheidungserheblicher Bedeutung sein kann, lässt sie sich im Sinne des vorinstanzlichen Urteils zweifelsfrei beantworten.
a) Nach § 32c Abs. 1 EStG wird der Entlastungsbetrag (Tarifbegrenzung) für im zu versteuernden Einkommen enthaltene und von der einkommensteuerpflichtigen Person als Einzel- oder Mitunternehmer erzielte gewerbliche Einkünfte gewährt (vgl. zu Letzterem Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 21. Juni 2006 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164; Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 28. November 2007 X R 6/05, BFHE 219, 329, BStBl II 2008, 363). Gewerbliche Einkünfte sind nach Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift Gewinne oder Gewinnanteile, die nach § 7 oder § 8 Nr. 4 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) der Gewerbesteuer unterliegen; sie sind dementsprechend nach den Regelungen des Gewerbesteuergesetzes zu ermitteln (BFH-Urteil in BFHE 219, 329, BStBl II 2008, 363; Blümich/Gosch, § 32c a.F. Rz 43 a.E. [Stand: Oktober 2006]). § 32c Abs. 2 Satz 2 EStG nimmt hiervon u.a. Gewinne aus Anteilen an inländischen Kapitalgesellschaften aus, die nach dem Schachtelprivileg des § 9 Nr. 2a GewStG (in der Fassung der Streitjahre) beim Bezieher der Gewinnausschüttungen keine gewerbesteuerliche Belastung auslösen.
b) Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass die Tarifbegrenzung des § 32c EStG nicht nur im Falle des Zusammentreffens von körperschaftsteuerrechtlicher und gewerbesteuerrechtlicher Organschaft (vgl. BFH-Beschluss vom 3. März 1998 IV B 49/97, BFHE 185, 418, BStBl II 1998, 608), sondern auch dann zu gewähren ist, wenn nur die Eingliederungsvoraussetzungen des § 14 Nr. 1 und 2 KStG erfüllt waren und deshalb mangels Gewinnabführungsvertrag (§§ 14, 17 KStG) lediglich eine gewerbesteuerrechtliche Organschaft gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG gegeben war. Auch in dieser Situation ist die Tarifbegrenzung nicht gemäß § 32c Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 9 Nr. 2a GewStG ausgeschlossen, da im Hinblick auf die Ausschüttungen der Organgesellschaft in § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG eine ausreichende Rechtsgrundlage dafür zu sehen war, unberechtigte doppelte steuerliche Belastungen oder Entlastungen im gewerbesteuerrechtlichen Organkreis zu korrigieren (BFH-Urteile vom 27. September 2006 IV R 50/98, BFH/NV 2007, 239; vom 7. November 2006 VIII R 18/98, BFH/NV 2007, 667; im Ergebnis ebenso Gosch, Die steuerliche Betriebsprüfung 1998, 192; vgl. jedoch mit Wirkung ab VZ 1999 § 32c Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 und Nr. 2 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999, BGBl I 1999, 402). Zwischen den Beteiligten wird ferner nicht in Frage gestellt, dass eine gewerbesteuerrechtliche Organschaft nach § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG die Eingliederung einer Kapitalgesellschaft in das Unternehmen des Organträgers voraussetzt und nach der Rechtsprechung des BFH ‑‑jedenfalls in gewerbesteuerrechtlicher Hinsicht‑‑ die organschaftlichen Rechtsfolgen insoweit verdrängt werden, als die Organgesellschaft mitunternehmerschaftliche Einkünfte, sei es in Form der Beteiligung an einer Außenpersonengesellschaft, sei es als Mitunternehmerin einer atypisch stillen Gesellschaft, erzielt (z.B. Senatsurteil vom 25. Oktober 1995 I R 76/93, BFH/NV 1996, 504, m.w.N.). Der Grund hierfür ist darin zu sehen, dass auch die Beteiligten eines atypisch stillen Gesellschaftsvertrags (Geschäftsinhaber und stille Gesellschafter) ‑‑als Mitunternehmer‑‑ sachlich gewerbesteuerpflichtig sind und der von ihnen gemeinschaftlich geführte Betrieb einen selbständigen ‑‑und gegenüber der organschaftlichen Zurechnung vorrangigen‑‑ Steuergegenstand i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 GewStG bildet (BFH-Urteile vom 25. Juli 1995 VIII R 54/93, BFHE 178, 448, BStBl II 1995, 794; in BFH/NV 1996, 504, jeweils m.w.N.).
c) Unter Berücksichtigung dieser Zusammenhänge kann nicht zweifelhaft sein, dass das FA die Gewinne der Y-GmbH sowie der Z-GmbH aus ihren mitunternehmerschaftlichen Verbindungen (atypisch stillen Gesellschaften) zu Recht nicht als gemäß § 32c EStG tarifbegünstigt angesehen hat.
aa) Dies ergibt sich zunächst daraus, dass ‑‑wie erläutert‑‑ die gemäß § 32c Abs. 2 Satz 1 EStG begünstigten und nach den Regeln des Gewerbesteuerrechts zu ermittelnden gewerblichen Einkünfte von den einkommensteuerpflichtigen Personen als Einzel- oder als Mitunternehmer erzielt werden müssen und im Streitfall diese Voraussetzungen erkennbar nicht erfüllt sind, weil ‑‑im Zusammenhang mit den atypisch stillen Gesellschaften‑‑ die Klägerin nicht die Stellung einer Mitunternehmerin erlangt hat und ihr auch die Gewinnanteile der mitunternehmerisch beteiligten Kapitalgesellschaften (Y-GmbH; Z-GmbH) ‑‑mangels Geltung der Betriebsstättenfiktion des § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG‑‑ nicht zuzurechnen waren. Die Gewinnanteile konnten deshalb nach den insoweit maßgeblichen Bestimmungen des Gewerbesteuerrechts bereits im Ausgangspunkt nicht in die gewerblichen Einkünfte der Klägerin gemäß § 7 GewStG i.V.m. § 32c Abs. 2 Satz 1 EStG einbezogen werden.
bb) Demgemäß kann sich die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, nach welcher Vorschrift ihr Gewerbeertrag zu kürzen sei, nur dann stellen, wenn die nachgeordneten Kapitalgesellschaften (hier: Y-GmbH und Z-GmbH) ihre mitunternehmerschaftlich erzielten Gewinnanteile an die Klägerin ausschütten. Auch in dieser Hinsicht kann der Rechtssache jedoch keine grundsätzliche Bedeutung beigemessen werden. Vielmehr kann kein Zweifel darüber bestehen, dass ‑‑wie von der Vorinstanz zu Recht erkannt‑‑ die ausschüttungsbedingte Kürzung des Gewerbeertrags auf der ‑‑für die Inanspruchnahme der Tarifbegünstigung schädlichen (§ 32c Abs. 2 Satz 2 EStG)‑‑ Vorschrift des § 9 Nr. 2a GewStG beruht (ebenso zu Gewinnen aus vororganschaftlicher Zeit BFH-Urteile vom 30. Januar 2002 I R 73/01, BFHE 198, 128, BStBl II 2003, 354; in BFH/NV 2007, 667); jegliche Erwägung, diese Kürzung des Gewerbeertrags auf die Bestimmung des § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG zu stützen, verbietet sich schon deshalb, weil die Rechtswirkungen der gewerbesteuerrechtlichen Organschaft gegenüber den mitunternehmerschaftlich erzielten Einkünften der Organgesellschaft(en) zurücktreten.
3. Die Beschwerde muss auch insofern ohne Erfolg bleiben, als die Klägerin der Frage grundsätzliche Bedeutung beimisst, ob auch dann von der Abführung des gesamten Gewinns i.S. von § 14 KStG auszugehen ist, wenn außerhalb der Organschaft stehende Personen am Gewinn der Organgesellschaft als atypisch stille Gesellschafter beteiligt sind. Der Senat hat zwar hierzu noch nicht abschließend Stellung genommen (vgl. Senatsbeschluss vom 31. März 2011 I B 177/10, BFH/NV 2011, 1397). Die Frage ist jedoch im anhängigen Verfahren nicht entscheidungserheblich. Zum einen ‑‑in materiell-rechtlicher Hinsicht‑‑ deshalb, weil nach den vorstehenden Erläuterungen die mitunternehmerschaftlichen Einkünfte der Organgesellschaften unabhängig davon die gewerbesteuerrechtliche Betriebsstättenfiktion des § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG verdrängen, ob ‑‑wovon bisher auch das FA ausgegangen ist‑‑ körperschaftsteuerrechtlich die Organschaftsverhältnisse anzuerkennen sind. Hinzu kommt zum anderen in verfahrensrechtlicher Hinsicht, dass mit den Gewinnfeststellungsbescheiden 1996 bis 1998 der Klägerin jeweils sämtliche Einkünfte der Y-GmbH sowie der Z-GmbH ‑‑und somit auch deren mitunternehmerschaftlichen Einkünfte‑‑ zugerechnet wurden. Da aber diese Feststellungen nicht angefochten worden und ‑‑als verfahrensrechtlich selbständige‑‑ Besteuerungsgrundlagen in Bestandskraft erwachsen sind, ist die für diese Feststellungen tragende Würdigung, dass die Klägerin körperschaftsteuerrechtlich Organträgerin gewesen sei, auch im Rahmen der rechtlich nachgelagerten und vorliegend ausschließlich angefochtenen Feststellung zur Höhe des nach § 32c EStG begünstigten Gewinns bindend (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 6. Dezember 2005 VIII R 99/02, BFH/NV 2006, 1041). Letzteres gilt ungeachtet dessen, ob das Vorliegen der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaftsvoraussetzungen als eigenständiger Feststellungsgegenstand zu qualifizieren ist (vgl. BFH-Urteil vom 15. April 2010 IV R 9/08, BFHE 229, 42, BStBl II 2010, 929) oder ob es sich hierbei nur um eine der Einkünftefeststellung zugrunde liegende rechtliche Wertung handelt (vgl. zur Bindungswirkung sog. vorgreiflicher Umstände BFH-Urteile vom 3. Februar 2010 IV R 61/07, BFHE 229, 94, BStBl II 2010, 942; vom 8. November 2005 VIII R 11/02, BFHE 211, 277, BStBl II 2006, 253, m.w.N.). Demgemäß wäre der Senat auch aus verfahrensrechtlichen Gründen daran gehindert, zu der von der Klägerin aufgeworfenen und als grundsätzlich angesehenen Rechtsfrage Stellung zu nehmen.