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Beschluss vom 07. September 2011, X B 113/10

Anforderungen an den Vortrag zur Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage bei Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache - Abgrenzung eines Kapitalkontos von einem Darlehenskonto bei Einbringungsfällen

BFH X. Senat

FGO § 115 Abs 2 Nr 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 3, FGO § 116 Abs 3 S 3, UmwStG § 24, EStG § 15a

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz , 27. April 2010, Az: 2 K 1144/09

Leitsätze

1. NV: Ein schlüssiger und substantiierter Vortrag zur Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage bei Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache erfordert die Darlegung, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung dieser Frage zweifelhaft und streitig ist.

2. NV: Es ist geklärt, dass die zur Abgrenzung eines Kapitalkontos von seinem Darlehenskonto im Rahmen des § 15a EStG entwickelten Grundsätze auch im Anwendungsbereich des § 24 UmwStG gelten.

Gründe

  1. Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen zur Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen entweder nicht vor oder sind nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Form dargelegt worden.

  2. 1. Sofern die Klägerin in der Versagung der Anwendung des § 24 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) in der im Streitjahr 2004 geltenden Fassung eine verschärfende, vom Gesetzgeber nicht vorgesehene Auslegung der Vorschrift sieht, soweit die Gegenleistung für die Einbringung nicht ausschließlich in Gesellschaftsrechten besteht, fehlt es an einer dem § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechenden Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

  3. a) Macht der Beschwerdeführer geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), so muss er zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen. Dafür ist erforderlich, dass er die entscheidungserhebliche Rechtsfrage hinreichend konkretisiert. Des Weiteren muss in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen dargetan werden, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. Dazu muss dargelegt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 22. März 2011 X B 151/10, BFH/NV 2011, 1165; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 116 Rz 32, m.w.N.). Hat der Bundesfinanzhof (BFH) bereits früher über die Rechtsfrage entschieden, muss der Beschwerdeführer darüber hinaus begründen, weshalb er gleichwohl eine erneute Entscheidung zu dieser Frage für erforderlich hält. Hierzu muss er substantiiert vortragen, inwiefern und aus welchen Gründen die höchstrichterlich beantwortete Frage weiterhin umstritten ist, insbesondere welche neuen und gewichtigen, vom BFH noch nicht geprüften Argumente in der Rechtsprechung der Finanzgerichte und/oder in der Literatur gegen die Rechtsprechung des BFH vorgebracht worden sind (ständige BFH-Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 20. Juni 2007 X B 116/06, BFH/NV 2007, 1705; vgl. auch Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 33, m.w.N.).

  4. b) Die Beschwerde der Klägerin, die nicht ausdrücklich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gestützt ist, erfüllt diese Voraussetzungen nicht.

  5. Die Klägerin hat es insbesondere versäumt, eine konkrete Rechtsfrage zu formulieren.

  6. Zudem bleibt unklar, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und umstritten ist. Die Beschwerdebegründung der Klägerin erschöpft sich im Wesentlichen in den Aussagen, der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) und das Finanzgericht (FG) sähen in der vorliegenden Einbringung einen entgeltlichen Veräußerungsvorgang, soweit die Gegenleistung nicht ausschließlich in Gesellschaftsrechten erfolgt sei. Die Versagung der Anwendung des § 24 UmwStG beruhe auf einer verschärfenden Auslegung der Vorschrift, die als Tatbestandsvoraussetzung lediglich eine Mitunternehmerstellung verlange. Dies werde in dem diesbezüglichen Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 25. März 1998 (BStBl I 1998, 268) ohne weiteren Kommentar übergangen und in der Literatur streitig behandelt. Nachweise, die dieses Vorbringen stützen könnten, fehlen jedoch.

  7. In Bezug auf das BFH-Urteil vom 16. Dezember 2004 III R 38/00 (BFHE 209, 62, BStBl II 2005, 554) trägt die Klägerin lediglich vor, dass ‑‑aus ihrer Sicht‑‑ kein vergleichbarer Sachverhalt vorliege, da der BFH in diesem Urteil ausgeführt habe, dass nur Zahlungen in das Privatvermögen schädlich seien. Im Übrigen setzt sie sich mit der Rechtsprechung und den Auffassungen im Schrifttum zu der Frage der Einbringung gegen Vermögensvorteile, die nicht in Gesellschaftsrechten bestehen, nicht (hinreichend) auseinander (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 8. Dezember 1994 IV R 82/92, BFHE 176, 392, BStBl II 1995, 599, und vom 11. Dezember 2001 VIII R 58/98, BFHE 197, 411, BStBl II 2002, 420; aus dem Schrifttum: Widmann in Widmann/ Mayer, Umwandlungsrecht, § 24 UmwStG Rz 175 ff.; Rasche in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 24 Rz 62; Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz, 5. Aufl., § 24 UmwStG Rz 134 ff.; Klingebiel/Patt/Rasche/ Krause, Umwandlungssteuerrecht, 2. Aufl., Teil C II Rz 6.6.2; Dötsch/Patt/ Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 6. Aufl., § 24 Rz 59 ff., und Schlößer in Haritz/Menner, Umwandlungssteuergesetz, 3. Aufl., § 24 Rz 77 f. und 146 ff.).

  8. Soweit die Klägerin ausführt, dass eine klare Aussage des BFH zu dieser Fragestellung noch fehle, kann ein solcher Hinweis allein nicht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache begründen (vgl. BFH-Beschluss vom 23. August 1994 VII B 70/94, BFH/NV 1995, 412).

  9. 2. Mit ihrem Vorbringen, dass noch fraglich sei, ob die Kriterien zur Abgrenzung eines Kapitalkontos von einem Darlehenskonto, die weitgehend zu § 15a des Einkommensteuergesetzes (EStG) herangezogen würden, auch für § 24 UmwStG gelten könnten, vermag die Klägerin ebenso wenig die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache schlüssig und substantiiert darzutun.

  10. Auch insoweit legt die Klägerin nicht ‑‑den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend‑‑ dar, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und umstritten ist.

  11. Im Übrigen hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 12. Oktober 2005 X R 35/04 (BFH/NV 2006, 521) ‑‑mit Hinweis auf das BMF-Schreiben in BStBl I 1998, 268, 339, Tz. 24.08 i.V.m. dem BMF-Schreiben vom 30. Mai 1997, BStBl II 1997, 627, unter Nr. 4‑‑ klargestellt, dass die zur Abgrenzung eines Kapitalkontos von einem Darlehenskonto im Rahmen des § 15a EStG entwickelten Grundsätze auch im Anwendungsbereich des § 24 UmwStG gelten. Mit dieser Entscheidung hat sich die Klägerin nicht hinreichend auseinandergesetzt und insbesondere nicht aufgezeigt, aus welchen Gründen unbeschadet des zitierten Urteils ein weiterer Klärungsbedarf durch den BFH besteht.

  12. 3. Ein Verfahrensmangel, der zur Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO führen könnte, liegt nicht vor.

  13. a) Soweit die Klägerin vorbringt, das FG sei auf das teilweise in der Literatur vertretene und bereits in der Klagebegründung vom 25. Januar 2009 vorgetragene Argument nicht eingegangen, dass ein Veräußerungsgewinn schon deshalb nicht entstehen könne, weil das steuerliche Betriebsvermögen nach der Einbringung genauso hoch gewesen sei wie vor der Einbringung, kann darin keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO) gesehen werden.

  14. Dem Anspruch auf rechtliches Gehör entspricht eine Verpflichtung des Gerichts, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen. Das Gericht ist aber nicht verpflichtet, sich in den Entscheidungsgründen mit jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu befassen. Es darf insbesondere Vorbringen unerörtert lassen, das nach seiner Rechtsauffassung unerheblich oder unsubstantiiert ist. Insbesondere braucht das FG nicht zu jeder Rechtsausführung der Beteiligten Stellung zu nehmen und im Einzelnen zu begründen, weshalb es dieser nicht folgt, wenn die tragenden rechtlichen Erwägungen für seine Entscheidung dargestellt werden (BFH-Beschlüsse vom 10. Mai 2002 VII B 130/01, BFH/NV 2002, 1314, m.w.N., und vom 13. Juli 2004 X B 175/03, BFH/NV 2004, 1544).

  15. Im Übrigen trägt die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung vom 15. Juni 2010 vor, ein Veräußerungsgewinn sei durch Bildung einer negativen Ergänzungsbilanz nicht entstanden bzw. der die Buchwerte übersteigende Betrag sei durch eine negative Ergänzungsbilanz neutralisiert worden. Dazu führt das FG in dem angefochtenen Urteil in den Entscheidungsgründen ausdrücklich aus, dass ein durch die "Zuzahlung" entstandener Gewinn nicht durch Erstellung einer entsprechenden negativen Ergänzungsbilanz vermieden werden könne.

  16. b) Sollte die Klägerin mit ihrem Vorbringen, dass bisher keine Verluste entstanden seien und damit keine Verlustverrechnung habe vorgenommen werden können, eine unrichtige Darstellung des der Entscheidung des FG zu Grunde liegenden Sachverhalts rügen, kann auch dies keinen Verfahrensmangel begründen.

  17. Einwendungen gegen die Richtigkeit des im FG-Urteil festgestellten Tatbestandes können nicht als Verfahrensmangel nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren gerügt werden, sondern müssen gegebenenfalls zum Gegenstand eines Antrags auf Tatbestandsberichtigung (§ 108 FGO) gemacht werden (z.B. Senatsbeschluss vom 15. Oktober 2008 X B 120/08, BFH/NV 2009, 41). Dies gilt auch für entscheidungserhebliche Tatsachen, die lediglich in den Entscheidungsgründen des Urteils mitgeteilt werden (z.B. BFH-Beschluss vom 24. April 2007 XI B 35/06, BFH/NV 2007, 1268; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 108 Rz 3). Das FG hatte in den Entscheidungsgründen seines Urteils ausgeführt, dass Verluste der X-GmbH & Co. KG entstanden und auf ein besonderes Konto gebucht worden seien.

  18. 4. Soweit die Klägerin sich mit ihrem Vortrag gegen die materiell-rechtliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung richtet, kann die Zulassung der Revision nicht darauf gestützt werden. Fehler in der Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen für sich genommen nicht die Zulassung der Revision (z.B. Senatsbeschluss vom 4. August 2010 X B 198/09, BFH/NV 2010, 2102; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 24, 68 und § 116 Rz 34, jeweils m.w.N.). Eine Ausnahme hiervon kommt nur dann in Betracht, wenn das angefochtene Urteil derart schwerwiegende Fehler bei der Auslegung des revisiblen Rechts aufweist, dass die Entscheidung des FG "objektiv willkürlich" erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (z.B. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2010, 2102, und vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837). Dies ist nicht vorgetragen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

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