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Beschluss vom 18. August 2011, VII B 9/11

Keine Bindung des FA an die in einer Lohnsteuerbescheinigung ausgewiesenen Beträge - Berichtigung einer Lohnsteuerbescheinigung - Änderung des Lohnsteuerabzugs

BFH VII. Senat

EStG § 36 Abs 2 Nr 2, EStG § 41c Abs 3 S 1

vorgehend Finanzgericht des Saarlandes , 07. Dezember 2010, Az: 2 K 1347/08

Leitsätze

1. NV: Die vom Arbeitgeber ausgestellte Lohnsteuerbescheinigung erbringt im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung lediglich einen widerlegbaren Beweis; das FA ist an ihren Inhalt nicht gebunden .

2. NV: Berichtigt der Arbeitgeber eine Lohnsteuerbescheinigung, die weder einbehaltene noch an das FA abgeführte Beträge unzutreffend als Lohnsteuer ausweist, handelt es sich nicht um eine Änderung des Lohnsteuerabzugs i.S. des § 41c Abs. 3 Satz 1 EStG .

Tatbestand

  1. I. Die als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) waren im Streitjahr 2005 bis einschließlich Oktober als Arbeitnehmer einer KGaA (Arbeitgeberin) tätig. Die Arbeitgeberin, betreffend deren Vermögen im August 2005 ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt wurde, zahlte den Klägern für die Monate Juli bis September 2005 keine Löhne und meldete dementsprechend beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ‑‑FA‑‑) keine einbehaltene Lohnsteuer an. Sie zahlte stattdessen Beträge zur Vorfinanzierung des Insolvenzgelds, die aufgrund "fiktiver" Lohnabrechnungen berechnet worden waren und die später mit dem gezahlten Insolvenzgeld verrechnet wurden. Für Oktober 2005 zahlte die Arbeitgeberin wieder Löhne und führte die einbehaltene Lohnsteuer an das FA ab. Die nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Arbeitgeberin ausgestellten Lohnsteuerbescheinigungen wiesen allerdings auch die in den Monaten Juli bis September 2005 "fiktiv" berechneten Bruttolöhne sowie Steuerabzugsbeträge aus. Im März 2006 stellte die Arbeitgeberin dann berichtigte Lohnsteuerbescheinigungen aus, in denen Lohnzahlungen für die Monate Juli bis September 2005 nicht mehr aufgeführt waren.

  2. Während die Kläger mit ihrer Einkommensteuererklärung 2005 die in den ursprünglichen Lohnsteuerbescheinigungen ausgewiesenen Bruttolöhne und Steuerabzugsbeträge angaben, berücksichtigte das FA in der Anrechnungsverfügung zum Einkommensteuerbescheid 2005 die Lohnsteuerabzugsbeträge gemäß den berichtigten Lohnsteuerbescheinigungen. Nachdem die Kläger Einspruch und Klage gegen den Einkommensteuerbescheid erhoben hatten, erließ das FA auf Antrag der Kläger einen Abrechnungsbescheid, mit dem es die Anrechnungsverfügung hinsichtlich der Lohnsteuerabzugsbeträge bestätigte.

  3. Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Das FG urteilte, dass die Arbeitgeberin berechtigt gewesen sei, die Lohnsteuerbescheinigungen zu berichtigen, weil diese Lohnsteuerabzugsbeträge für die Monate Juli bis September 2005 ausgewiesen hätten, obwohl die Arbeitgeberin keine Lohnsteuer einbehalten, angemeldet und an das FA abgeführt habe. Durch die berichtigten Lohnsteuerbescheinigungen habe die Arbeitgeberin daher den Lohnsteuerabzug nicht i.S. des § 41c Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geändert, sondern lediglich die Löhne und Steuerabzugsbeträge für die Monate Januar bis Oktober 2005 zutreffend ausgewiesen.

  4. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger, welche sie auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑) stützen.

Entscheidungsgründe

  1. II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

  2. Der Senat kann offenlassen, ob die Klärungsbedürftigkeit der von der Beschwerde formulierten Rechtsfragen schlüssig dargelegt ist, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt. Jedenfalls liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vor, weil sich diese Fragen in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen und somit nicht klärungsfähig sind.

  3. Die bezeichneten Rechtsfragen gehen in tatsächlicher Hinsicht davon aus, dass ein Arbeitgeber Lohnsteuer in nicht zutreffender Höhe vom Arbeitslohn einbehalten und beim Finanzamt angemeldet hat. Nach den Feststellungen des FG im Streitfall, an die der Senat in einem Revisionsverfahren gebunden wäre (§ 118 Abs. 2 FGO), hat die Arbeitgeberin jedoch für die Monate Juli bis September 2005 weder Lohnsteuer einbehalten noch beim FA angemeldet. Sie hat lediglich am Ende des Arbeitsverhältnisses über die während der genannten Monate den Klägern gezahlten Löhne sowie die einbehaltenen Lohnsteuerabzugsbeträge eine unzutreffende Bescheinigung ausgestellt. Ein Fall der in § 41c Abs. 3 Satz 1 EStG geregelten Änderung des Lohnsteuerabzugs liegt daher ‑‑wie das FG zutreffend ausgeführt hat‑‑ nicht vor.

  4. Anders als die Beschwerde offenbar meint, ist das FA bei der Veranlagung eines Arbeitnehmers zur Einkommensteuer auch nicht verpflichtet, die in der Lohnsteuerbescheinigung ausgewiesene Lohnsteuer als die durch Steuerabzug erhobene Einkommensteuer i.S. des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG zu berücksichtigen. Vielmehr entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ‑‑und ist daher nicht klärungsbedürftig‑‑, dass die Lohnsteuerbescheinigung lediglich einen widerlegbaren Beweis im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung erbringt und somit bei der Veranlagung keine Bindung an ihren Inhalt besteht (BFH-Urteile vom 19. Oktober 2001 VI R 36/96, BFH/NV 2002, 340; vom 13. Dezember 2007 VI R 57/04, BFHE 220, 124, BStBl II 2008, 434; BFH-Beschluss vom 7. Februar 2008 VI B 110/07, BFH/NV 2008, 944).

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