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Beschluss vom 08. Juni 2011, X B 216/10

Wiederkehrende Leistungen an Geschwister durch einen Vermögensübernehmer - Anforderungen an die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde bei behaupteter Divergenz

BFH X. Senat

EStG § 10 Abs 1 Nr 1a, FGO § 115 Abs 2 Nr 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2, FGO § 116 Abs 3 S 3

vorgehend FG München, 23. September 2010, Az: 8 K 3817/09

Leitsätze

1. NV: Erhalten Geschwister des Vermögensübernehmers von diesem wiederkehrende Leistungen, so ist zu prüfen, ob deren Versorgung im Vordergrund steht oder ob der Erbteilsverzicht oder Pflichtteilsverzicht verrentet werden soll .

2. NV: Die Abgrenzung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei gilt die allgemeine Vermutung, dass Geschwister nicht in erster Linie versorgt werden sollen (Bestätigung der BFH-Rechtsprechung) .

Gründe

  1. Die Beschwerde ist ‑‑bei erheblichen Zweifeln an ihrer Zulässigkeit im Hinblick auf die Erfüllung der Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO)‑‑ jedenfalls unbegründet.

  2. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO liegen nicht vor. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen des Erfordernisses einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO sind nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargelegt worden.

  3. 1. Das Finanzgericht (FG) hat seine Entscheidung in doppelter Weise begründet. Es hat zum einen die Zahlungen des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) deswegen nicht als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr 2005 geltenden Fassung (EStG) anerkannt, weil die Empfängerin der Zahlungen, X, wegen ihres lange vor dem Erbfall und auch vor dem Abschluss des Erbvertrages erfolgten Pflichtteilsverzichts nicht mehr zum Generationennachfolgeverbund gezählt habe. Zum anderen scheiterte der Sonderausgabenabzug auch daran, dass ‑‑nach Auffassung des FG‑‑ der Kläger die Vermutung, er sei aus Gründen der Gleichstellung mit der Zahllast zugunsten seiner Adoptivschwester belastet worden, nicht widerlegen konnte.

  4. Ist das Urteil des FG kumulativ auf mehrere Gründe gestützt, so muss hinsichtlich jeder Begründung ein Zulassungsgrund dargelegt werden und vorliegen (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Senatsbeschluss vom 17. April 2000 X B 9/00, BFH/NV 2000, 1334, m.w.N.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 116 Rz 28).

  5. 2. Macht der Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend, so muss er u.a. substantiiert darauf eingehen, weshalb die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Zur schlüssigen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit muss er außerdem begründen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und streitig ist. Dazu gehört auch, dass sich der Beschwerdeführer mit der zu dieser Rechtsfrage bereits vorhandenen Rechtsprechung auseinandersetzt und substantiiert darlegt, weshalb nach seiner Ansicht diese Rechtsprechung keine Klärung herbeigeführt habe.

  6. Hat der BFH bereits früher über die Rechtsfrage entschieden, muss der Beschwerdeführer begründen, weshalb er gleichwohl eine erneute Entscheidung zu dieser Frage für erforderlich hält. Hierzu muss er substantiiert vortragen, inwiefern und aus welchen Gründen die höchstrichterlich beantwortete Frage weiterhin umstritten ist, insbesondere welche neuen und gewichtigen, vom BFH noch nicht geprüften Argumente in der Rechtsprechung der FG und/oder in der Literatur gegen die Rechtsprechung des BFH vorgebracht worden sind (ständige BFH-Rechtsprechung, siehe Beschluss vom 20. April 2009 I B 213/08, nicht veröffentlicht, juris, vgl. auch Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 33, m.w.N.).

  7. a) Der angerufene Senat kann es dahinstehen lassen, ob der von dem Kläger aufgeworfenen Frage, ob im Falle eines Pflichtteilsverzichts durch einen Berechtigten der Versorgungsleistungen im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge noch ein Fall der begünstigten Versorgungsleistungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG vorliege, vor dem Hintergrund der Senatsrechtsprechung (vgl. z.B. Senatsurteil vom 20. Oktober 1999 X R 86/96, BFHE 190, 365, BStBl II 2000, 602) grundsätzliche Bedeutung beizumessen ist.

  8. b) Dem Kläger ist es nicht gelungen, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in Bezug auf die kumulativ gegebene Begründung des FG, es handele sich nicht um Versorgungs- sondern um Gleichstellungsleistungen, darzulegen. Er trägt lediglich vor, bei der finanzgerichtlichen Vermutung, es handele sich bei den Zahlungen um Gleichstellungsgelder, müsse ebenfalls "die Frage nach Sinn und Zweck der Abzugsbedingungen hinterfragt werden". Mit diesem Vorbringen hat er sich nicht substantiiert mit der Rechtsprechung des BFH, insbesondere mit der Senatsrechtsprechung in den Entscheidungen in BFHE 190, 365, BStBl II 2000, 602 (unter II.4.c), vom 26. November 2003 X R 11/01 (BFHE 204, 192, BStBl II 2004, 820 unter II.3.d), vom 28. April 1994 X B 162/94 (BFH/NV 1995, 18) und vom 11. Oktober 2007 X R 14/06 (BFHE 219, 160, BStBl II 2008, 123 unter II.2.b) auseinandergesetzt, wonach gesetzlich erb- und pflichtteilsberechtigte Abkömmlinge des Übergebers nur dann begünstigte Empfänger von Versorgungsleistungen sein können, wenn tatsächlich das Versorgungsbedürfnis im Vordergrund steht. Werden Geschwister des Vermögensübernehmers mit wiederkehrenden Leistungen bedacht, so ist nach der Senatsrechtsprechung zu prüfen, ob die Geschwister gleichgestellt werden sollen. Wird in erster Linie der Erb- oder Pflichtteilsverzicht verrentet und steht nicht die Versorgung der Geschwister im Vordergrund, so sind die Zahlungen als entgeltliches Rechtsgeschäft zu beurteilen. Diese Abgrenzung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, wobei nach der BFH-Rechtsprechung die allgemeine Vermutung gilt, dass Geschwister nicht in erster Linie versorgt werden sollen (BFH-Entscheidung in BFHE 219, 160, BStBl II 2008, 123).

  9. 3. Sofern der Kläger der Auffassung ist, das FG habe im Streitfall verkannt, dass die Zahlungen des Klägers der Sicherstellung der Versorgung seiner Adoptivschwester dienten, kann dieses Vorbringen nicht zur Zulassung der Revision führen. Die Rüge der falschen Rechtsanwendung und tatsächlichen Würdigung des Einzelfalls durch das FG ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren grundsätzlich unbeachtlich (ständige Rechtsprechung des BFH, siehe dazu Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 55, m.w.N.)

  10. 4. Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidungen sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung deutlich erkennbar zu machen. Des Weiteren ist insbesondere auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handelt (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom 21. Januar 2009 X B 125/08, BFH/NV 2009, 951, m.w.N.).

  11. Der Kläger führt lediglich pauschal aus, soweit die Rechtsprechung die von ihm formulierten Gedanken an anderer Stelle entsprechend umsetze, stehe das angegriffene finanzgerichtliche Urteil dazu in Widerspruch. Es fehlt damit sowohl an der genauen Bezeichnung der abweichenden Urteile mit Aktenzeichen und Datum oder der Fundstelle (vgl. BFH-Beschluss vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479) als auch an der Herausarbeitung und Gegenüberstellung der tragenden Rechtssätze des finanzgerichtlichen Urteils und der Divergenzentscheidungen im Hinblick auf die beiden vom FG gegebenen Begründungen.

  12. Damit reicht das Vorbringen des Klägers insgesamt nicht aus, die Revision zuzulassen.

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