BFH VIII. Senat
AO § 179 Abs 2 S 2, AO § 180 Abs 1 Nr 2 Buchst a, AO § 180 Abs 2 S 1, EStG § 44 Abs 1 S 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 1, AO1977§180Abs2V § 9, FGO § 115 Abs 2 Nr 3
vorgehend FG Münster, 26. August 2010, Az: 4 K 3982/07 F
Leitsätze
NV: Die Steuerpflicht der Zinsen aus Kapitallebensversicherungen ist nur gesondert festzustellen, eine einheitliche Feststellung findet insofern nicht statt .
Gründe
1. Die Beschwerde ist mit der Maßgabe zulässig, dass sie von der GbR erhoben worden ist. Das Finanzgericht (FG) ist ebenfalls davon ausgegangen, dass die Klage im Namen der GbR erhoben worden ist. Das Rubrum des Beschwerdeverfahrens war deshalb von Amts wegen entsprechend zu ändern.
2. Die Beschwerde ist aber nicht begründet. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑) liegen nicht vor.
a) Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage, ob die Steuerpflicht der Zinsen aus Kapitallebensversicherungen nicht nur gesondert (vgl. § 9 der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung ‑‑AO‑‑ vom 19. Dezember 1986), sondern auch einheitlich festgestellt werden muss (vgl. § 179 Abs. 2 Satz 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 2 Satz 1 AO), wenn Versicherungsnehmerin eine GbR ist, hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie ist nicht klärungsbedürftig, sondern eindeutig zu verneinen. Es bedarf deshalb nicht der Zulassung und Durchführung eines Revisionsverfahrens (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 28).
Zu Recht hat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) im Streitfall den Bescheid, in dem die Steuerpflicht der Zinsen aus den Kapitallebensversicherungen gesondert festgestellt worden ist, an die Klägerin als GbR - und nicht (zugleich oder ausschließlich) an die Gesellschafter der Klägerin gerichtet. Eine einheitliche Feststellung war entgegen der Auffassung der Klägerin nicht durchzuführen. Eine einheitliche Feststellung muss stattfinden, wenn dies gesetzlich bestimmt ist oder wenn der Gegenstand der Feststellung mehreren Personen zuzurechnen ist (§ 179 Abs. 2 Satz 2 AO).
Eine gesetzliche Bestimmung fehlt. Aus § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO ergibt sich insofern nichts. Danach müssen Einkünfte und mit ihnen im Zusammenhang stehende andere Besteuerungsgrundlagen gesondert (und einheitlich) festgestellt werden, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind. Die Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen gehört als Feststellungsgegenstand weder zu den Einkünften noch zu den mit ihnen im Zusammenhang stehenden anderen Besteuerungsgrundlagen, sondern i.S. von § 180 Abs. 2 Satz 1 AO zu den "anderen als den in Absatz 1 genannten Fällen". Der Gegenstand der Feststellung (sowie damit zusammenhängende Zuständigkeitsfragen) sind insofern zutreffend in § 9 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO geregelt.
Der Gegenstand der Feststellung (die Steuerpflicht der Zinsen aus Kapitallebensversicherungen) ist auch nicht i.S. von § 179 Abs. 2 Satz 2 AO mehreren Personen zuzurechnen, sondern allein dem Versicherungsnehmer. Richtiger Adressat der Feststellung ist der Versicherungsnehmer als Steuerschuldner (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 180 AO Rz 626 unter Hinweis auf Baum, Der Betrieb 1995, 401). Im Streitfall hat unstreitig die GbR die Versicherungsverträge im eigenen Namen abgeschlossen; nur sie ist Versicherungsnehmerin und zum Bezug der Leistungen berechtigt. Die GbR ist auch Steuerschuldnerin. Sie schuldet die auf die Zinsen entfallende Kapitalertragsteuer (§§ 43, 44 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes). Dass die Kapitalerträge letztlich den Gesellschaftern der Klägerin zuzurechnen sind, ändert nichts. Über die Zurechnung der Einkünfte wird erst im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung des Gewinns der GbR entschieden bei Fälligkeit der Zinsen. Zutreffend weist das FA darauf hin, dass eine frühere persönliche Zurechnung der "Steuerpflicht" keinen Vorteil hätte, da nicht ausgeschlossen ist, dass Gesellschafter in der Zwischenzeit aus der Gesellschaft ausscheiden oder neue Gesellschafter eintreten.
Da bereits die aufgeworfene Rechtsfrage anders zu beantworten war als von der Klägerin angenommen, braucht der Senat nicht mehr zu der weiteren Frage Stellung zu nehmen, ob eine unterbliebene einheitliche Feststellung stets die Nichtigkeit des Bescheids zur Folge hat.
b) Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
Das FG ist dem Vortrag der Klägerin nicht gefolgt, wonach hinsichtlich des Umfangs der (im Streitfall als schädlich beurteilten) Abtretung der Ansprüche aus den Versicherungen zwischen ihr und der finanzierenden Bank ein anfänglicher Dissens bestanden habe. Es hat dies aus verschiedenen Schriftstücken und dem Umstand geschlossen, dass die Klägerin sich in den Jahren von 1995 bis 2005 selbst nicht nach außen erkennbar auf den Standpunkt gestellt hat, die Ansprüche seien lediglich in unschädlichem Umfang abgetreten worden. Daraus hat das FG geschlossen, dass für eine Anwendung von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO im Streitfall schon deshalb kein Raum wäre, weil die Klägerin in diesem Falle ein grobes Verschulden daran träfe, dass die Tatsache (des Dissenses) erst nachträglich bekannt geworden sei. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang einen Aufklärungsmangel rügt, der darin bestehen soll, dass das FG die auf Seiten der Vertragspartner jeweils handelnden Personen über das Vorliegen eines Dissenses nicht von Amts wegen als Zeugen einvernommen hat, liegt darin kein Verfahrensmangel. Denn insoweit ist stets vom materiell-rechtlichen Standpunkt des FG auszugehen, auch wenn er unrichtig sein sollte (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 79). Von der rechtlichen Wertung des FG ausgehend, dass die Klägerin am nachträglichen Bekanntwerden eines eventuellen Dissenses jedenfalls ein grobes Verschulden treffe, war das FG nicht gehalten, die Frage des Dissenses in tatsächlicher Hinsicht weiter aufzuklären.
Allenfalls könnte deshalb ein materiell-rechtlicher Fehler von solchem Gewicht vorliegen, dass ausnahmsweise deshalb die Zulassung der Revision geboten wäre (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 68). Anhaltspunkte dafür sind allerdings nicht ersichtlich. Für die Würdigung, die das FG getroffen hat, spricht, dass die Klägerin in der Vergangenheit stets darum bemüht war, eine partielle Rückabtretung der Ansprüche aus den Lebensversicherungen zu erwirken. Sie hat deshalb offenbar die Idee eines Dissenses selbst erst nach dem Eintritt der Bestandskraft entwickelt. Wenn das FG dann nach den von der Rechtsprechung insofern aufgestellten Grundsätzen von einem grob vorwerfbaren Versäumnis ausgeht, ist jedenfalls für die Annahme einer quasi willkürlichen Rechtsanwendung kein Raum.