BFH VII. Senat
ZK Art 12 Abs 2, ZKDV Art 9, ZKDV Art 10 Abs 1, KN AllgVorschr 3 Buchst c, KN Pos 8471 UPos 9910, KN Pos 8528, EGV 2184/97 , EG Art 12, EG Art 13, EWGV 2913/92 Art 12 Abs 2, EWGV 2454/93 Art 9, EWGV 2454/93 Art 10 Abs 1, KN Pos 8471 UPos 9390
vorgehend Hessisches Finanzgericht , 24. März 2010, Az: 7 K 968/06
Leitsätze
NV: Die zuständige Zollstelle ist bei der Einreihung der Einfuhrware in die KN weder an die Tarifierung dieser Ware anlässlich anderer Einfuhrabfertigungen durch eine andere Zollstelle noch an einer vZTA gebunden, die einem anderen Wirtschaftsteilnehmer für diese Ware erteilt worden ist. Der Einführer kann unter Berufung auf den Gleichheitssatz nicht verlangen, dass die zuständige Zollstelle die Tarifauffassung anderer Zollstellen übernimmt. Entscheidend ist allein, welche zolltarifliche Einreihung die zutreffende ist .
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Verwalter über das Vermögen der Firma …, deren Rechtsvorgängerin in den Jahren 1995 und 1996 LCD-Projektoren in das Zollgebiet der Union einführte und zum freien Verkehr abfertigen ließ. Später kam es zu Zollnacherhebungen, weil die Einfuhrwaren unter einer angeblich unzutreffenden Codenummer der Kombinierten Nomenklatur (KN) abgefertigt worden waren. Gegen für vier Einfuhrsendungen aus dem Jahr 1995 ergangene Einfuhrabgabenbescheide erhob die Rechtsvorgängerin Einspruch und machte geltend, dass derartige Projektoren in Luxemburg bzw. den Niederlanden in die Unterpos. 8471 93 90 KN bzw. die Unterpos. 8471 99 10 KN eingereiht würden. Nach einer Außenprüfung bei der Rechtsvorgängerin erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt ‑‑HZA‑‑) unter dem 27. Mai 1997 zwei Steueränderungsbescheide, mit denen jeweils die Nacherhebungs- und die Erstattungsbeträge für die Einfuhren festgesetzt und der Saldo nacherhoben wurde.
Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Das FG hielt die Klage bezüglich der Abgabenerhebung für mit zwei Zollbelegen aus dem Jahr 1995 eingeführte Waren für unzulässig. Im Übrigen sei die Klage nicht begründet, weil die den Nacherhebungen zugrunde liegenden Einreihungen in den Zolltarif zutreffend seien. Die LCD-Projektoren seien in die Pos. 8528 KN einzureihen. Es handele sich um sog. Multifunktionsgeräte, die nach Anschluss an eine automatische Datenverarbeitungsmaschine als Datensichtgeräte, nach Anschluss an einen (z.B.) Videorecorder aber auch für die Ton- und Bildwiedergabe verwendet werden könnten. Da sich nicht feststellen lasse, welche dieser Tätigkeiten als Haupttätigkeit der Projektoren anzusehen sei, seien sie gemäß der Allgemeinen Vorschrift 3 c für die Auslegung der KN in die letztgenannte in Betracht kommende Position einzureihen. In der Vergangenheit erteilte verbindliche Zolltarifauskünfte (vZTA) über die Einreihung solcher Waren in die Pos. 8471 KN stünden nicht entgegen, weil sie entweder nicht der Rechtsvorgängerin oder erst nach den streitigen Einfuhren erteilt worden seien. Im Fall in den Mitgliedstaaten erteilter voneinander abweichender vZTA werde eine einheitliche Einreihungspraxis in der Regel durch eine Einreihungsverordnung der Kommission sichergestellt, welche hinsichtlich der streitigen Projektoren mit der Verordnung (EG) Nr. 2184/97 der Kommission vom 3. November 1997 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1997, Nr. L 299, 6) auch erlassen worden sei und die die Einreihung solcher Geräte in die Unterpos. 8528 30 05 KN vorschreibe. Für den Übergangszeitraum bis zur Gültigkeit einer solchen Einreihungsverordnung seien unterschiedliche Tarifierungen von den Wirtschaftsbeteiligten hinzunehmen. Weder seien die für die Einfuhrwaren zugrunde gelegten Zollwerte zu beanstanden noch sei von der Nacherhebung gemäß Art. 220 Abs. 2 Buchst. b des Zollkodex (ZK) abzusehen. Hinsichtlich eines Teils der streitigen Einfuhrsendungen beruhe die Einreihung nicht auf einem sog. aktiven Irrtum des HZA, hinsichtlich des übrigen Teils sei der Irrtum des HZA für die Rechtsvorgängerin erkennbar gewesen bzw. habe sie nicht alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, der Fortbildung des Rechts sowie des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑) stützt.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.
1. Soweit die Beschwerde geltend macht, dass die Auffassung des FG, bis zum Erlass einer Einreihungsverordnung seien unterschiedliche Tarifierungen hinzunehmen, nicht zutreffe, sondern gegen allgemeine Grundsätze des Unionsrechts verstoße, bezeichnet sie bereits keine grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage, sondern wendet sich im Stil einer Revisionsbegründung gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils.
Aber auch wenn man der Beschwerdebegründung sinngemäß die Rechtsfrage entnehmen wollte, ob der Einführer einer Ware von der zuständigen Zollbehörde dieselbe tarifliche Einreihung verlangen kann, wie sie in Bezug auf dieselbe Ware bei der Einfuhrabfertigung durch andere Zollstellen der Europäischen Union bzw. bei anderen Wirtschaftsteilnehmern erteilten vZTA vorgenommen worden ist, ließe sich diese Frage nur so beantworten, wie es das FG im Streitfall getan hat. Die für die Einfuhrabfertigung zuständige Zollstelle ist bei der Einreihung der Einfuhrware in die KN rechtlich nicht an die Tarifierung dieser Ware anlässlich anderer Einfuhrabfertigungen durch eine andere Zollstelle gebunden. Ebenso wenig ist sie an eine vZTA gebunden, die einem anderen Wirtschaftsteilnehmer für diese Ware erteilt worden ist. Letzteres ergibt sich ‑‑wie das FG zutreffend ausgeführt hat‑‑ klar und eindeutig aus Art. 12 Abs. 2 ZK sowie aus Art. 10 Abs. 1 der Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZKDVO).
Allgemeine Grundsätze des Unionsrechts stehen dem nicht entgegen. Anders als die Beschwerde meint, verbietet es der allgemeine Gleichheitssatz nicht, für gleiche Waren abweichende Einfuhrabgaben zu erheben. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) folgt aus dem Gleichheitssatz sowie aus dem Gebot der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts, dass die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinns und ihrer Tragweite nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Europäischen Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen (Urteile vom 29. Juli 2010 C-151/09 ‑‑UGT-FSP‑‑, Betriebs-Berater 2010, 2827; vom 21. Oktober 2010 C-467/08 ‑‑SGAE‑‑, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2010, 951, jeweils m.w.N.). Eine solche einheitliche Auslegung erhalten klärungsbedürftige Zolltariffragen entweder durch eine zolltarifliche Entscheidung des EuGH auf Vorlage eines nationalen Gerichts in einem bestimmten Streitfall oder ‑‑bei voneinander abweichenden vZTA für dieselbe Ware‑‑ durch eine Maßnahme der Kommission gemäß dem Verfahren nach Art. 9 ZKDVO, also in der Regel durch eine Einreihungsverordnung, deren Anwendbarkeit sich allerdings, soweit ihr keine Rückwirkung verliehen wurde, nicht auf frühere Einfuhren erstreckt (Senatsurteil vom 30. Juli 2003 VII R 40/01, BFH/NV 2004, 835, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern ‑‑ZfZ‑‑ 2004, 126).
Aus dem Gleichheitssatz folgt dagegen nicht die Verpflichtung der Zollbehörde, bei der tariflichen Einreihung einer bestimmten Ware die Tarifauffassung anderer Zollstellen ohne Rücksicht auf deren Richtigkeit zu übernehmen. Entscheidend ist vielmehr allein, welche zolltarifliche Einreihung die zutreffende ist. Erweist sich daher die Tarifierung einer bestimmten Ware durch eine Zollstelle als unzutreffend, kann in einem anderen Einfuhrfall der Einführer nicht unter Berufung auf den Gleichheitssatz von der für ihn zuständigen Zollbehörde verlangen, dass sie der Abfertigung dieselbe unzutreffende Tarifauffassung zugrunde legt. Wie der beschließende Senat wiederholt entschieden hat, kann ein rechtswidriges Verhalten einer für die Anwendung des Unionsrechts zuständigen Stelle kein berechtigtes Vertrauen des Betroffenen in eine unionsrechtswidrige Behandlung begründen (Senatsurteil vom 7. November 2002 VII R 49/01, BFHE 200, 453, ZfZ 2003, 89; Senatsbeschluss vom 23. August 2000 VII B 145, 146/00, BFH/NV 2001, 75, ZfZ 2001, 19, jeweils m.w.N.).
Für die zolltarifliche Frage des Streitfalls ist es daher allein entscheidend, ob die vom HZA für richtig gehaltene und vom FG bestätigte Einreihung der LCD-Projektoren in die Pos. 8528 KN zutreffend ist. Insoweit beschränkt sich die Beschwerde allerdings lediglich darauf, die Richtigkeit der vom FG bestätigten Tarifauffassung zu bestreiten, ohne sich mit den Gründen des angefochtenen FG-Urteils auseinanderzusetzen oder auch nur ansatzweise darzulegen, weshalb die zolltarifliche Frage in Anbetracht einer inzwischen erlassenen Einreihungsverordnung einer grundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf.
2. Der gerügte Verfahrensmangel ist nicht schlüssig dargelegt.
Zur Darlegung des Verfahrensmangels einer Verletzung der dem FG von Amts wegen obliegenden Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) gehören Angaben, welche Tatsachen das FG mit welchen Beweismitteln noch hätte aufklären sollen und weshalb sich dem FG eine Aufklärung unter Berücksichtigung seines ‑‑insoweit maßgeblichen‑‑ Rechtsstandpunkts hätte aufdrängen müssen, obwohl der Kläger selbst keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat; schließlich, welches genaue Ergebnis die Beweiserhebung hätte erwarten lassen und inwiefern dieses zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können (vgl. Senatsurteil vom 5. Oktober 1999 VII R 152/97, BFHE 191, 140, BStBl II 2000, 93). An solchen Darlegungen der Beschwerde fehlt es im Streitfall.
Anders als die Beschwerde meint, durfte das FG aufgrund seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) die anlässlich der Außenprüfung getroffenen Feststellungen des Prüfers zur Beschaffenheit der Einfuhrwaren seiner Entscheidung zugrunde legen, auch wenn das dem Prüfer seinerzeit vorliegende Prospektmaterial dem FG nicht mehr vorgelegt werden konnte. Das FG hat dies nachvollziehbar damit begründet, dass das Prospektmaterial damals auch von der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt Frankfurt am Main mit demselben Tarifierungsergebnis geprüft worden sei und es an gegenteiligem substantiierten Vortrag der Klägerseite fehle. Dass und welche anderen Beschaffenheitsmerkmale der Einfuhrwaren als die vom FG festgestellten sich aus dem Prospektmaterial ergeben hätten, lässt sich im Übrigen dem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen.