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Beschluss vom 09. März 2011, X B 57/10

Rentenbesteuerung gemäß § 22 EStG in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung

BFH X. Senat

EStG § 19, EStG § 22, GG Art 3 Abs 1, EStG § 19, EStG § 22

vorgehend FG Köln, 25. Februar 2010, Az: 15 K 3271/07

Leitsätze

NV: Die vom BVerfG im Urteil vom 6. März 2002 2 BvL 17/99 (BVerfGE 105, 73) ausgesprochene Weitergeltungsanordnung der steuerlichen Regelungen über die Behandlung der Alterseinkünfte in den Jahren vor 2005 erstreckt sich auch auf die steuerliche Behandlung der Alterseinkünfte früher selbständig tätiger Steuerpflichtiger .

Gründe

  1. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der angerufene Senat lässt dahingestellt, ob die Beschwerdebegründung der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht. Jedenfalls liegen die geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision nicht vor.

  2. 1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

  3. a) Grundsätzliche Bedeutung hat eine aufgeworfene Rechtsfrage nur dann, wenn sie klärungsbedürftig ist und die Klärung im allgemeinen Interesse liegt. Hieran fehlt es, wenn die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Norm im Streit steht, das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die zu beurteilende Norm als mit dem Grundgesetz (GG) für unvereinbar erklärt, aber deren Weitergeltung für einen Übergangszeitraum angeordnet hat. Denn in einem solchen Fall ist die vom BVerfG ausgesprochene Weitergeltungsanordnung für die Fachgerichte und damit auch für den Bundesfinanzhof (BFH) nach § 31 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht verbindlich (ständige BFH-Rechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 8. Mai 2003 IV R 95/99, BFH/NV 2003, 1054, und vom 23. Februar 2006 III B 44/05, BFH/NV 2006, 1297). Bei einer solchen Sachlage bedarf die Frage der Verfassungsmäßigkeit der zu beurteilenden Rechtsnorm nicht der (erneuten) Klärung.

  4. b) So ist es im Streitfall. Die Kläger machen geltend, die Besteuerung von Alterseinkünften in den Streitjahren 2000, 2001 und 2004 sei verfassungswidrig. Es liege insbesondere eine verbotene Doppelbesteuerung, ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG und eine Verletzung der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG vor. Die Kläger berücksichtigen nicht, dass das BVerfG durch Urteil vom 6. März 2002  2 BvL 17/99 (BVerfGE 105, 73) die unterschiedliche Besteuerung von Versorgungsbezügen der Ruhestandsbeamten einerseits und von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung andererseits zwar für verfassungswidrig erklärt hat. Zugleich hat das BVerfG aber im Tenor seiner Entscheidung (unter 2.) angeordnet, der Gesetzgeber sei verpflichtet, spätestens mit Wirkung zum 1. Januar 2005 eine Neuregelung zu treffen. Soweit § 19 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit dem GG unvereinbar ist, bleibt die Vorschrift bis zum Inkrafttreten der Neuregelung, längstens mit Wirkung bis zum 31. Dezember 2004, weiter anwendbar. Hierzu hat das BVerfG durch Beschluss vom 13. Februar 2008  2 BvR 1220/04, 2 BvR 410/05 (BVerfGE 120, 169) entschieden, dass nach dieser Weitergeltungsanordnung nicht lediglich Beamtenpensionäre die gleichheitswidrige Besteuerung ihrer Pensionen nach § 19 EStG bis zum 31. Dezember 2004 hinzunehmen haben. Vielmehr betreffe die Weitergeltungsanordnung die in einer Gesamtschau zu sehenden steuerlichen Regelungen über die Behandlung sämtlicher Altersvorsorgeaufwendungen einerseits und der gesamten Alterseinkünfte andererseits. Dementsprechend hat das BVerfG in seinem Beschluss in BVerfGE 120, 169 festgestellt, dass sich aus gleichheitsrechtlichen Gründen die im Urteil in BVerfGE 105, 73 ausgesprochene Weitergeltungsanordnung auch auf die steuerliche Behandlung der Alterseinkünfte der früher selbständig tätigen Steuerpflichtigen in den Jahren vor 2005 erstrecke. Dem ist der angerufene Senat in seinem Urteil vom 26. November 2008 X R 15/07 (BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, unter II.1.) gefolgt. Damit gilt die Weitergeltungsanordnung auch für die in den Jahren bis einschließlich 2004 bezogenen Alterseinkünfte des Klägers.

  5. c) Lediglich klarstellend weist der angerufene Senat darauf hin, dass entgegen der Annahme der Kläger der bis einschließlich 2004 geltenden gesetzlichen Konzeption nicht die Überlegung zugrunde liegt, geleistete Rentenbeiträge würden sich in Höhe des gesetzlich anzusetzenden Ertragsanteils verzinsen. Vielmehr bezieht sich ‑‑wie vom Finanzgericht (FG) zutreffend ausgeführt‑‑ der anzusetzende Rentenertrag auf das bei Rentenbeginn vorhandene abgezinste Rentenkapital (Rentenbarwert). Die Besteuerung der Renten basiert hierbei auf der fiktiven Annahme, dass dem Rentenberechtigten auf die Dauer der mittleren Lebenserwartung einer männlichen Person entsprechend dem Ertragsanteil insgesamt über den Rentenbarwert hinausgehende Renteneinnahmen zufließen werden. Hierbei kommt es angesichts der gesetzlich verbindlich festgelegten Ertragsanteils-Vomhundertsätze nicht auf die individuellen Verhältnisse des Rentenberechtigten und auch nicht auf das Vorhandensein neueren statistischen Materials an. Dass die Ertragsanteile nur in einem grob pauschalierten Verfahren festgelegt worden sind, hat das BVerfG nicht beanstandet (Beschluss vom 23. Oktober 1987  1 BvR 573/86, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1988, 649).

  6. 2. Die Revision ist auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zuzulassen. Das angefochtene Urteil des FG beruht nicht deshalb auf einem Verfahrensfehler, weil es dem klägerischen Antrag nicht gefolgt ist, ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, welche reale durchschnittliche Rendite eine gesetzliche Altersversorgung erbringe. Diesem Beweisantrag musste das FG deshalb nicht entsprechen, weil es ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt hierauf nicht ankam. Denn das FG hat sein Urteil u.a. zutreffend damit begründet, dass eine weitere verfassungsrechtliche Überprüfung der bis zum Jahr 2004 geltenden Besteuerung der Renteneinkünfte im Hinblick auf die Weitergeltungsanordnung des BVerfG nicht in Betracht komme. Auf die von den Klägern angestellten Renditeerwägungen kam es daher nicht an. Deshalb hat auch der angerufene Senat keinen Grund, dem Antrag der Kläger auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu entsprechen.

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