BFH VI. Senat
EStG § 9 Abs 1 S 1, FGO § 120 Abs 2 S 1
vorgehend Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern , 12. August 2009, Az: 2 K 166/06
Leitsätze
1. NV: Werbungskostenabzug setzt Belastung mit Aufwendung voraus .
2. NV: Führen ersparte Aufwendungen zu steuerpflichtigen Einnahmen, kommt ein fiktiver Werbungskostenabzug in Betracht .
Tatbestand
I. Der 1981 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr (2004) Soldat auf Zeit und bezog aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er war zum Wohnen in der Gemeinschaftsunterkunft in A und zur Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung verpflichtet. Nach Dienstschluss hatte er freien Ausgang. Ab 1. Juli 2004 bezog der Kläger eine Wohnung in B.
Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) versteuerte der Dienstherr des Klägers für die Bereitstellung der Gemeinschaftsunterkunft einen Sachbezug mit monatlich 43,50 € (Januar bis März des Streitjahres) bzw. 78,30 € (April bis Dezember des Streitjahres) "ohne Auswirkung auf die Höhe der Brutto- oder Nettogehaltszahlung".
Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von 3.480 € (232 Tage x 50 km x 0,30 €) als Werbungskosten geltend. Ferner begehrte er unter Hinweis auf die Anweisung in R 33 Abs. 4 Satz 2 der Lohnsteuer-Richtlinien 2002 (Amtliches Lohnsteuer-Handbuch 2004) die steuerliche Berücksichtigung der vom Arbeitgeber versteuerten Sachbezugswerte in Höhe von 836 € (43,50 € x 3 und 78,30 € x 9). Er machte insoweit geltend, dass er die Gemeinschaftsunterkunft nicht genutzt habe, sondern arbeitstäglich zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gependelt sei.
Im geänderten Einkommensteuerbescheid vom 15. Dezember 2005 ließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) nur die geltend gemachten Fahrtkosten zum Abzug als Werbungskosten zu. Den Abzug von Kosten in Höhe des Sachbezugswerts (836 €) lehnte das FA ab. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das FG wies die Klage als unbegründet zurück. Ein Werbungskostenabzug komme schon deshalb nicht in Betracht, weil dem Kläger im Zusammenhang mit der Bereitstellung der Gemeinschaftsunterkunft keine Ausgaben entstanden seien.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Nach Auffassung des Klägers kommt in Höhe des Sachbezugswerts ein Werbungskostenabzug gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Betracht. Maßgeblich sei, dass er verpflichtet gewesen sei, die Gemeinschaftsunterkunft in Anspruch zu nehmen, und sich so dem Sachbezug nicht habe entziehen können.
Mit Schriftsatz vom 19. Januar 2011 machte der Kläger geltend: Zwar habe er für die Gemeinschaftsunterkunft kein Entgelt leisten müssen, der steuerpflichtige Bruttolohn sei jedoch jeweils um den Sachbezug erhöht worden.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG Mecklenburg-Vorpommern vom 13. August 2009 2 K 166/06 und die Einspruchsentscheidung des FA vom 23. März 2006 aufzuheben und den angefochtenen Bescheid dahingehend zu ändern, dass zusätzliche Werbungskosten in Höhe von 836 € berücksichtigt werden oder von der Versteuerung eines geldwerten Vorteils in dieser Höhe abgesehen wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die versteuerten Sachbezüge nicht als Werbungskosten abziehbar sind.
1. Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben, wenn der Arbeitnehmer selbst keine Aufwendungen getragen hat. Werbungskostenabzug setzt eine Belastung mit Aufwendungen voraus (Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 8. Juli 2010 VI R 24/09, BFHE 230, 542). Im Streitfall war der Kläger hinsichtlich der Gemeinschaftsunterkunft nicht mit Kosten belastet, weil ihm diese unentgeltlich zur Verfügung stand.
2. Führen Zuwendungen des Arbeitgebers, durch die sich der Arbeitnehmer eigene Aufwendungen erspart, beim Arbeitnehmer zu steuerpflichtigen Einnahmen, können in Höhe der Zuwendungen abziehbare Werbungskosten vorliegen, wenn die Zahlungen durch den Arbeitnehmer zu abziehbaren Werbungskosten geführt hätten (Schmidt/Drenseck, EStG, 29. Aufl., § 9 Rz 3 und § 19 Rz 50, Stichwort Dienstwohnung; Kreft in Herrmann/Heuer/Raupach, § 9 EStG Rz 65). Der Senat kann offenlassen, ob der Übernahme der Unterkunftskosten im Streitfall Entlohnungscharakter zukommt und damit ein geldwerter Vorteil i.S. von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG anzunehmen ist (s. dazu BFH-Urteil vom 7. November 2006 VI R 70/02, BFH/NV 2007, 425; Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 9. Januar 1991 7 K 2745/89, Entscheidungen der Finanzgerichte 1992, 17). Jedenfalls ist nach den Feststellungen des FG ein solcher geldwerter Vorteil beim Kläger nicht angesetzt und von ihm auch nicht versteuert worden.
Daran ist der Senat gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Zwar enthält der Schriftsatz des Klägers vom 19. Januar 2011 eine gegenteilige, vom FA geteilte Sachdarstellung. Auch hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung insoweit eine Verfahrensrüge erhoben. Diese Rüge ist jedoch erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist des § 120 Abs. 2 Satz 1 FGO und damit verspätet erhoben worden. Verfahrensmängel können nur geprüft werden, wenn sie innerhalb der Revisionsbegründungsfrist schlüssig gerügt werden (BFH-Urteil vom 17. Dezember 2008 XI R 64/06, BFH/NV 2009, 798; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 120 Rz 66).
Bei dieser Rechtslage kommt es nicht mehr darauf an, ob der Kläger, hätte er Unterkunftskosten getragen, im Übrigen zum Werbungskostenabzug berechtigt gewesen wäre.