BFH III. Senat
FGO § 56
vorgehend Thüringer Finanzgericht , 29. April 2009, Az: II 534/06
Leitsätze
NV: Wird ein Wiedereinsetzungsantrag auf einen "Platten-Crash" der Computeranlage gestützt, kann Wiedereinsetzung nicht gewährt werden, wenn die Fristversäumnis ebenso auf einer fehlerhaften Berechnung der Beschwerdebegründungsfrist durch den Prozessbevollmächtigten beruhen kann .
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig und wird durch Beschluss verworfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat es unterlassen, die Beschwerde innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist des § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO zu begründen; die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO kann nicht gewährt werden.
a) Die fristgerecht eingelegte Beschwerde (§ 116 Abs. 2 Satz 1 FGO) wurde weder innerhalb der bis zum 28. Juli 2009 laufenden Begründungsfrist (§ 116 Abs. 3 Satz 1 FGO) begründet noch wurde innerhalb dieser Frist ein Fristverlängerungsantrag (§ 116 Abs. 3 Satz 4 FGO) gestellt. Der Schriftsatz mit der Beschwerdebegründung ging erst am 25. August 2009 beim Bundesfinanzhof (BFH) ein. Auf die Fristversäumung und die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde die Klägerin mit Schreiben der Vorsitzenden vom 11. August 2009, zugestellt am 13. August 2009, hingewiesen.
b) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, weil der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht ohne Verschulden verhindert war, die Begründungsfrist einzuhalten (§ 56 Abs. 1 FGO). Dieses Verschulden muss sich die Klägerin zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann bei der Beteiligung von rechtskundigen Prozessbevollmächtigten die Fristversäumung nur dann als entschuldigt angesehen werden, wenn sie durch die äußerste, den Umständen des Falles angemessene und vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhindert werden konnte (z.B. Senatsbeschluss vom 24. Januar 2005 III B 34/04, BFH/NV 2005, 720, m.w.N.). Das war hier nicht der Fall.
aa) Nach eigenem Vorbringen der Klägerin hat der Prozessbevollmächtigte die Beschwerdebegründungsfrist fehlerhaft berechnet. Unter diesen Umständen kann die Wiedereinsetzung nur gewährt werden, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Fristversäumung auf Ursachen beruht, die trotz dieses objektiven Fehlers nicht vom Prozessbevollmächtigten verschuldet sind. Im Zweifel ist eine Wiedereinsetzung zu versagen (vgl. BFH-Beschluss vom 15. Juli 2002 IV B 56/01, BFH/NV 2002, 1484). Außer Frage steht, dass ein beim Lesen der Rechtsmittelbelehrung erfolgender Fehler des Prozessbevollmächtigten grundsätzlich eine Wiedereinsetzung ausschließt. Dass der Lesefehler im Streitfall ausschließlich auf Ursachen beruhte, die dem Prozessbevollmächtigten nicht zum Verschulden gereichen, ist weder schlüssig vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Weitere Einzelheiten zu dem Lesefehler hat die Klägerin erst nach Ablauf der einmonatigen Antragsfrist (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO) ‑‑mit dem beim BFH am 23. Oktober 2009 eingegangenen Schriftsatz‑‑ vorgetragen. Selbst wenn man hierin eine zulässige bloße Vervollständigung ihres ursprünglichen Vorbringens sehen wollte, kann der beschließende Senat schon mangels Nennung des Zeitpunkts, wann der Lesefehler erfolgt sein soll, nicht überprüfen, ob die durch den "Platten-Crash" am 10./14. Juli 2009 ausgelöste psychische Belastung für den Lesefehler mit entscheidend war. Aber selbst wenn dies zutreffend sein sollte, ist mit Blick auf die lediglich behauptete Mitursächlichkeit der psychischen Belastung nicht ausgeschlossen, dass der Lesefehler auf anderen, vom Prozessbevollmächtigten verursachten Umständen beruhte. Außerdem wäre es angesichts der Bedeutung der Beschwerdebegründungsfrist nicht entschuldbar, wenn der Prozessbevollmächtigte seine Fristberechnung ‑‑gerade in einer Situation psychischer Belastung‑‑ nicht nochmals kontrolliert hätte.
bb) Der "Platten-Crash" der Computeranlage kann die erfolgte Fristversäumung ebenfalls nicht rechtfertigen. Es lässt sich schon nicht feststellen, dass der "Platten-Crash" ursächlich für die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist war. Nach dem Vorbringen der Klägerin ist es ebenso möglich, dass die Fristversäumung auf der fehlerhaften Fristberechnung (vgl. 1.b aa ) beruhte.
Aber selbst wenn man zugunsten der Klägerin eine korrekt vorgenommene Fristberechnung unterstellt und die erst nach Ablauf der einmonatigen Antragsfrist (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO) ‑‑mit dem beim BFH am 23. Oktober 2009 eingegangenen Schriftsatz‑‑ vorgetragenen weiteren Einzelheiten zum "Platten-Crash" als zulässige Ergänzung des ursprünglichen Vortrags werten will, liegt keine unverschuldete Fristversäumung vor.
Sollte die Klägerin mit ihrem Vorbringen meinen, dass es dem Prozessbevollmächtigten wegen des "Platten-Crashs" unmöglich war, die bereits vor dem "Platten-Crash" fertig gestellte Beschwerdebegründung rechtzeitig beim BFH einzureichen, scheitert die Wiedereinsetzung jedenfalls an dem fehlenden Vortrag, warum es dem Prozessbevollmächtigten bis zum Fristablauf nicht möglich war, ein anderes Schreibwerkzeug zu beschaffen (BFH-Beschluss vom 17. Juli 2006 VII B 291/05, BFH/NV 2006, 1876). Es bestand mit Blick auf den bereits am 10./14. Juli 2009 erfolgten Computer-Absturz noch ausreichend Zeit und unter normalen Umständen auch die Möglichkeit, die Beschwerdebegründung mittels eines anderen Schreibgeräts zu verfassen.
Sollte das Vorbringen der Klägerin hingegen dahingehend zu verstehen sein, dass es dem Prozessbevollmächtigten wegen des "Platten-Crashs" unmöglich war, eine Fristenkontrolle durchzuführen, liegt ebenfalls eine schuldhafte Fristversäumung vor. Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe müssen für eine zuverlässige Fristenkontrolle sorgen und die Organisation des Bürobetriebs so gestalten, dass Fristversäumnisse ausgeschlossen sind (ständige Rechtsprechung, BFH-Beschlüsse vom 8. November 2006 VII R 20/06, BFH/NV 2007, 469; vom 23. Oktober 2002 X B 56/02, BFH/NV 2003, 199, m.w.N.). Treten EDV-Probleme auf, erfordert daher eine ordnungsgemäße Büroorganisation, dass jedenfalls die Fristenkontrolle in einer Weise sichergestellt wird, dass sich die technischen Probleme hierauf nicht auswirken können (BFH-Urteil vom 22. September 2009 IX R 93/07, BFHE 226, 510). Hieran mangelte es im Streitfall; nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin wurde die Fristenkontrolle über den Computer verwaltet.