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Beschluss vom 25. Januar 2011, V B 144/09

Steuerbefreiung für ehrenamtliche Tätigkeiten - Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung

BFH V. Senat

FGO § 155 Abs 2 Nr 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 2, FGO § 116 Abs 1, FGO § 116 Abs 3, UStG § 4 Nr 26 Buchst b, BGB § 31a

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg , 27. Oktober 2009, Az: 1 K 1218/07

Leitsätze

NV: Die ehrenamtliche Tätigkeit im Sinne von § 4 Nr. 26 UStG erfordert den Einsatz für eine fremdnützig bestimmte Einrichtung. Darunter fallen nicht nur Einrichtungen, die gemeinnützige Zwecke verfolgen, sondern auch Selbsthilfeeinrichtungen im genossenschaftlichen Bereich sowie im Verbands- oder Vereinsbereich.

Gründe

  1. Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb durch Beschluss zu verwerfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) hat die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt.

  2. Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision u.a. zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

  3. 1. Mit der Rechtsfrage, ob die Vergütung für eine Vorstandstätigkeit beim Kreisbauernverband gemäß § 4 Nr. 26 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) als ehrenamtliche Tätigkeit von der Umsatzsteuer befreit ist, wird die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt.

  4. a) Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO erfordert substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich klärbar ist und deren Beurteilung zweifelhaft oder umstritten ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 14. September 2007 VIII B 20/07, BFH/NV 2008, 25, und vom 7. September 2006 IV B 13/05, BFH/NV 2007, 27). Daran fehlt es, wenn eine Rechtsfrage nur anhand von einzelfallbezogenen Umständen beantwortet werden kann (vgl. BFH-Beschlüsse vom 15. Februar 2006 I B 168/05, BFH/NV 2006, 1121; vom 27. März 2007 VIII B 152/05, BFH/NV 2007, 1335, und vom 27. Mai 2009 V B 8/08, nicht amtlich veröffentlicht).

  5. So liegen die Verhältnisse im Streitfall. Die vom FA aufgeworfene Rechtsfrage nach der Umsatzsteuerfreiheit einer Vorstandstätigkeit beim Kreisbauernverband lässt sich nur unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls beantworten. § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG sieht die Steuerfreiheit einer ehrenamtlichen Tätigkeit vor, wenn das Entgelt für diese Tätigkeit nur in Auslagenersatz und einer angemessenen Entschädigung für Zeitversäumnis besteht. Zu den ehrenamtlichen Tätigkeiten gehören alle Tätigkeiten, die in einem anderen Gesetz als dem UStG ausdrücklich als solche genannt werden, die man im allgemeinen Sprachgebrauch herkömmlicherweise als ehrenamtlich bezeichnet oder die vom materiellen Begriff der Ehrenamtlichkeit umfasst werden (vgl. BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 32/08, BFHE 227, 207, BStBl II 2010, 88, m.w.N.). Der materielle Begriff der Ehrenamtlichkeit setzt das Fehlen eines eigennützigen Erwerbsstrebens und die fehlende Hauptberuflichkeit des jeweils Tätigen sowie dessen Einsatz für eine fremdnützig bestimmte Einrichtung voraus. Letztgenanntes ist z.B. bei Tätigkeiten für Selbsthilfeeinrichtungen anzutreffen, wie etwa im genossenschaftlichen Bereich, oder auch im Verbandsbereich. Es ist daher nicht erforderlich, dass die Einrichtung gemeinnützige Zwecke i.S. der §§ 52 ff. der Abgabenordnung verfolgt (vgl. BFH-Urteil vom 4. Mai 1994 XI R 86/92, BFHE 174, 573, BStBl II 1994, 773). Dem entspricht, dass nach dem durch das Gesetz zur Begrenzung der Haftung von ehrenamtlich tätigen Vereinsvorständen eingefügten § 31a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGBl I 2009, 3161) eine ehrenamtliche Tätigkeit auch gegenüber Vereinen erbracht werden kann. Eine entgeltliche Vorstandstätigkeit wird danach ehrenamtlich erbracht, wenn die Vergütung 500 € jährlich nicht übersteigt. Dieses Gesetz ist zwar erst am 3. Oktober 2009 in Kraft getreten, die darin zum Ausdruck kommende Gleichstellung kann jedoch als Bestätigung dafür gelten, dass eine nur gering vergütete Vorstandstätigkeit für einen Verein im allgemeinen Sprachgebrauch als ehrenamtlich angesehen wird.

  6. b) Der Vortrag des FA, dass es in Deutschland etwa 500 Kreisbauernverbände gibt und eine Entscheidung des BFH eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle beträfe, ersetzt nicht die Darlegung einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage (vgl. BFH-Beschlüsse vom 18. Mai 2009 V B 6/08, BFH/NV 2009, 1473, und vom 24. April 2009 XI B 122/08, Zeitschrift für Steuern und Recht 2009, R578). Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache wird auch nicht mit dem Vorbringen dargelegt, der BFH habe über einen vergleichbaren Sachverhalt noch nicht entschieden (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2007, 1335, und in BFH/NV 2006, 1121).

  7. 2. Soweit das FA vorbringt, das Finanzgericht (FG) sei durch den Rechtssatz "Die Tätigkeit des Klägers für den KBV ist grundsätzlich geeignet, als ehrenamtliche Tätigkeit nach § 4 Nr. 26b UStG von der Umsatzsteuer befreit zu werden" von den BFH-Urteilen vom 16. Dezember 1987 X R 7/82 (BFHE 152, 182, BStBl II 1988, 384), in BFHE 174, 573, BStBl II 1994, 773 und vom 14. Mai 2008 XI R 70/07 (BFHE 221, 517, BStBl II 2008, 912) abgewichen, hat es damit keine Divergenz i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO dargelegt.

  8. a) Die Darlegung einer Divergenz erfordert, dass der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung andererseits herausarbeitet und einander gegenüberstellt, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (BFH-Beschlüsse vom 22. Juli 2008 II B 47/07, BFH/NV 2008, 1846, und vom 24. August 2006 V B 36/05, BFH/NV 2007, 69). Daran fehlt es vorliegend, denn das FA hat abstrakte Rechtssätze weder aus dem FG-Urteil noch aus den Entscheidungen herausgearbeitet, zu denen die Abweichung bestehen soll. Bei der vom FA angeführten Äußerung des FG handelt es sich um keinen abstrakten Rechtssatz, sondern um das Ergebnis einer rechtlichen Würdigung des Einzelfalls durch das FG.

  9. b) Indem das FA ausführt, das FG habe in seiner Entscheidung die Grundsätze der angeführten BFH- sowie der Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. April 2007 C-455/05, Velver & Steel Immobilien (Slg. 2007, I-3225) und vom 21. Juni 2007 C-453/05, Ludwig (Slg. 2007, I-5083) nicht angewandt, rügt es in der Art einer Revisionsbegründung die unzutreffende Rechtsanwendung durch das FG. Selbst wenn dem FG bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts Fehler unterlaufen sein sollten, rechtfertigt dies grundsätzlich nicht die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO (vgl. BFH-Beschlüsse vom 1. Juni 2010 V B 13/09, BFH/NV 2010, 2084; vom 14. Oktober 2009 IX B 105/09, BFH/NV 2010, 443, und in BFH/NV 2007, 69).

  10. c) Der vom FA gerügte Rechtsanwendungsfehler kann erst dann zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO führen, wenn er von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzeswidrigen Entscheidung ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 3. März 2010 VIII B 216/09, BFH/NV 2010, 1110; vom 8. Februar 2006 III B 128/04, BFH/NV 2006, 1116; vom 14. Februar 2002 VII B 141/01, BFH/NV 2002, 798). Eine Entscheidung ist nur dann (objektiv) willkürlich in diesem Sinne, wenn die fehlerhafte Rechtsanwendung bei verständiger Würdigung nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht (BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 1116). Greifbare Gesetzeswidrigkeit ist anzunehmen, wenn das Urteil jeglicher gesetzlicher Grundlage entbehrt oder auf einer offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widersprechenden Gesetzesauslegung beruht (BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 1116). Ein derartig schwerwiegender Rechtsanwendungsfehler ist weder in der Beschwerdebegründung dargelegt noch für das Gericht ersichtlich.

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