BFH V. Senat
FGO § 115 Abs 2 Nr 3, GmbHG § 39, GmbHG § 66, GmbHG § 70
vorgehend FG München, 23. September 2009, Az: 14 K 3423/06
Leitsätze
1. NV: Bei fehlerhafter Beurteilung der Sachurteilsvoraussetzungen (hier: Ablehnung der Prozessführungsbefugnis eines Liquidators) liegt ein Verfahrensfehler und nicht nur ein materiellrechtlicher Fehler vor.
2. NV: Die Eintragung der Geschäftsführungsbefugnis sowie der Übertragung von Gesellschaftsanteilen im Handelsregister (§ 39 GmbH) hat nur deklaratorische Wirkung.
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) hat die von B im Namen der A-GmbH in Liquidation (Klägerin und Beschwerdeführerin ‑‑Klägerin‑‑) erhobene Klage als unzulässig abgewiesen, weil der als Prozessbevollmächtigte aufgetretene Rechtsanwalt C zwar eine Prozessvollmacht des B vorgelegt habe, dieser aber nicht für die Klägerin vertretungsberechtigt gewesen sei. Vertretungsberechtigt für die Klägerin sei als Liquidatorin vielmehr Frau D gewesen, die nach dem Handelsregisterauszug seit dem 29. April 1999 Geschäftsführerin und nach Auflösung der GmbH am 13. Oktober 1999 zur Liquidatorin bestellt worden sei. Zwar habe B im finanzgerichtlichen Verfahren eine notarielle Urkunde vom 30. Mai 2000 vorgelegt, wonach Frau D die Geschäftführung niedergelegt und die Gesellschaftsanteile auf B übertragen habe, es verbleibe jedoch bei der Vertretungsbefugnis von Frau D, solange nicht andere Personen zum Liquidator "bestellt" worden seien.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑ (Revisionszulassung zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung), inhaltlich jedoch auf Verfahrensfehler gestützten Nichtzulassungsbeschwerde. Das FG habe zu Unrecht die Klage als unzulässig abgewiesen, weil E durch notariellen Vertrag vom 15. Mai 2000 sämtliche noch zu erwerbenden Gesellschaftsanteile an der Klägerin im Voraus an B abgetreten habe. Diese Vorausabtretung sei mit Übertragung der Gesellschaftsanteile von D an E mit notariellem Vertrag vom 30. Mai 2000 wirksam geworden, so dass B Alleingesellschafter geworden sei. B habe sich dann am 30. Mai 2000 zum Alleingeschäftsführer bestellt und habe daher Rechtsanwalt C wirksam mit der Klageerhebung mit Wirkung für die Klägerin bevollmächtigen können.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und Zurückverweisung zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 FGO).
1. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat die Beschwerde zwar ausdrücklich auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO (Divergenz) gestützt, in der Sache aber macht er Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) geltend. Da keine Bindung an den geltend gemachten Zulassungsgrund besteht, wenn der Beschwerdeführer sein tatsächliches Vorbringen einem Zulassungsgrund unzutreffend zuordnet, ist dies unschädlich (Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 5. November 2007 IV B 166/06, BFH/NV 2008, 248).
2. Das FG hat die Klage verfahrensfehlerhaft zu Unrecht als unzulässig mit der Begründung abgewiesen, der als Liquidator der Klägerin aufgetretene B sei nicht vertretungsbefugt gewesen, weil seit deren Auflösung am 13. Oktober 1999 Frau D als Liquidatorin im Handelsregister eingetragen sei und eine nach den Grundsätzen des BFH-Beschlusses vom 11. April 2001 I B 130/00 (BFH/NV 2001, 1284) erforderliche Änderung der Bestellung nicht vorliege. In einer unzutreffenden Abweisung einer Klage als unzulässig aufgrund einer fehlerhaften Beurteilung der Sachurteilsvoraussetzungen ‑‑hier: der fehlenden Prozessführungsbefugnis des B‑‑ liegt auch ein Verfahrensfehler und nicht nur ein materiell-rechtlicher Fehler (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10. Februar 2009 X B 211/08, BFH/NV 2009, 782, und vom 19. März 2002 IV B 112/01, BFH/NV 2002, 1042).
3. Die Klägerin hat schlüssig dargelegt, dass B im Zeitpunkt der Klageerhebung als Liquidator zur Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes C für eine Klageerhebung der Klägerin vertretungsbefugt war. Aus dem FG-Urteil ergibt sich, dass diesem der maßgebliche, zur Vertretungsbefugnis des B führende notarielle Vertrag vorgelegen hat.
Nach § 70 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) sind zur gerichtlichen Vertretung der aufgelösten Gesellschaft die Liquidatoren befugt. Liquidator ist der Geschäftsführer der GmbH, wenn die Liquidation nicht durch den Gesellschaftsvertrag oder durch Gesellschafterbeschluss anderen Personen übertragen wurde (§ 66 Abs. 1 GmbHG).
a) Geschäftsführer der Klägerin war ursprünglich entsprechend der Handelsregistereintragung vom 29. April 1999 Frau D. Laut Gesellschafterbeschluss der Klägerin vom 10. Juni 1999 wurde die Gesellschaft im Folgenden aufgelöst und die bisherige Geschäftsführerin Frau D von der Klägerin zur Liquidatorin bestellt (Eintragung der Bestellung im Handelsregister am 13. Oktober 1999).
b) Nach den von B für die Klägerin im gerichtlichen Verfahren dem FG vorgelegten notariellen Urkunden wurden jedoch im Folgenden sämtliche Geschäftsanteile dem B übertragen. Denn nach der notariellen Urkunde vom 30. Mai 2000 wurden sämtliche Gesellschaftsanteile der Klägerin von D an E übertragen, der seinerseits durch Vorausabtretung vom 15. Mai 2000 die noch zu erwerbenden Anteile an B übertrug. Die Abtretung von Geschäftsanteilen ist auch während der Liquidation zulässig (H. Winter/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 15 Rz 13). Nachdem Frau D mit notariellem Vertrag vom 30. Mai 2000 auch die Geschäftsführung ‑‑und damit auch ihr Liquidatorenamt‑‑ niedergelegt und B sich nach dem Erwerb sämtlicher Geschäftsanteile zum Alleingeschäftsführer bestellt hatte, war dieser nach § 66 Abs. 1, § 70 GmbHG als Liquidator zur gerichtlichen Vertretung der GmbH befugt.
c) Unerheblich ist, dass die Bestellung vom B zum Geschäftsführer sowie die Übertragung der Gesellschaftsanteile entgegen § 39 GmbHG nicht im Handelsregister eingetragen wurde, da die Eintragung im Handelsregister insoweit nur deklaratorisch und nicht konstitutiv ist (Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 6. März 2006 8 U 87/05, juris; zum Liquidator vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 1284; Schneider in Scholz, a.a.O., § 39 Rz 13). Unerheblich ist auch, dass die Übertragung der Gesellschaftsanteile von E an B vertraglich auf fünf Jahre ausgeschlossen war, da das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft von der dinglichen Übertragung zu unterscheiden ist (H. Winter/Seibt in Scholz, a.a.O., § 15 Rz 90).