BFH VII. Senat
FGO § 76 Abs 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 3, FGO § 116 Abs 3 S 3, StBerG § 39, StBerG § 157a Abs 1 S 3, StBerG § 158 Nr 1 Buchst a, StBDV § 4, GG Art 3 Abs 1, GG Art 12
vorgehend FG Düsseldorf, 17. November 2009, Az: 2 K 1819/09 StB
Leitsätze
1. NV: Die zu § 39 Abs. 2 StBerG ergangene Anwendungsregelung in § 157a Abs. 1 Satz 3 StBerG enthält eine verfassungsrechtlich zulässige unechte Rückwirkung. Betätigtes Vertrauen des Bürgers in den Forstbestand der Rechtslage wird zwar enttäuscht, einen ausnahmslosen oder nur grundsätzlichen Schutz gegen eine solche Enttäuschung gewährt das Rechtsstaatsprinzip jedoch nicht.
2. NV: Aus der nach Art. 12 GG garantierten Berufsfreiheit sowie dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) lässt sich nicht die Gebührenfreiheit der Steuerberaterprüfung ableiten.
3. NV: Beweisanträge, die durch keine greifbaren Anhaltspunkte gestützt werden (Beweisermittlung- oder Ausforschungsbeweisanträge), lösen keine Pflicht des FG zur Beweiserhebung aus.
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat mit Schreiben vom 26. März 2008 die Zulassung zur Steuerberaterprüfung 2008 beantragt. Nachdem der Kläger ‑‑entsprechend der Anforderung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzministerium ‑‑FinMin‑‑)‑‑ neben weiteren Unterlagen auch den amtlichen Vordruck gemäß § 4 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften (DVStB) Ende April 2008 eingereicht hatte, wurde er vom FinMin im Juni 2008 zur Steuerberaterprüfung 2008 zugelassen. Der Kläger, der in der Folge die Prüfungsgebühr in Höhe von 1.000 € überwiesen hat, ist im mündlichen Teil der Steuerberaterprüfung gescheitert.
Der Kläger hat Klage mit dem Ziel der Aufhebung der Anforderung der Prüfungsgebühr in Höhe von 500 € und der entsprechenden Erstattung erhoben. Er ist der Auffassung, die Gebühr sei gemäß § 164b des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) mit der Antragstellung am 26. März 2008 entstanden. Daher betrage die Gebühr lediglich 500 €, da das Achte Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes (8. StBerÄndG) ‑‑mit dem u.a. die Prüfungsgebühr für nach dem 31. Dezember 2007 beginnende Prüfungen von 500 € auf 1.000 € erhöht wurde‑‑ am 12. April 2008 und damit erst nach seinem Antrag (auf Zulassung zur Steuerberaterprüfung) vom 26. März 2008 in Kraft getreten sei. Im Übrigen entspreche die Gebühr in Höhe von 1.000 € nicht dem durch den Kläger veranlassten Kostenaufwand.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Sowohl die Übergangsregelung des § 157a Abs. 1 Satz 3 StBerG als auch die Höhe der Gebühr seien verfassungsgemäß. § 157a Abs. 1 Satz 3 StBerG führe zu einer verfassungsrechtlich zulässigen Rückwirkung, soweit Anträge auf Zulassung zur Prüfung nach § 39 Abs. 1 StBerG vor dem Inkrafttreten des 8. StBerÄndG gestellt worden seien. Ein besonderes schützenswertes Vertrauen der Bewerber, die vor Inkrafttreten des 8. StBerÄndG ihren Zulassungsantrag gestellt hätten, bestehe schon deshalb nicht, weil § 39 Abs. 2 StBerG dem Bewerber bis zu dem von der (damals) obersten Landesbehörde bestimmten Zeitpunkt die Möglichkeit gebe, durch Verzicht an der Teilnahme der Prüfung die Prüfungsgebühr zu vermeiden. Ferner verstoße die Gebührenverdoppelung durch das 8. StBerÄndG weder gegen die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) noch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, so dass sich der Kläger nicht darauf beschränken dürfe, die Angemessenheit der erhöhten Prüfungsgebühr ohne weitere Erläuterung zu bestreiten. Es sei nicht Aufgabe des FG, "ins Blaue hinein" Beweis zu den Kosten der Steuerberaterprüfung zu erheben.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde des Klägers.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde (§ 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑) hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.
1. Die Rechtssache hat nicht die ihr von der Beschwerde beigemessene grundsätzliche Bedeutung.
Einer Rechtsfrage kommt nur dann grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie klärungsbedürftig ist (vgl. Entscheidungen des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 16. Juli 1999 IX B 81/99, BFHE 189, 401, BStBl II 1999, 760, und vom 21. April 1999 I B 99/98, BFHE 188, 372, BStBl II 2000, 254, m.w.N.). An der zu fordernden Klärungsbedürftigkeit fehlt es jedoch, wenn sich die Beantwortung der Rechtsfrage ohne weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG in seiner Entscheidung getan hat, wenn die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. statt aller BFH-Beschluss vom 18. Dezember 1998 VI B 215/98, BFHE 187, 559, BStBl II 1999, 231). An diesen Voraussetzungen fehlt es im Streitfall.
a) Für grundsätzlich bedeutsam hält die Beschwerde zunächst die Frage, "ob die zu § 39 Abs. 2 StBerG ergangene Anwendungsregelung in § 157a Abs. 1 Satz 3 StBerG insoweit in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise zurückwirkt, als die Gesetzesänderung auch den Zeitraum vor Verkündung des Änderungsgesetzes mit einbezieht". Diese Frage ist indes zweifelsfrei zu verneinen. Die Verpflichtung des Klägers, die strittige Gebühr zu entrichten, war durch den ‑‑im Übrigen formunwirksamen Antrag (vgl. § 158 Nr. 1 Buchst. a StBerG i.V.m. § 4 DVStB)‑‑ des Klägers vom 26. März 2008 noch nicht endgültig entstanden; wie bereits das FG zutreffend dargelegt hat, konnte er vielmehr die Gebühr durch Nichtzahlung oder ausdrücklichen Rücktritt von der Prüfung vermeiden (§ 39 Abs. 2 Sätze 2 und 3 StBerG). Es handelt sich mithin im Streitfall nicht um den Fall einer ‑‑grundsätzlich unzulässigen‑‑ Rückwirkung von Rechtsfolgen, sondern allenfalls um eine sogenannte unechte Rückwirkung, bei der das bereits ‑‑mehr oder weniger weitgehend‑‑ betätigte Vertrauen des Bürgers in den Fortbestand der Rechtslage enttäuscht wird. Einen ausnahmslosen oder nur grundsätzlichen Schutz gegen eine solche Enttäuschung gewährt das Rechtsstaatsprinzip nicht. Es gewährt ihn im Streitfall schon deshalb nicht, weil die Höhe der Prüfungsgebühr für den Entschluss eines Bewerbers, sich auf die Steuerberaterprüfung vorzubereiten und zu dieser anzumelden, ersichtlich ohne maßgebliche Bedeutung ist.
b) Auch die von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam angesehene Frage, ob für die Steuerberaterprüfung eine Gebühr erhoben werden kann, erfüllt nicht den Revisionszulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Diese Frage ist nicht klärungsbedürftig. Aus der nach Art. 12 GG garantierten Berufsfreiheit sowie dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) lässt sich nicht die Gebührenfreiheit der Steuerberaterprüfung ableiten.
2. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) ist nicht schlüssig dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) durch den Vortrag des Klägers, wonach es im Hinblick auf die "Notwendigkeit der Aussetzung der Verhandlung" nach § 74 FGO "einer Klärung im Revisionsverfahren" bedürfe. Eine schlüssige Darlegung dieses Revisionszulassungsgrundes erfordert einen substantiierten Vortrag, aus dem ersichtlich wird, warum im Einzelnen die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Fall auch klärungsfähig ist (vgl. Senatsbeschluss vom 2. Dezember 2002 VII B 203/02, BFH/NV 2003, 527, m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht.
3. Ferner liegt kein Verfahrensfehler vor, der einen Revisionszulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO darstellt.
a) Soweit der Kläger die fehlende Beweiserhebung des FG zum Zustandekommen bzw. der Höhe der Prüfungsgebühr als eine Verletzung der dem FG nach § 76 Abs. 1 FGO obliegenden Sachaufklärungspflicht ansieht, genügen die in der Beschwerde vorgetragenen Ausführungen nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
Macht der Beschwerdeführer geltend, das FG habe seine ihm obliegende Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) verletzt, so ist er gehalten, u.a. substantiiert darzulegen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten, inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können und dass dieser Mangel in der mündlichen Verhandlung gerügt worden ist oder aus welchen Gründen eine solche Rüge nicht möglich war (vgl. BFH-Beschlüsse vom 22. April 2008 X B 67/07, BFH/NV 2008, 1346; vom 10. Oktober 2007 IV B 130, 131/06, BFH/NV 2008, 233).
Diesen Darlegungserfordernissen wird die Beschwerde nicht gerecht. Insbesondere legt die Beschwerde nicht dar, aus welchen Gründen sich dem FG eine weitere Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen hätte aufdrängen müssen und aus welchen Gründen es den Angaben des FinMin in Bezug auf die mit der Gebühr abgedeckten Kosten nicht hätte folgen dürfen.
Zwar hat der Gesetzgeber die Verdoppelung der Prüfungsgebühr lediglich damit begründet, dass die davor geltende Gebühr nicht kostendeckend war (BTDrucks 16/7077, Seite 29). Das FG hat aber in seiner Entscheidung darauf hingewiesen, dass die (seit dem Prüfungstermin 2008 auf 1.000 € verdoppelte) Prüfungsgebühr seit dem 01. Juli 1994 konstant 1.000 DM bzw. 500 € betragen habe, und dass einige Steuerberaterkammern von der Möglichkeit des § 39 Abs. 3 StBerG, höhere Prüfungsgebühren festzusetzen, Gebrauch gemacht hätten. Es kann auch keine Rede davon sein, dass nicht plausibel wäre, dass durch die Abnahme der Steuerberaterprüfung durchschnittliche Kosten von 1.000 € entstehen.
Dass das FG unter diesen Umständen keinen Beweis "ins Blaue hinein" zu den Kosten der Steuerberaterprüfung erhoben hat, ist nicht zu beanstanden (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Dezember 2001 VIII B 132/00, BFH/NV 2002, 661), zumal der Kläger auch keine hinreichenden Anhaltspunkte benannt hat, dass die (dem Grunde und der Höhe nach beanstandete) Gebühr ‑‑hinsichtlich deren Bemessung ein gesetzgeberischer Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum besteht (vgl. Senatsurteil vom 22. September 2009 VII R 4/07, BFHE 226, 559)‑‑ außer Verhältnis zu dem damit abgegoltenen Aufwand steht. Beweisanträge, die durch keine greifbaren Anhaltspunkte gestützt werden (Beweisermittlungs- oder Ausforschungsbeweisanträge), lösen keine Pflicht des Gerichts zur Beweiserhebung aus (vgl. Gräber/ Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 76 Rz 29).
b) Das FG hätte auch nicht ‑‑wie von der Beschwerde gerügt‑‑ die Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO anordnen müssen. Da es sich bei der Vorschrift des § 74 FGO um eine Ermessensvorschrift handelt, muss der Beschwerdeführer schlüssig dartun, weshalb das dem FG eingeräumte Ermessen im Streitfall auf Null reduziert gewesen sein soll und die Aussetzung des Verfahrens mithin aufgrund der besonderen Umstände des Falles die einzige richtige Entscheidung gewesen wäre (BFH-Beschluss vom 23. März 2006 V B 55/05, BFH/NV 2006, 1483) oder dass ein Ermessensfehlgebrauch vorliegt. Aus dem Vortrag des Klägers ergibt sich indes nicht einmal, dass oder inwiefern in dem angeführten Verfahren 2 BvL 58/06 (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ‑‑BVerfG‑‑ vom 7. Juli 2010, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2010, 1103) ‑‑dessen Streitgegenstand die Zulässigkeit der Rückwirkung der Fünftelregelung des § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402) war‑‑ die Aufstellung von Rechtssätzen durch das BVerfG zu erwarten gewesen wäre, die für die im Streitfall strittige Frage einer "rückwirkenden" Gebührenerhöhung Bedeutung haben könnten.