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Urteil vom 26. Oktober 2011, II R 27/10

Schwimmende Anlage bewertungsrechtlich kein Gebäude

BFH II. Senat

BewG § 68 Abs 1 Nr 1, BewG § 70 Abs 3

vorgehend FG Hamburg, 19. April 2010, Az: 3 K 18/10

Leitsätze

Eine auf dem Wasser schwimmende Anlage ist mangels fester Verbindung mit dem Grund und Boden und wegen fehlender Standfestigkeit bewertungsrechtlich kein Gebäude.

Tatbestand

I.

  1. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) hat auf einem im Randgebiet des Hamburger Hafens liegenden schiffbaren Kanal eine aus drei Schwimmkörpern ("Terrasse", "Lounge" und "Conference") und einem Pfahlbau ("Foyer") bestehende und als gastronomisches Event- und Konferenzzentrum genutzte Anlage errichtet. Für diese ca. 450 qm große Anlage ist der Klägerin durch die zuständige Wasserbehörde eine Sondernutzungsgenehmigung als sog. Lieger i.S. des § 2 Nr. 12 der Hamburger Hafenverkehrsordnung ‑‑HfVerkO HA‑‑ vom 12. Juli 1979 (HmbGVBl. 1979, 227) erteilt worden. Die Anlage ist durch bewegliche Versorgungsleitungen mit dem Festland verbunden.

  2. Der Pfahlbau, dessen Pfähle unter dem Wasser im Kanalgrund stehen, dient dem Hauptzugang zu den beiderseits liegenden Schwimmkörpern. Er ist überdacht und mit Wandkonstruktionen zur Kanalmitte sowie zur Eingangs- und Uferseite hin versehen und mit den Schwimmkörpern durch selbstnivellierende Treppenanlagen verbunden. Der Hauptzugang vom Kai zum Pfahlbau erfolgt über eine unbewegliche und fest montierte offene Brücke ("Gangway").

  3. Die beidseitig neben dem Pfahlbau liegenden Schwimmkörper "Lounge" und "Conference" sind Stahlbeton-Konstruktionen mit gedeckten Aufbauten; sie erhalten ihren Auftrieb durch nach unten zugängliche Rümpfe.

  4. Der Schwimmkörper "Terrasse" ist mit dem Schwimmkörper "Lounge" durch einen beweglichen Übergang und ferner mit dem Kanalufer durch eine bewegliche Gangway verbunden. Er ist ein Stahlponton mit nach innen geschlossenen Hohlräumen und auf seiner Oberseite als eine mit Windschutz und Geländer eingefasste Plattform gestaltet.

  5. Die Befestigung der Schwimmkörper erfolgt, zusätzlich zu derjenigen am Pfahlbau, durch weitere Befestigungen an sog. "Dalben" (d.h. in den Hafengrund eingerammten Pfählen) sowie durch Dalbenschlösser, so dass den Schwimmkörpern nur eine durch Wasserstand, Wellen, Gewichtsbelastung und Winddruck bedingte vertikale, nicht jedoch eine horizontale Positionsänderung möglich ist.

  6. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) stellte mit Bescheid vom 24. März 2009 den Einheitswert für die Anlage als Geschäftsgrundstück ‑‑Gebäude auf fremdem Grund und Boden‑‑ auf den 1. Januar 2009 auf 148.939 € fest, wobei es eine Wertzahl von 80 % für übrige Geschäftsgrundstücke/ Nachkriegsbauten zugrunde legte. Für den Pfahlbau ermittelte das FA einen Gebäudesachwert von 11.475 DM und den Wert der zum Pfahlbau führenden unbeweglichen Gangway mit 1.050 DM. Der Einspruch blieb erfolglos.

  7. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt, wobei es die Gebäudeeigenschaft lediglich für den Pfahlbau bejahte. Dessen Einheitswert minderte das FG entsprechend einer von den Beteiligten erzielten tatsächlichen Verständigung um einen zusammengefassten Abschlag von 30 %. Das FG bezog ferner als Außenanlage die zum Pfahlbau führende unbewegliche Gangway mit dem vom FA festgestellten Einheitswert ein und bestimmte für den Gesamtgebäudewert und den Gesamtwert der Außenanlage die Wertzahl von 70 % für Hotels. Den Schwimmkörpern fehle es hingegen an einer festen Verbindung mit dem Grund und Boden. Die Eigenschwere der Schwimmkörper werde nicht auf den darunter liegenden Grund und Boden abgeleitet; die Befestigung der Schwimmkörper betreffe nur die je nach Wind, Strom und Wellen zeitweise horizontal bzw. seitlich wirkenden Kräfte, während die Schwimmkörper vertikal mobil blieben. Aus den beweglichen Versorgungsleitungen ergebe sich keine feste Verbindung mit dem Grund und Boden. Auch eine jahrelange stationäre Nutzung lasse die Eigenschaft als Schwimmkörper unberührt. Zudem sei bei einer auf dem Wasser schwimmenden Anlage die für ein Gebäude erforderliche Standfestigkeit von vornherein nicht gegeben. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1289 veröffentlicht.

  8. Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 68 Abs. 1 Nr. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG). Die Anlage erfülle als sog. Lieger aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes sowie der äußeren und inneren Beschaffenheit und Ausgestaltung alle Merkmale eines Gebäudes. Die Anlage gewähre Menschen oder Sachen durch räumliche Umschließung Schutz gegen äußere Einflüsse, gestatte den nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen und sei von einiger Beständigkeit. Die Anlage sei aufgrund der Dalben und Dalbenschlösser auch mittelbar fest mit dem Grund und Boden verbunden. Eine noch festere Verbindung mit dem Grund und Boden sei unter den gegebenen Voraussetzungen mit der zur Bauzeit zur Verfügung stehenden Technik nicht möglich gewesen. Die Anlage sei entsprechend ihrer Konstruktion und der Beschaffenheit der Baumaterialien überdies von einiger Beständigkeit. Auch die Standfestigkeit sei gegeben, da die Konstruktion statische Anforderungen erfülle und Kippstabilität sowie einen hinreichenden Schutz gegen Tidenhub, Eis und Treibgut gewährleiste.

  9. Das FA beantragt, die Klage unter Aufhebung der Vorentscheidung ‑‑soweit nicht die Wertfeststellungen für den Pfahlbau sowie die zu ihm führende Gangway betroffen sind‑‑ abzuweisen.

  10. Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat zutreffend die Schwimmkörper mit den auf ihnen ruhenden Aufbauten nicht als der Einheitsbewertung unterliegende Gebäude beurteilt und demgemäß nicht in die wirtschaftliche Einheit des als Gebäude auf fremdem Grund und Boden zu behandelnden Pfahlbaus einbezogen.

  2. 1. Nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 BewG gehören zum Grundvermögen außer dem Grund und Boden auch die Gebäude, die sonstigen Bestandteile und das Zubehör. Gemäß § 70 Abs. 3 BewG gilt als Grundstück im Sinne des Bewertungsgesetzes auch ein Gebäude, das auf fremdem Grund und Boden errichtet oder in sonstigen Fällen einem anderen als dem Eigentümer des Grund und Bodens zuzurechnen ist, selbst wenn es wesentlicher Bestandteil des Grund und Bodens geworden ist.

  3. a) Bewertungsrechtlich ist ein Gebäude ein Bauwerk, das durch räumliche Umschließung Schutz gegen äußere Einflüsse gewährt, den nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen gestattet, fest mit dem Grund und Boden verbunden sowie von einiger Beständigkeit und standfest ist (Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 27. November 1991 II R 12/89, BFHE 166, 387, BStBl II 1992, 298; vom 25. April 1996 III R 47/93, BFHE 180, 506, BStBl II 1996, 613; vom 15. Juni 2005 II R 67/04, BFHE 210, 52, BStBl II 2005, 688; vom 9. Juli 2009 II R 7/08, BFH/NV 2009, 1609, ständige Rechtsprechung).

  4. b) Die feste Verbindung mit dem Boden ist zunächst dann gegeben, wenn einzelne oder durchgehende Fundamente vorhanden sind, das Bauwerk auf diese gegründet und dadurch mit dem Boden verankert ist (BFH-Urteil vom 10. Juni 1988 III R 65/84, BFHE 154, 143, BStBl II 1988, 847, m.w.N.). Befindet sich das Bauwerk auf einem Fundament, so ist es unerheblich, ob es mit diesem fest verbunden ist (vgl. BFH-Urteile vom 3. März 1954 II 44/53 U, BFHE 58, 575, BStBl III 1954, 130; vom 18. Juni 1986 II R 222/83, BFHE 147, 262, BStBl II 1986, 787, und in BFHE 154, 143, BStBl II 1988, 847). Für die Annahme eines Fundaments genügt jede gesonderte (eigene) Einrichtung, die eine feste Verbindung des aufstehenden "Bauwerks" mit dem Grund und Boden bewirkt (BFH-Urteil in BFHE 154, 143, BStBl II 1988, 847). Es reicht aus, wenn die feste Verbindung mit dem Grund und Boden durch eingerammte Holzpfähle hergestellt wird (BFH-Urteil vom 21. Februar 1973 II R 140/67, BFHE 109, 156, BStBl II 1973, 507).

  5. c) Ausnahmsweise liegt eine "feste Verbindung" auch vor, wenn das Bauwerk lediglich durch sein Eigengewicht auf dem Grundstück festgehalten wird, sofern nur dieses Eigengewicht einer Verankerung gleichwertig ist (BFH-Urteil vom 23. September 1988 III R 67/85, BFHE 155, 228, BStBl II 1989, 113 für einen auf lose verlegten Kanthölzern aufgestellten Container; BFH-Urteil vom 4. Oktober 1978 II R 15/77, BFHE 126, 481, BStBl II 1979, 190 für eine Fertiggarage aus Beton). Soweit die Rechtsprechung für die Gebäudeeigenschaft derartiger Bauwerke ergänzend auf deren individuelle Zweckbestimmung abstellt (z.B. BFH-Urteil in BFHE 180, 506, BStBl II 1996, 613 m.w.N.), setzt die Gebäudeeigenschaft jedoch unabdingbar voraus, dass das Gebäude kraft seiner Eigenschwere auf dem Grund und Boden ruht.

  6. 2. Nach diesen Grundsätzen erfüllt der ausschließlich auf Schwimmkörpern ruhende Teil der Anlage der Klägerin nicht die Merkmale eines Gebäudes.

  7. a) Einer auf dem Wasser schwimmenden Anlage fehlt die feste Verbindung mit dem Grund und Boden. Eine solche Anlage ist mit dem Boden weder durch ein Fundament oder Träger fest verbunden noch ruht sie kraft ihres Eigengewichts auf dem Grundstück und erfüllt daher nicht die Merkmale des Gebäudebegriffs (vgl. auch ‑‑zum grunderwerbsteuerrechtlichen Grundstücksbegriff‑‑ Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., § 2 Rz 28).

  8. aa) Entgegen der Auffassung des FA reicht es für die Gebäudeeigenschaft nicht aus, dass eine solche schwimmende Anlage aufgrund kraftschlüssiger Verbindungen durch Dalbenschlösser "mittelbar" fest mit dem Grund und Boden verbunden ist. Derartige Verbindungen vermitteln ‑‑lediglich‑‑ eine positionsgenaue horizontale "Ortsfestigkeit" der Anlage, weil die Bewegung des Wassers keine Veränderung des Standorts herbeiführen kann. Sie bewirken jedoch nicht, dass die Anlage kraft ihrer Eigenschwere auf dem Boden ruht. Hierbei sind die für das Fehlen einer unmittelbaren Verbindung mit dem Boden maßgebenden (technischen) Gründe unerheblich. Es kommt insbesondere nicht darauf an, dass ‑‑wie das FA vorträgt‑‑ eine noch festere Verbindung mit dem Grund und Boden mit der zur Bauzeit zur Verfügung stehenden Technik nicht möglich ist. Hiernach können weder die "gewisse Ortsfestigkeit" der Anlage noch ihr äußeres Erscheinungsbild und ihre äußere und innere Beschaffenheit und auch nicht ihre Nutzungsdauer, das Vorhandensein ortsfester Versorgungseinrichtungen (Strom, Wasser, Sielanschluss) sowie ihre bauordnungsrechtliche Behandlung je für sich allein oder in ihrer Zusammenschau eine bewertungsrechtliche Beurteilung als Gebäude begründen (a.A. Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 68 BewG Rz 66). Für den Gebäudebegriff ist es schließlich auch ohne Bedeutung, dass die Anlage gemäß § 2 Nr. 12 HfVerkO HA als sog. Lieger ‑‑mit Ausnahme des Falls der Überführung‑‑ nicht als Fahrzeug behandelt wird.

  9. bb) Auch dem Vorbringen des FA, die Gebäudeeigenschaft sei unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zu bejahen, kann nicht gefolgt werden. Aus Gründen der Rechtssicherheit und der für den Gebäudebegriff allein maßgebenden objektiven Merkmale kann ein Bauwerk, das nicht sämtliche Merkmale eines Gebäudes aufweist, nicht auf der Grundlage einer Verkehrsanschauung als Gebäude erfasst werden (BFH-Urteil vom 13. Juni 1969 III R 132/67, BFHE 96, 365, BStBl II 1969, 612; ebenso Gürsching/Stenger, a.a.O., § 68 Rz 27).

  10. b) Eine auf dem Wasser schwimmende Anlage erfüllt überdies nicht die Anforderungen der für ein Gebäude erforderlichen Standfestigkeit. Fehlt einem Bauwerk ‑‑wie hier‑‑ schon die feste Verbindung mit dem Grund und Boden, erfüllt es auch von vornherein nicht die Anforderungen der Standfestigkeit. Bei einem schwimmenden Bauwerk kann die Standfestigkeit bei einer fehlenden festen Verbindung mit dem Boden auch nicht durch eine Konstruktion bewirkt werden, die die Kippstabilität sowie einen hinreichenden Schutz gegen Tidenhub, Eis und Treibgut gewährleistet.

  11. 3. Die vom FG für die Einheitswertfeststellung vorgegebenen Werte für den ‑‑zutreffend‑‑ als Gebäude auf fremdem Grund und Boden (§ 70 Abs. 3 und § 94 BewG) behandelten Pfahlbau sowie für die zu ihm führende unbewegliche Gangway als Außenanlage hat das FA bei sachgerechter Auslegung seines Revisionsantrags nicht angegriffen. Dies gilt auch für die gemäß § 90 BewG anzuwendende Wertzahl von 70 %, deren Maßgeblichkeit -entsprechend der tatsächlichen Verständigung der Beteiligten- auf der Eigenschaft der fraglichen Anlage als Hotelbau beruht. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Einheitsbewertung des Grundvermögens (dazu BFH-Urteile vom 30. Juni 2010 II R 60/08, BFHE 230, 78, BStBl II 2010, 897; vom 30. Juni 2010 II R 12/09, BFHE 230, 93, BStBl II 2011, 48) stellt sich hier demgemäß nicht.

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