Zum Hauptinhalt springen Zur Hauptnavigation springen Zum Footer springen
auf der Richterbank liegen Barett und Arbeitsmappe, dahinter ein Richterstuhl, auf dem eine Robe hängt

Entscheidungen
des Bundesfinanzhofs

Entscheidungen online

Zur Hauptnavigation springen Zum Footer springen

Urteil vom 24. Mai 2011, VIII R 46/09

Entgeltlicher Erwerb "gebrauchter" Lebensversicherungen - Einkunftsermittlung bei Überschusseinkünften

BFH VIII. Senat

EStG § 20 Abs 1 Nr 6, HGB § 255 Abs 1, EStG § 9 Abs 1, EStG § 2 Abs 1 S 1 Nr 4, EStG § 2 Abs 1 S 1 Nr 5, EStG § 2 Abs 1 S 1 Nr 6, EStG § 2 Abs 1 S 1 Nr 7

vorgehend Hessisches Finanzgericht , 13. September 2009, Az: 4 K 1900/07

Leitsätze

1. Der vom Erwerber einer "gebrauchten" Kapitallebensversicherung gezahlte Kaufpreis stellt Anschaffungskosten i.S. des § 255 Abs. 1 HGB dar.

2. Die bis zum Erwerbszeitpunkt aufgelaufenen außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen sind weder negative Einnahmen aus Kapitalvermögen noch vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen.

Tatbestand

I.

  1. Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der beim Erwerb einer "gebrauchten" Lebensversicherung bislang aufgelaufene Zinsanteil im Veranlagungszeitraum des Erwerbs als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen oder Werbungskosten zu berücksichtigen ist.

  2. Die Steuerberater A und B gründeten 2005 die A und B GbR, die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), zum Erwerb einer "gebrauchten" Lebensversicherung. Mit Vertrag vom 21. Februar 2005 erwarb die Klägerin zu einem Kaufpreis von 30.000 € von D als Versicherungsnehmer zum 1. März 2005 die Rechte und Pflichten aus einer von diesem abgeschlossenen Kapitallebensversicherung. Bei der Versicherung handelt es sich um eine Kapitalversicherung auf den Todes- und Erlebensfall über eine Dauer von 32 Jahren; Beginn der Versicherung war der 1. Dezember 1985, das Ablaufdatum der Versicherung war der 30. November 2017. Die Versicherungssumme betrug 48.929,61 €, der Rückkaufswert belief sich zum 31. März 2005 auf 28.023,22 €.

  3. Zum Stichtag 1. März 2005 ermittelte die Versicherungsgesellschaft die rechnungsmäßigen Zinsen mit 4.311,58 € und die außerrechnungsmäßigen Zinsen mit 9.139,45 €, insgesamt 13.451,03 €. D übertrug zu diesem Termin auf die Klägerin alle bestehenden und künftigen Rechte, Ansprüche und Pflichten aus seinem Versicherungsverhältnis, insbesondere das Recht, Leistungen aus der Kapitallebensversicherung zu empfangen, sowie die Pflicht zur Beitragszahlung. Die Abtretung war versicherungsvertraglich zulässig und erfolgte im Einvernehmen mit der Versicherungsgesellschaft.

  4. In ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 2005 machte die Klägerin die bislang aufgelaufenen Zinsanteile von insgesamt 13.451,03 € als Werbungskosten bzw. negative Einnahmen aus Kapitalvermögen entsprechend § 20 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) erkannte mit Bescheid vom 23. Oktober 2006 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensbesteuerung 2005 den bislang aufgelaufenen Zinsanteil indes nicht als negative Einnahmen oder Werbungskosten aus Kapitalvermögen an.

  5. Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 14. September 2009  4 K 1900/07 ab.

  6. Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG i.d.F. des Alterseinkünftegesetzes ‑‑AltEinkG‑‑ vom 5. Juli 2004, BGBl I 2004, 1427, BStBl I 2004, 554, § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 3 EStG i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14. August 2007, BGBl I 2007, 1912, BStBl I 2007, 630 ‑‑EStG n.F.‑‑, § 255 des Handelsgesetzbuchs ‑‑HGB‑‑) und macht geltend, die Auffassung des FG führe zu einer konfiskatorischen Besteuerung. Zum Beispiel könne der Erwerb einer Lebensversicherung kurz vor Ablaufdatum bei längeren Laufzeiten zu einem Anteil der rechnungsmäßigen und außerrechnungsmäßigen Zinsen an der Gesamtleistung von 50 % und mehr führen. Tatsächlich mache der liquidierte Überschuss aus Kapitalabfluss bei Erwerb und Kapitalzufluss bei Ablauf dann in einem solchen Falle nur einen Bruchteil der Gesamtsumme aus rechnungsmäßigen und außerrechnungsmäßigen Zinsen aus. Die Vollversteuerung bei Ablauf würde nicht nur die realisierte Differenz zwischen Erwerb und Ablauf aufzehren, sondern darüber hinaus zusätzlichen Einsatz aus sonstigem Vermögen zur Bedienung von Steuern auf fiktive, nicht in der Person der Erwerber erzielte Einkommen bedingen.

  7. Die Klägerin beantragt,

    das Urteil des Hessischen FG vom 14. September 2009  4 K 1900/07 aufzuheben und den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensbesteuerung 2005 vom 23. Oktober 2006 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 18. Juni 2007 so zu ändern, dass negative Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 13.451,03 € angesetzt werden.

  8. Das FA beantragt,

    die Revision zurückzuweisen.

  9. Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

II.

  1. 1. Das Rubrum ist von Amts wegen dahingehend zu berichtigen, dass die A und B GbR als Klägerin anzusehen ist. Der angefochtene Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung 2005 war an die GbR und nicht an deren Gesellschafter gerichtet. Da auch der Einspruch für die GbR eingelegt worden ist, hat das FA seine Einspruchsentscheidung in der Angelegenheit der GbR erlassen. Demgemäß ist die Klage auch von der GbR als Klägerin erhoben worden.

  2. 2. Die Revision der Klägerin ist indes unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Rechtsfehlerfrei hat das FA den von der Klägerin geltend gemachten Betrag in Höhe von 13.451,03 € weder als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen berücksichtigt, sondern diesen als Teil der Anschaffungskosten beurteilt.

  3. a) Nach ständiger Rechtsprechung sind Werbungskosten ‑‑über den unmittelbaren Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG hinaus‑‑ alle Aufwendungen, die durch die Erzielung steuerpflichtiger und im Rahmen der Überschusseinkünfte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 4 bis 7 EStG) zu erfassender Einnahmen veranlasst sind, d.h. zu einer dieser Einkunftsarten in einem steuerrechtlich anzuerkennenden Zurechnungszusammenhang stehen. Ausschlaggebend dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die wertende Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen "auslösenden Moments", zum anderen die Zuweisung dieses maßgebenden Grundes zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre (vgl. Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817; Senatsurteil vom 20. Juni 2000 VIII R 37/99, BFH/NV 2000, 1342).

  4. aa) Unter Berücksichtigung dieser Zurechnungsgrundsätze gehören weder die durch die Veräußerung einer Kapitalanlage veranlassten Aufwendungen (sog. Veräußerungskosten) noch die für den Erwerb eines solchen Wirtschaftsguts anfallenden Anschaffungskosten oder Anschaffungsnebenkosten (vgl. dazu auch § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB) zu den Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen. Dies gilt nicht nur für den Fall der Anschaffung von Wertpapieren oder anderen Kapitalanlagen, sondern auch für Erwerbs- und Erwerbsnebenkosten im Zusammenhang mit dem Abschluss von Kapitallebensversicherungen (Senatsbeschlüsse vom 12. Oktober 2005 VIII B 38/04, BFH/NV 2006, 288; vom 6. November 2009 VIII B 186/09, BFH/NV 2010, 235, und vom 28. Oktober 2010 VIII B 90/10, BFH/NV 2011, 254).

  5. Diese Beurteilung folgt vor allem daraus, dass ‑‑abweichend von den Gewinneinkünften (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 EStG)‑‑ im Rahmen der Überschusseinkünfte sowohl positive als auch negative Wertveränderungen außer Betracht bleiben und dieser die Einkunftsermittlung systematisch tragende Grundsatz nur im Rahmen der allgemeinen Vorschriften über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG) sowie nach Maßgabe der Sonderregelungen in den §§ 17, 23 EStG und in § 21 des Umwandlungssteuergesetzes 2002 durchbrochen wird. Dies hat zur Folge, dass Aufwendungen, die ‑‑wie beispielsweise die Anschaffungskosten oder Anschaffungsnebenkosten einer Kapitalanlage, d.h. Aufwendungen für den Erwerb eines nicht abnutzbaren Wirtschaftsguts‑‑ die Vermögenssphäre betreffen, nicht als Werbungskosten gemäß § 9 EStG berücksichtigt werden können (vgl. zu allem Senatsurteile vom 17. April 1997 VIII R 47/95, BFHE 184, 275, BStBl II 1998, 102, m.w.N.; vom 30. Oktober 2001 VIII R 29/00, BFHE 197, 114, BStBl II 2006, 223, m.w.N.; vom 23. Februar 2000 VIII R 40/98, BFHE 192, 490, BStBl II 2001, 24; in BFH/NV 2000, 1342; Senatsbeschlüsse in BFH/NV 2006, 288; in BFH/NV 2010, 235, und in BFH/NV 2011, 254).

  6. bb) Aus der Neufassung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG durch das AltEinkG folgt insoweit nichts anderes. Die Neuregelung bezieht sich nur auf die von der Einordnung bestimmter Aufwendungen als Anschaffungs(neben)kosten oder Werbungskosten unabhängig vorzunehmende Ermittlung der aus den Versicherungen gezogenen Erträge (Senatsbeschluss in BFH/NV 2011, 254; FG Köln, Urteil vom 20. Januar 2010  7 K 3371/08, Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2010, 953; FG München, Urteil vom 14. März 2008  10 K 539/08, EFG 2008, 1376).

  7. cc) Nach der Vorschrift des § 255 Abs. 1 HGB, die im Steuerrecht entsprechend anzuwenden ist, gehören zu den Anschaffungskosten die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können, ferner die Nebenkosten und nachträglichen Anschaffungskosten. Ob ein Aufwand den Anschaffungskosten zuzurechnen ist oder, wie z.B. Verwaltungsgebühren, den sofort abziehbaren Werbungskosten (Senatsurteil vom 4. Mai 1993 VIII R 89/90, BFH/NV 1994, 225), bestimmt sich nicht nach der Bezeichnung des Entgelts durch die Vertragsparteien, sondern nach dem tatsächlichen wirtschaftlichen Gehalt der in Frage stehenden Leistung (Senatsurteil in BFHE 197, 114, BStBl II 2006, 223, m.w.N.; BFH-Urteil vom 16. September 2004 X R 19/03, BFHE 207, 528, BStBl II 2006, 238; zu Anschaffungsnebenkosten vgl. Schmidt/Glanegger, EStG, 28. Aufl., § 6 Rz 81, 84; Fischer in: Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 6 Rz 39; zur Unmaßgeblichkeit der rechtlichen Eigenqualifikation vgl. allgemein BFH-Urteile vom 14. Mai 1986 II R 22/84, BFHE 146, 480, BStBl II 1986, 620; vom 28. November 1990 X R 109/89, BFHE 163, 264, BStBl II 1991, 327).

  8. dd) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall stellt der gesamte von der Klägerin an D gezahlte Betrag von 30.000 € Anschaffungskosten i.S. des § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB, nicht aber Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG dar. Die Klägerin hat diesen Betrag an D entrichtet, um die Rechte und Pflichten des D aus dessen mit der X Lebensversicherung geschlossenen Lebensversicherungsvertrag zu erwerben. Das folgt nicht nur aus §§ 3 und 4 des zwischen der Klägerin und dem D geschlossenen Übertragungsvertrages, wonach D als Versicherungsnehmer sich mit Wirkung vom Stichtag 1. März 2005 an verpflichtete, sämtliche relevanten Rechte aus dem Versicherungsvertrag einschließlich der Versicherungspolice auf die Klägerin zu übertragen, sondern auch daraus, dass die Vertragsparteien das von der Klägerin zu zahlende Entgelt ausdrücklich als Kaufpreis bezeichnet haben.

  9. Dass sich der Kaufpreis rein rechnerisch aufteilen lässt in bis dahin aufgelaufene rechnungsmäßige und außerrechnungsmäßige Zinsen sowie einen auf das Versicherungsstammrecht entfallenden Betrag, ändert an der Beurteilung als Anschaffungskosten nichts, denn letztlich handelt es sich um einen einheitlichen Kaufvertrag, der es dem Erwerber ermöglichen soll, ab einem im Vertrag festgelegten Stichtag die Ansprüche des Veräußerers einschließlich der bis dahin aufgelaufenen (rechnungsmäßigen und außerrechnungsmäßigen) Zinsen zu erlangen. Diese Auffassung wird auch von der Finanzverwaltung geteilt (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen ‑‑BMF‑‑ vom 12. Dezember 2005 IV C 1 -S 2252- 337/05, BStBl I 2006, 92, Tz. 80; vgl. dazu auch BMF-Schreiben vom 22. August 2002 IV C 4 -S 2221- 211/02, BStBl I 2002, 827, Tz. 6; im Ergebnis ähnlich Lohr, Erwerb von "gebrauchten" Lebensversicherungen - Ein steuerlich sinnvolles Anlageobjekt?, Der Betrieb 2004, 2334; zur Besteuerung des Verkäufers einer gebrauchten Kapitallebensversicherung s. Christoph, Der Lebensversicherungs-Zweitmarkt - Eine Kurzbetrachtung aus versicherungsvertragsrechtlicher und steuerrechtlicher Sicht, Deutsche Richter-Zeitung 2008, 49).

  10. b) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist auch die Auffassung des FG, die im Zeitpunkt des Abschlusses des Übertragungsvertrages bereits entstandenen beziehungsweise von der Versicherungsgesellschaft bescheinigten rechnungsmäßigen und außerrechnungsmäßigen Zinsen in Höhe von 13.451,03 € könnten nicht ‑‑wie Stückzinsen‑‑ als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen im Veranlagungszeitraum 2005 Berücksichtigung finden. Zwar stellen Stückzinsen, die ein Erwerber festverzinslicher Wertpapiere zu entrichten hat, gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG i.d.F. des AltEinkG im Jahr der Zahlung vorab entstandene negative Einnahmen dar (Senatsurteil vom 27. Juli 1999 VIII R 36/98, BFHE 189, 408, BStBl II 1999, 769, m.w.N.; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 29. Aufl., § 20 Rz 176). Zu Recht weist das FG aber darauf hin, dass die Berücksichtigung der Stückzinsen beim Erwerber als vorab entstandene negative Einnahmen darauf beruht, dass der Veräußerer die Stückzinsen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG i.d.F. des AltEinkG als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern hat.

  11. Diese gesetzliche Grundentscheidung kann auf den Fall des Erwerbs einer Kapitallebensversicherung nicht übertragen werden. Zum einen unterliegen die im Übertragungszeitpunkt in der Person des Verkäufers bereits entstandenen und im Kaufpreis mit vergüteten rechnungsmäßigen und außerrechnungsmäßigen Zinsen auf Seiten des Erwerbers im Streitjahr nicht der Steuerpflicht; nämliches gilt für den Veräußerer, der lediglich ein nicht steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft vornimmt. Vielmehr muss allein der Erwerber die Zinsen im Zeitpunkt der Auszahlung der Versicherungssumme versteuern. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die außerrechnungsmäßigen Zinsen ‑‑anders als Stückzinsen beim Erwerber festverzinslicher Wertpapiere‑‑ keine von vornherein fest kalkulierbare Größe darstellen, da ungewiss ist, ob und in welcher Höhe diese bei einer späteren Auszahlung entstanden sein werden.

  12. c) Zutreffend geht das FG auch davon aus, dass eine analoge Anwendung der ab 1. Januar 2009 neu gefassten Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 3 EStG n.F. im Streitfall nicht in Betracht kommt. Danach treten bei entgeltlichem Erwerb des Anspruchs auf die Versicherungsleistung die Anschaffungskosten an die Stelle der vor dem Erwerb entrichteten Beiträge, so dass gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG n.F. nur der Unterschiedsbetrag zwischen der Versicherungsleistung und den Anschaffungskosten zu versteuern ist. Nach der Anwendungsregelung in § 52 Abs. 36 Satz 7 EStG findet § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG n.F. indes nur Anwendung auf Versicherungsleistungen im Erlebensfall bei Versicherungsverträgen, die ‑‑anders als im Streitfall‑‑ nach dem 31. Dezember 2004 abgeschlossen wurden. Dies gilt entsprechend für § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 3 EStG n.F. Eine planwidrige Gesetzeslücke, die Anlass für eine Analogie sein könnte, liegt danach nicht vor. Das gilt umso mehr, als der Gesetzgeber in der von ihm neu gefassten Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 3 EStG n.F. ausdrücklich von Anschaffungskosten und nicht von Werbungskosten oder negativen Einnahmen spricht.

  13. Auch eine extensive Auslegung der Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus kommt nicht in Betracht. Eine solche ist nicht zuletzt auch deshalb zu verneinen, weil der Gesetzgeber mit der Einführung der Abgeltungsteuer zum 1. Januar 2009 gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG n.F. den Gewinn aus der Veräußerung von Ansprüchen auf eine Versicherungsleistung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG n.F. den Einkünften aus Kapitalvermögen zurechnet. Dass diese Regelung nach dem Willen des Gesetzgebers gemäß § 52a Abs. 10 Satz 5 EStG n.F. grundsätzlich erstmals auf die Veräußerung von Ansprüchen nach dem 31. Dezember 2008 anzuwenden ist, bei denen der Versicherungsvertrag nach dem 31. Dezember 2004 abgeschlossen wurde, spricht dagegen, dass im hier streitigen Zeitraum eine planwidrige Gesetzeslücke gegeben ist, die Anlass für eine teleologische Extension der Vorschrift geben könnte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber jedenfalls für den hier maßgeblichen Zeitraum 2005 an der Grundkonzeption festhalten wollte, wonach die entgeltliche Veräußerung oder Abtretung von Ansprüchen aus Kapitallebensversicherungsverträgen für den Veräußerer keine Steuerpflicht auslösen sollte, der Erwerber hingegen in vollem Umfang der Steuerpflicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG i.d.F. des AltEinkG unterliegen sollte. Das kam für die Klägerin auch nicht überraschend, denn gemäß § 52 Abs. 36 Satz 5 EStG i.d.F. des AltEinkG war § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der am 31. Dezember 2004 geltenden Fassung für Kapitalerträge und Versicherungen, die vor dem 1. Januar 2005 abgeschlossen worden sind, weiterhin anzuwenden. Danach waren außerrechnungsmäßige und rechnungsmäßige Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind, grundsätzlich steuerpflichtig (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG). Die Ausnahmeregelung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 der Norm konnte schon deshalb nicht zum Tragen kommen, weil es sich im Streitfall um den entgeltlichen Erwerb von Ansprüchen aus einem von einer anderen Person abgeschlossenen Versicherungsvertrag gehandelt hat (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Satz 6 EStG). Wenn die Klägerin die damit verbundenen steuerlichen Konsequenzen bei Berechnung des an den Veräußerer der Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag zu entrichtenden Entgelts nicht ausreichend berücksichtigt hat, kann das keinen Verstoß gegen das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit begründen.

Seite drucken