BFH V. Senat
UStG § 1 Abs 1 Nr 1, UStG § 4 Nr 8 Buchst g, EWGRL 388/77 Art 2 Nr 1, EWGRL 388/77 Art 13 Teil B Buchst d Nr 2, HGB § 125, HGB § 128, HGB § 161, HGB § 170
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg , 05. Mai 2010, Az: 7 K 7183/06 B
Leitsätze
Die Festvergütung, die der geschäftsführungs- und vertretungsberechtigte Komplementär einer KG von dieser für seine Haftung nach §§ 161, 128 HGB erhält, ist als Entgelt für eine einheitliche Leistung, die Geschäftsführung, Vertretung und Haftung umfasst, umsatzsteuerpflichtig.
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war im Streitjahr 2004 als Komplementärin an mehreren Kommanditgesellschaften (KG) ohne Kapitaleinlage beteiligt. Nach den vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommenen Gesellschaftsverträgen der KG war die Klägerin jeweils "zur Vertretung und Geschäftsführung ... allein berechtigt und verpflichtet". Sie erhielt "für ihre unbeschränkte persönliche Haftung sowie für ihre Geschäftsführertätigkeit" jeweils eine Festvergütung (Festvergütung I). Einen weiteren Festbetrag, der sich nach der Höhe des Stammkapitals der Klägerin berechnete, erhielt die Klägerin "für die Übernahme der persönlichen Haftung" (Festvergütung II).
Abweichend hiervon sah ein Gesellschaftsvertrag vor, dass neben der Klägerin als Komplementärin auch einer der Kommanditisten "alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer" sein sollte. Auch bei dieser KG erhielt die Klägerin eine Festvergütung für "die Geschäftsführungstätigkeit und die Übernahme des Haftungsrisikos".
Die KGs behandelten in ihren Jahresabschlüssen die Festvergütung II als sonstigen betrieblichen Aufwand. Zur Wahrnehmung der Geschäftsführung sowohl für die KGs als auch für die eigene Geschäftsleitung bezog die Klägerin umsatzsteuerpflichtige Dienstleistungen. Ausweislich des Jahresabschlusses entstanden der Klägerin im Streitjahr Steuerberatungskosten in Höhe von 25.816,38 € und Aufwendungen für den Jahresabschluss in Höhe von 12.300 €.
Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) davon aus, dass es sich bei den Haftungsvergütungen (Festvergütung II) um Entgelte für steuerpflichtige Leistungen handele. Das FA erließ am 21. September 2005 einen entsprechend geänderten Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid IV/2004. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Im Einspruchsverfahren änderte das FA den angefochtenen Bescheid durch Bescheid vom 16. Februar 2006. Dabei behandelte das FA die Geschäftsführungsvergütungen im Hinblick auf ein Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 23. Dezember 2003 (BStBl I 2004, 240) teilweise als nicht steuerbar und kürzte die damit zusammenhängenden Vorsteuerbeträge.
Nach Erhebung der Klage zum FG reichte die Klägerin ihre Umsatzsteuererklärung 2004 ein, in der sie steuerpflichtige Umsätze zum Regelsteuersatz in Höhe von 323.518 €, nicht steuerbare Umsätze in Höhe von 182.984 € und Vorsteuern in Höhe von 54.097,43 € erklärte. Davon abweichend setzte das FA mit Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 17. Oktober 2007 die Umsatzsteuer auf 21.778,89 € fest, wobei es von steuerpflichtigen Umsätzen in Höhe von 474.227 € ausging. Die Jahresfestsetzung entsprach damit im Ergebnis den Festsetzungen im Voranmeldungsverfahren. Dieser Steuerbescheid wurde gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens.
Das FG gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1534 veröffentlichten Urteil statt. Die Klägerin sei als Unternehmer tätig gewesen; es habe keine Organschaft i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) bestanden. Persönliche Haftung und Geschäftsführung seien nicht Teil einer einheitlichen Leistung, da im Streitfall weder ein rechtlich zwingender noch ein enger funktioneller Zusammenhang zwischen den Geschäftsführungsleistungen und der Haftungsübernahme vorgelegen habe. Die Geschäftsführungsaufgaben hätten weitgehend von den KGs auch auf fremde Dritte oder einen Kommanditisten delegiert werden können. Das Einstehen für die Verbindlichkeiten der KGs unterscheide sich nach der Art der Tätigkeit von den mit der Geschäftsführung verbundenen Tätigkeiten. Dass im Streitfall entsprechend der gesetzlichen Regelung Geschäftsführung und Haftungsübernahme von ein und derselben juristischen Person übernommen worden seien, führe nicht zu einer einheitlichen Leistung. Im Übrigen komme der Vereinbarung eines Gesamtpreises keine entscheidende Bedeutung zu.
Die Übernahme des Haftungsrisikos durch die Klägerin gegenüber den KGs sei gegenüber der Geschäftsführung eine eigenständige Leistung und als solche steuerbar, da zwischen der Haftungsvergütung (Festvergütung II) und der Übernahme des Haftungsrisikos der erforderliche unmittelbare Zusammenhang bestehe. Die Übernahme des Haftungsrisikos sei aber nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfrei.
Hiergegen wendet sich die Revision des FA, mit der es Verletzung materiellen Rechts rügt. Entgegen dem FG-Urteil seien Geschäftsführung und Haftung Teil einer einheitlichen Leistung. Die Haftung sei Nebenleistung zur Geschäftsführung, da ein enger funktioneller Zusammenhang bestehe. Die Möglichkeit, die Bestandteile dieser Leistung am Markt getrennt anzubieten, sei ohne Bedeutung. Selbst wenn die Haftung Gegenstand einer eigenen Leistung sei, seien die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG nicht erfüllt.
Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Revision sei unbegründet. Haftungsübernahme einerseits und Geschäftsführung sowie Vertretung andererseits seien zwei eigenständige Leistungen. Wie sich aus § 125 des Handelsgesetzbuches (HGB) ergebe, hafteten Komplementäre auch dann, wenn sie von der Geschäftsführung ausgeschlossen seien. Aus den gesellschaftsrechtlichen Regelungen ergebe sich keine ausreichende Grundlage dafür, Haftung und organschaftliche Vertretungsmacht zu bündeln. Vertretung könne es nicht ohne gleichzeitige Geschäftsführung geben. Die Unterschiede zwischen Innen- und Außenverhältnis seien umsatzsteuerrechtlich ohne Bedeutung. Dass Leistungen einem einheitlichen wirtschaftlichen Ziel dienten, reiche für die Annahme einer einheitlichen Leistung nicht aus. Geschäftsführung nach dem Prinzip der Selbstorganschaft, das dem Schutz der Gesellschafter diene, und Haftungsübernahme seien kein einheitliches Ziel der Personengesellschaft. Es liege auch keine Haupt- und Nebenleistung vor. Die Haftungsübernahme sei als Übernahme einer anderen Sicherheit ebenso wie die Übernahme einer Bürgschaft gegen Avalprovision nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfrei. Auf die Rechtsprechung zur Verbindlichkeitsübernahme komme es im Streitfall nicht an. Die Haftung des Gesellschafters sei der Bürgenhaftung nachgebildet. Es liege das erforderliche Finanzgeschäft vor. Die Haftungsvergütung werde dem Gesellschafter für das Risiko eines Vermögensverlusts gezahlt und sei im Streitfall nach ihrem Stammkapital bemessen worden. Der Parallele zum sog. Avalkredit stehe nicht entgegen, dass die Haftung des Gesellschafters rechtlich nicht ausschließlich auf Geldschulden gerichtet sei, da die Haftung auf Erfüllung von anderen als Geldschulden davon abhänge, inwieweit im Rechtsverkehr eine persönliche Einstandspflicht des Komplementärs erwartet werde. Es reiche aus, dass es sich der Art nach um eine Finanzdienstleistung handele, wobei auf die objektive Natur des Umsatzes abzustellen sei. Darüber hinaus sei auch zweifelhaft, ob überhaupt eine steuerbare Leistung vorliege, da der Komplementär die ihn bereits aufgrund des Gesellschaftsvertrages treffende Haftung nicht nochmals als Leistung übernehmen könne. Weiter liege eine einmalige Handlung zur Begründung eines Dauerzustandes vor. Gegen das Vorliegen einer Leistung spreche auch, dass nur der Kommanditist von einem Einstehen für die gemeinsamen Verbindlichkeiten befreit werde. Im Übrigen fehle der unmittelbare Zusammenhang zwischen Haftung und Vergütung, da der Komplementär auch ohne Vereinbarung einer Vergütung haften müsse.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Die Leistungen der Klägerin sind auch insoweit steuerbar und steuerpflichtig, als das Entgelt hierfür in einer Festvergütung II bestand.
1. Die Klägerin hat für die KGs gegen gewinnunabhängige Festvergütungen steuerbare Leistungen erbracht.
a) Entgeltliche Leistungen sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar und unterliegen gemäß Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) dem Anwendungsbereich der Steuer, wenn zwischen dem Unternehmer und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, das einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt begründet, so dass das Entgelt als Gegenwert für die Leistung anzusehen ist (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 5. Dezember 2007 V R 60/05, BFHE 219, 455, BStBl II 2009, 486, unter II.1.a, m.w.N. zur Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ‑‑EuGH--- und des BFH).
Für die Frage, ob im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter entgeltliche Leistungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG vorliegen, gelten keine Besonderheiten. Das der Leistung zugrundeliegende Rechtsverhältnis kann sich auch aus gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen ergeben (BFH-Urteil in BFHE 219, 455, BStBl II 2009, 486, Leitsatz 1).
b) Die Klägerin erbrachte im Streitfall aufgrund der Gesellschaftsverträge entgeltliche Leistungen an die KGs, an denen sie beteiligt war. Nach den Gesellschaftsverträgen der KGs beschränkte sie sich nicht auf das Halten von Gesellschaftsanteilen, sondern erbrachte weitergehende Leistungen, die, wie z.B. die Geschäftsführung einer Personengesellschaft, sowie die Haftungsübernahme, Gegenstand eines Leistungsaustausches sein können und ‑‑wie im Streitfall‑‑ aufgrund der Vereinbarung von Festvergütungen steuerbar sind. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich das der entgeltlichen Leistung zugrundeliegende Rechtsverhältnis bereits aus dem Gesellschaftsvertrag und nicht aus einer daneben stehenden Leistungsübernahme.
Der Auffassung von Becker/Englisch (Umsatzsteuer-Rundschau ‑‑UR‑‑ 2009, 701 ff.), nach der die Geschäftsführung einer Personengesellschaft aus Gründen der Wettbewerbsneutralität ebenso wie "Maßnahmen der Unternehmensleitung" beim Einzelunternehmer nicht steuerbar seien, schließt sich der Senat nicht an. Insoweit fehlt es schon an der Vergleichbarkeit der Sachverhalte, denn bei Einzelunternehmern kann bereits aufgrund des Fehlens einer Leistung an eine andere Person sowie mangels Entgelts ein steuerbarer Leistungsaustausch nicht vorliegen. Für die Steuerbarkeit von Geschäftsführungsleistungen, die Gesellschafter an ihre Gesellschaft gegen Entgelt erbringen, spricht insbesondere das EuGH-Urteil vom 18. Oktober 2007 C-355/06, van der Steen (Slg. 2007, I-8863, BFH/NV 2008, Beilage 1, 48 Rdnrn. 21 bis 24). Danach handelt der geschäftsführende Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft nicht selbständig, wenn ihm ein festes Monatsgehalt sowie ein jährliches Urlaubsgeld gezahlt wird, von dem Gehalt Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge einbehalten werden, er nicht im eigenen Namen, für eigene Rechnung und auf eigene Verantwortung tätig ist, sondern auf Rechnung und Verantwortung der Gesellschaft und er auch kein wirtschaftliches Risiko trägt. Die Entscheidung ‑‑Nichtbesteuerung der Geschäftsführungsleistung‑‑ beruht daher auf der fehlenden Unternehmereigenschaft, nicht aber auf dem Fehlen eines steuerbaren Leistungsaustausches.
2. Bei den von der Klägerin gegenüber der jeweiligen KG erbrachten steuerbaren Leistungen, die gegen Festvergütung vereinbarte Geschäftsführung und Haftungsübernahme, handelte es sich um eine einheitliche Leistung.
a) Nach der Rechtsprechung des EuGH kann sich eine einheitliche Leistung nicht nur daraus ergeben, dass eine Leistung als Hauptleistung und andere Leistungen als Nebenleistungen zu beurteilen sind, sondern auch daraus, dass ‑‑wie im Streitfall‑‑ zwei oder mehr Handlungen oder Einzelleistungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung ‑‑aus der maßgeblichen Sicht eines Durchschnittsverbrauchers‑‑ wirklichkeitsfremd wäre (EuGH-Urteile vom 27. Oktober 2005 C-41/04, Levob Verzekeringen und OV Bank, Slg. 2005, I-9433 Rdnr. 22; vom 29. März 2007 C-111/05, Aktiebolaget NN, Slg. 2007, I-2697 Rdnr. 23, und vom 19. November 2009 C-461/08, Don Bosco, UR 2010, 25 Rdnr. 37). Einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre, bejaht der EuGH für den Erwerb
- einer Software, die in diesem Zustand für die wirtschaftliche Tätigkeit des Leistungsempfängers nutzlos ist und nachfolgende Anpassungen, die die Software erst nützlich werden lassen, wenn der wirtschaftliche Zweck darin besteht, eine speziell an die Bedürfnisse des Leistungsempfängers angepasste einsatzfähige Software zu erhalten (EuGH-Urteil Levob Verzekeringen und OV Bank in Slg. 2005, I-9433 Rdnr. 24),
- eines Glasfaserkabels und die mit der Verlegung dieses Kabels zusammenhängenden Dienstleistungen, die zur Veräußerung eines verlegten und funktionstüchtigen Kabels erforderlich und hiermit eng miteinander verbunden sind (EuGH-Urteil Aktiebolaget NN in Slg. 2007, I-2697 Rdnr. 25) und
- eines alten Gebäudes mit dem dazugehörigen Grund und Boden, der in diesem Zustand ohne jeden Nutzen für die wirtschaftliche Tätigkeit des Leistungsempfängers ist, und den Leistungen in Bezug auf den Abriss der Gebäude, die allein geeignet sind, dem Grundstück einen wirtschaftlichen Nutzen zu verleihen (EuGH-Urteil Don Bosco in UR 2010, 25 Rdnr. 38).
Dementsprechend kommt es für das Vorliegen einer einheitlichen Leistung entgegen der Auffassung der Klägerin nicht auf eine notwendig durch die Art der Leistung selbst bedingte rechtliche Verknüpfung an.
b) Danach sind im Streitfall Geschäftsführung, Vertretung und Haftung durch die Klägerin für die KGs eine einheitliche Leistung.
Die Klägerin hatte nach den Gesellschaftsverträgen als ‑‑jeweils einzige‑‑ Komplementärin und damit als persönlich haftende Gesellschafterin nach §§ 114, 125, 128, 161 Abs. 2 HGB die Geschäftsführung, Vertretung und persönliche Haftung für die KGs übernommen. Ein persönlich haftender Gesellschafter, der nach diesen Vorschriften entsprechend dem Regelstatut des HGB zur Geschäftsführung und Vertretung der KG berechtigt ist, muss für die Verbindlichkeiten der KG zwingend haften. Schon wegen dieser rechtlichen Abhängigkeit liegt nach der ‑‑allein maßgeblichen‑‑ objektiven Ausgestaltung des Gesellschaftsverhältnisses ein einziger untrennbarer wirtschaftlicher Vorgang vor, dessen Aufspaltung im Sinne der vorstehend wiedergegebenen EuGH-Rechtsprechung wirklichkeitsfremd wäre. Die Haftung ist insoweit rechtlich zwingend mit der Geschäftsführung und Vertretung verbunden, als bei Übernahme der Geschäftsführung die Haftung nicht abbedungen werden kann. Der Komplementär haftet dann zwingend für die sich aus der Geschäftsführung der Gesellschaft ergebenden Folgen.
Dass ein Komplementär nach § 114 Abs. 2 HGB und § 125 Abs. 1 HGB i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB von Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossen werden könnte und dann der eigenständigen Haftung gemäß § 128 HGB i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB unterliegt, ist demgegenüber im Streitfall unerheblich. Denn die bloße Möglichkeit einer isolierten Haftung sagt nichts darüber aus, ob bei Übernahme von Geschäftsführung, Vertretung und Haftung ein einheitlicher Vorgang oder mehrere selbständige Leistungsbeziehungen vorliegen.
Für die Auffassung, dass Vertretung, Haftung und Geschäftsführung im Streitfall eine einheitliche Leistung sind, spricht im Übrigen zusätzlich, dass die Klägerin die Festvergütung I bereits für Geschäftsführung und Haftung erhielt. Lag damit nach der vertraglichen Ausgestaltung eine Verbindung zwischen Geschäftsführung und Haftung vor, ist die nur für die Haftung vereinbarte Festvergütung II als zusätzliches Entgelt für die bereits durch die Festvergütung I entlohnte einheitliche Leistung anzusehen. Hinzu kommt, dass die Vertretung der Kommanditgesellschaft gegenüber Dritten lediglich der Durchführung der Geschäftsführung im Außenverhältnis dient und daher ‑‑worauf die Klägerin, wenn auch in anderem Zusammenhang, zu Recht hinweist‑‑ die Vertretung gegenüber Dritten zumindest umsatzsteuerrechtlich nicht eine von der Geschäftsführung zu unterscheidende Tätigkeit, sondern ein Teilbereich der Geschäftsführung ist, der das rechtsgeschäftliche Handeln nach außen umfasst (vgl. allgemein z.B. Habersack in Staub, HGB, 5. Aufl., § 125 Rz 3; Wirth in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, 3. Aufl., Bd. 2, § 9 Rz 1), weil eine Trennung wirklichkeitsfremd wäre, wenn Geschäftsführung und Vertretung in einer Hand liegen. Dass eine Trennung rechtlich möglich wäre, ist dagegen unerheblich.
3. Die einheitliche Leistung der Klägerin ist nicht nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfrei.
a) Steuerfrei ist nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG "die Übernahme von Verbindlichkeiten, von Bürgschaften und anderen Sicherheiten sowie die Vermittlung dieser Umsätze". Die Vorschrift beruht auf Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer "die Vermittlung und die Übernahme von Verbindlichkeiten, Bürgschaften und anderen Sicherheiten und Garantien sowie die Verwaltung von Kreditsicherheiten durch die Kreditgeber". Hierzu hat der EuGH mit Urteil vom 19. April 2007 C-455/05, Velvet & Steel Immobilien (Slg. 2007, I-3225 Rdnr. 26) entschieden, dass die "Übernahme von Verbindlichkeiten" andere als Geldverbindlichkeiten, wie die Verpflichtung, eine Immobilie zu renovieren, nicht umfasst. Der EuGH stützt dies maßgeblich auf den Charakter der Verbindlichkeitsübernahme als Finanzgeschäft, auf die fehlende Schwierigkeit bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage und auf andere Sprachfassungen der Richtlinie, die sich "klar auf Geldverbindlichkeiten beziehen" (EuGH-Urteil Velvet & Steel Immobilien in Slg. 2007, I-3225 Rdnrn. 23 f. und 18).
b) Diese Rechtsprechung ist nicht nur bei der Übernahme von Verbindlichkeiten, sondern auch bei der Übernahme von Bürgschaften und anderen Sicherheiten wie z.B. Garantien zu beachten, wie der BFH bereits ausdrücklich entschieden hat (BFH-Urteil vom 10. Februar 2010 XI R 49/07, BFHE 228, 456, BStBl II 2010, 1109, unter II.2.a). In allen drei Fällen muss der Leistung Finanzcharakter zukommen; dies trifft auf die Übernahme von Sachleistungsverpflichtungen nicht zu.
c) Danach sind die Leistungen der Klägerin nicht steuerfrei. Keines der einzelnen Elemente der von der Klägerin gegenüber den KGs erbrachten einheitlichen Leistung hat den Charakter eines Finanzgeschäfts. Dies gilt nicht nur für die Geschäftsführung und die Vertretung, sondern auch für die Haftung nach §§ 161, 128 HGB.
Denn nach der zu § 128 HGB ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) sind die "Verbindlichkeiten der Gesellschaft ... zugleich Schulden der Gesellschafter; Gesellschaft und Gesellschafter sind keine Gesamtschuldner, sondern es besteht nur eine einheitliche Verpflichtung und Schuld, für die zwei verschiedene Vermögensmassen haften; der Gesellschafter hat nicht nur für fremde Schuld einzustehen und nicht nur die Erfüllung durch die Gesellschaft zu erwirken, sondern jeder Gesellschafter ist zur persönlichen Erfüllung der Verbindlichkeit voll verpflichtet. ... Deshalb muss eine Gesellschaftsforderung in gleicher Weise gegen die persönlich haftenden Gesellschafter wie gegen die Gesellschaft durchsetzbar sein" (BGH-Urteil vom 16. Februar 1961 III ZR 71/60, BGHZ 34, 293, unter II.3.). Dementsprechend kann der persönlich haftende Gesellschafter z.B. auf Mängelbeseitigung in Anspruch genommen werden (BGH-Urteil vom 11. Dezember 1978 II ZR 235/77, BGHZ 73, 217, unter 2.). Ob im Einzelfall eine persönliche Inanspruchnahme an einem schutzwürdigen Interesse des Gesellschafters auf Freihaltung seiner Privatsphäre scheitert (BGH-Urteil in BGHZ 73, 217, unter 2.) ändert nichts an der grundsätzlich bestehenden Erfüllungspflicht. Dieser somit im Grundsatz ‑‑wenn auch nicht uneingeschränkt‑‑ geltenden Erfüllungstheorie hat sich das Schrifttum weitgehend angeschlossen (vgl. z.B. K. Schmidt, in Münchener Kommentar, HGB, 2. Aufl. 2006, § 128 Rz 24; ebenso Habersack, in Großkommentar HGB, § 128 Rz 27 ff.; Heymann/Emmerich, HGB, § 128, Rz 19 ff.).
Ist die Haftung nach der sog. Erfüllungstheorie bei Sachleistungsschulden der KG grundsätzlich auf Sachleistung durch den persönlich haftenden Gesellschafter gerichtet, fehlt auch der Haftung des Komplementärs der für die Steuerfreiheit erforderliche Finanzcharakter. Eine Differenzierung danach, ob für die KG überhaupt Sachleistungsschulden bestehen oder ob der Komplementär bei Bestehen einer Sachleistungsschuld der KG mit einer Inanspruchnahme auf Sachleistung oder auf bloße Schadensersatzzahlung zu rechnen hat, kommt nicht in Betracht. Denn für die Steuerfreiheit der Leistung sind die Verhältnisse bei Erbringung der Haftungsleistung unabhängig von der Art einer späteren Inanspruchnahme als Haftender maßgeblich.
4. Das Urteil des FG entspricht nicht diesen Grundsätzen und war aufzuheben, da es zu Unrecht von einer Steuerfreiheit der Leistung ausgegangen ist. Der Gegenauffassung im Schrifttum (Behrens/Schmitt, GmbH-Rundschau 2003, 269, 275; Herbert, in Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 4 Nr. 8 Rz 92; Korn/Strahl, Neue Wirtschafts-Briefe, Fach 7, 6021, 6027; Robisch, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 2002, 361, 362; Zugmaier, Deutsches Steuerrecht 2004, 124, 125, und Die Information über Steuer und Wirtschaft 2003, 309, 312) folgt der Senat aus den vorstehend genannten Gründen nicht.
5. Die Sache ist spruchreif. Die Klage war mangels Steuerfreiheit der durch die Klägerin erbrachten Leistung abzuweisen.