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Urteil vom 01. Dezember 2010, IV R 18/09

Keine Gewerbesteuerfreiheit eines nicht staatlichen Lotterieveranstalters - Doppelbelastung mit Lotterie- und Gewerbesteuer verfassungsrechtlich unbedenklich - staatliches Glücksspielmonopol mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit vereinbar - Niederlassungsfreiheit - Dienstleistungsfreiheit

BFH IV. Senat

GewStG § 3 Nr 1, GewStDV § 13, GG Art 2 Abs 1, GG Art 3 Abs 1, GG Art 12 Abs 1, GG Art 14, EG Art 49, EG Art 50

vorgehend FG Düsseldorf, 11. März 2009, Az: 14 K 5123/05 G

Leitsätze

1. Der private Veranstalter einer nicht genehmigten Lotterie kann weder die Gewerbesteuerfreiheit nach § 3 Nr. 1 GewStG in Anspruch nehmen noch ist er Einnehmer einer staatlichen Lotterie i.S. des § 13 GewStDV.

2. Gegen die hieraus folgende Doppelbelastung mit Lotterie- und Gewerbesteuer bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.  

Tatbestand

I.

  1. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb in den Streitjahren (2000 bis 2002) eine Lotto-Servicegesellschaft. Am 18. Februar 2000 firmierte die Klägerin zunächst als A-KG; im März 2000 übernahm sie ihren Geschäftsbetrieb von der B-KG. Ab dem 5. März 2001 firmierte die Klägerin als C-KG und ab dem 17. Oktober 2003 unter D-KG. Komplementärin der Klägerin ist die E B.V. mit Sitz in den Niederlanden. Alleinvertretungsberechtigter Direktor der Komplementärin ist X.

  2. Die Klägerin organisierte in den Streitjahren Spielgemeinschaften zur Teilnahme an den wöchentlichen Ausspielungen des deutschen Lotto- und Totoblocks mit von ihr entwickelten Systemreihen (Zahlenkombinationen), welche für die in Spielgemeinschaften verbundenen Mitspieler einzusetzen waren. Gemäß Ziff. 7 der Teilnahmebedingungen (allgemeine Geschäftsbedingungen) erteilten die Mitspieler der "Gesellschaft" (Klägerin) unter Befreiung von § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) Vollmacht, im Namen der Mitspieler Gesellschaftsverträge zur Gründung von BGB-Spielgemeinschaften, den Treuhandvertrag für die Spieler/die Spielgemeinschaften mit einem Treuhänder und einen Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen dem Spieler, den Spielgemeinschaften und sich selbst abzuschließen.

  3. Das Vertragsverhältnis mit dem Spieler wurde mit der Einzahlung des Spielbetrags auf ein Einzahlungskonto begründet. Nach § 2 Nr. 2 des Geschäftsbesorgungsvertrags waren die auf dem Einzahlungskonto eingehenden Beträge wie folgt zu verwenden:

    -

    44,8 % zur Vertragserfüllung an die Treuhandgesellschaft,

    -

    36,0 % für die Spielvermittlung an die "Gesellschaft" (Klägerin),

    -

    19,2 % für Serviceleistung und Konzeption der Spielmöglichkeit an die "Gesellschaft" (Klägerin).

  4. Gemäß Ziff. 8 der Teilnahmebedingungen beauftragten die Mitspieler einen von der "Gesellschaft" (Klägerin) bestellten Treuhänder im eigenen Namen, aber für Rechnung der Spielgemeinschaft, den Spielvertrag mit den Lottogesellschaften über deren Annahmestellen abzuschließen, die Lottoscheine in Verwahrung zu nehmen, etwaige Gewinne für die Spielgemeinschaft gegenüber der Lottogesellschaft geltend zu machen, diese entgegenzunehmen und einem Treuhandkonto zuzuführen, sowie die Gewinne schließlich an die Mitspieler auszuzahlen. Nach Ziff. 3 der Teilnahmebedingungen war die Klägerin für den Fall, dass nicht alle Anteile an einer Spielgemeinschaft an Mitspieler vergeben werden können, berechtigt, sich selbst an der Spielgemeinschaft zu beteiligen und/oder den bestellten Treuhänder anzuweisen, für diese Spielgemeinschaft keinen Spielvertrag mit den Lottogesellschaften abzuschließen. Für den zuletzt genannten Fall sollte der Mitspieler "auf andere Weise an Ersatz gelangen".

  5. Treuhänder war nach den Treuhandverträgen vom 24. Januar 2000 die F B.V. und vom 3. September 2001 bzw. 2. Juli 2002 die G B.V., jeweils mit Sitz in den Niederlanden. Die Treuhandgesellschaften wurden bei Abschluss der Treuhandverträge jeweils von X vertreten. In § 1 B und D der jeweiligen Treuhandverträge war geregelt, in den allgemeinen Geschäftsbedingungen sei vorgesehen, dass die Anteile der Spielgemeinschaften und das gezeichnete Spielentgelt der Spielgemeinschaften auf den Treuhänder zur Treuhandverwaltung für die Mitspieler und Spielgemeinschaften übertragen werden. In § 2 Satz 2 des Treuhandvertrags wurde festgelegt, dass die in der Anlage zum Vertrag beigefügten allgemeinen Geschäftsbedingungen Inhalt des Treuhandvertrags sind. Nach § 3 des Treuhandvertrags sollte der Treuhänder die Spielanteile jeder Spielgemeinschaft treuhänderisch verwalten, um die Rechte in Bezug auf das gemäß den allgemeinen Geschäftsbedingungen im Eigentum der Mitspieler stehende Vermögen zu sichern.

  6. Wie sich aus der vom Finanzgericht (FG) mit Beschluss vom 4. Mai 2009  14 K 5123/05 G erkannten Berichtigung des Tatbestands des hier angefochtenen Urteils ergibt, wurden nach den Angaben der Steuerfahndung für ca. 2 % der Einsätze der Mitspieler Lottoscheine abgegeben. Im Übrigen erhielten die Spieler anteilig in Höhe ihrer Quote Gewinne ausgezahlt, die angefallen wären, wenn mit den den Mitspielern vor den amtlichen Lottoziehungen mitgeteilten Zahlenkombinationen und Spielscheinnummern Verträge mit den staatlichen Lotterien zustande gekommen wären.

  7. Eine bei der Vorgängergesellschaft der Klägerin ab Januar 1999 durchgeführte Steuerfahndungsprüfung gelangte zu der Feststellung, dass jene Gesellschaft der Lotteriesteuer unterliege. Am 27. September 2001 erließ das Finanzamt A gegen jene Gesellschaft Lotteriesteuerbescheide. Gegen die Klägerin ergingen gleichfalls aufgrund der Feststellungen einer Steuerfahndungsprüfung am 10. Juli 2003 Bescheide über Lotteriesteuer in Höhe von ... € (1. März bis 31. Dezember 2000), ... € (1. Januar bis 31. Dezember 2001) und ... € (1. Januar bis 30. November 2002). Einspruch und Klage der Klägerin hatten keinen Erfolg. Die vom FG Köln gegen sein Urteil vom 16. November 2005  11 K 3095/04 zugelassene Revision wies der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 2. April 2008 II R 4/06 (BFHE 221, 256, BStBl II 2009, 735) als unbegründet zurück, u.a. mit der Begründung, die Klägerin habe eine der Lotteriesteuer unterliegende Lotterie veranstaltet.

  8. Auf der Grundlage der von der Klägerin abgegebenen Gewerbesteuererklärungen 2000 bis 2002 erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung ‑‑AO‑‑) stehende Gewerbesteuermessbescheide mit folgendem Inhalt:

  9.  

    Einkünfte aus Gewerbebetrieb

    Gewerbesteuermessbetrag

    2000

    ./. ... DM

    0 €

    2001

    ./. ... DM

    0 €

    2002

    ./. ... €

    0 €.

                     

  10. Im Rahmen einer bei der Vorgängergesellschaft ab August 2001 durchgeführten Steuerfahndungsprüfung sowie einer Anschlussprüfung bei der Klägerin u.a. wegen Gewinnfeststellung und Gewerbesteuer gelangte der Prüfer sowohl in seinem die Vorgängergesellschaft betreffenden Prüfungsbericht vom 20. November 2002 für die Jahre 1997 bis 1999 als auch in seinem die Klägerin betreffenden Bericht vom 6. April 2005 für die Jahre 2000 bis 2002 zu der Feststellung, dass in den Gewinnermittlungen von den Spielbeiträgen lediglich die Anteile für Spielvermittlung (36 %) und für Serviceleistungen und Konzeption (19,2 %), nicht aber der Spieleinsatz-Anteil in Höhe von 44,8 %, der nach dem Vertragswerk an den Treuhänder abzuführen war, als Betriebseinnahmen erfasst worden waren. Bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen ging der Prüfer gemäß Tz. 11 des Steuerfahndungsberichts vom 6. April 2005 davon aus, dass für tatsächlich abgegebene Lottoscheine ein Abschlag von 2 % zu gewähren sei, und nahm insoweit auf den Prüfungsbericht wegen Lotteriesteuer vom 23. Juni 2003 Bezug. Zusätzlich seien die Einnahmen zu erfassen, die mit tatsächlich abgegebenen Lottoscheinen in Zusammenhang stünden. Auf dieser Grundlage ermittelte der Prüfer unter Tz. 14 des Berichts folgende Einkünfte aus Gewerbebetrieb:

    ...

  11. Die Gesamtgewinne ermittelte der Prüfer mit ... DM (2000), ... DM (2001) und ... € (2002).

  12. Das FA erließ daraufhin am 25. Juli 2005 nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Gewerbesteuermessbescheide 2000 bis 2002, in denen es unter Berücksichtigung der Gesellschaftervergütungen die folgenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu Grunde legte:

  13.   

    Gesamtgewinn

    Gewerbesteuermessbetrag

    2000

    ... DM

    ... €

    2001

    ... DM

    ... €

    2002

    ... €

    ... €

                             

  14. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage sah das FG teilweise als begründet an. Zuvor hatte die Klägerin eine berichtigte Gewerbesteuererklärung 2002 vom 8. März 2007 eingereicht, in der lediglich noch ein Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von ... € ausgewiesen war. Nach der Gewinn- und Verlustrechnung 2002 betrugen die Umsatzerlöse Januar bis Dezember 2002 unverändert ... €. Das FG änderte die angefochtenen Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag 2000 bis 2002, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. November 2005, dahin ab, dass der Gewerbesteuermessbetrag für das Jahr 2000 auf ... €, für das Jahr 2001 ... € und für das Jahr 2002 auf ... € festgesetzt wird; im Übrigen wies es die Klage ab.

  15. Das FG vertrat in seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1854 veröffentlichten Entscheidung u.a. die Ansicht, dass die Klägerin nicht von der Gewerbesteuer befreit sei und die Spieleinsatz-Anteile unter keinem rechtlichen Aspekt gewinnneutral zu behandeln seien.

  16. Eine grundsätzliche Gewerbesteuerbefreiung der Klägerin bestehe nicht. Die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen des § 13 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV). Nach dieser Vorschrift unterliege die Tätigkeit der Einnehmer einer staatlichen Lotterie auch dann nicht der Gewerbesteuer, wenn sie im Rahmen eines Gewerbebetriebs ausgeübt werde. Die Klägerin sei jedoch keine Einnehmerin, denn ihre Tätigkeit habe nicht bloß ein Vermitteln von Lotterieverträgen zum Gegenstand. Auch betreibe sie keine von der Gewerbesteuer gemäß § 3 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) befreite staatliche Lotterie. Dabei verstoße der Ausschluss anderer als staatlicher Lotterien und weiterer Personen als den Einnehmern einer staatlichen Lotterie von der Gewerbesteuerbefreiung nicht gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Denn die steuerliche Privilegierung staatlicher Lotterien und ihrer Einnehmer sei dadurch gerechtfertigt, dass der Veranstalter einer inländischen öffentlichen Lotterie der Lotteriesteuer unterliege. Zwar trage der dem zugrunde liegende Belastungsvergleich bei der Klägerin nicht, weil diese nach dem BFH-Urteil in BFHE 221, 256, BStBl II 2009, 735 lotteriesteuerpflichtig sei. Die damit verbundene steuerliche Doppelbelastung könne jedoch nur eintreten, wenn unter Umgehung des staatlichen Glücksspielmonopols eine lotteriesteuerpflichtige Tätigkeit ohne öffentlich-rechtliche Genehmigung ausgeübt werde. In diesem Fall sei eine Ungleichbehandlung im Hinblick auf das grundsätzlich ‑‑d.h. soweit es zum Schutz der Verbraucher ausgestaltet sei und der Sozialordnung diene‑‑ zulässige staatliche Glücksspielmonopol mit dem Willkürverbot vereinbar.

  17. Die Spieleinsatz-Anteile seien nicht deshalb gewinnneutral zu behandeln, weil es sich um den Mitspielern als Treugeber zuzurechnende Wirtschaftsgüter handele (§§ 39 Abs. 2, 159 AO). Nach den vorliegenden Treuhandverträgen sei die Klägerin nicht als Treuhänder aufgetreten. Auch im Rahmen des Geschäftsbesorgungsvertrags sei kein Treuhandverhältnis mit den Mitspielern vereinbart worden. Gegen ein Treuhandverhältnis spreche, dass der Spieleinsatz-Anteil zusammen mit den Service-Anteilen auf Konten der Klägerin vereinnahmt worden sei und es deshalb an einer Trennung von Treugut und Eigenvermögen fehle. Diese "Vermischung" bei der Klägerin werde auch nicht dadurch beseitigt, dass der Spieleinsatz-Anteil nach Weiterleitung zumindest zunächst als gesondertes Vermögen der niederländischen Treuhandgesellschaften erschienen sei. Auch habe der Mitspieler nach Leistung seines Einsatzes weder Einfluss auf das weitere Geschehen noch einen Rückzahlungsanspruch gehabt. Damit sei die für ein Treuhandverhältnis wesentliche Verpflichtung des Treuhänders zur jederzeitigen Rückgabe des Treuguts nicht erfüllt. Auch seien die Spieleinsatz-Anteile weder "durchlaufende Posten" noch Betriebsausgaben i.S. von § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Zwar habe die Klägerin den tatsächlichen Abfluss der Spieleinsatz-Anteile an den Treuhänder im Klageverfahren nachgewiesen. Es fehle jedoch an der betrieblichen Veranlassung des Abflusses. Die Klägerin habe unstreitig bei ca. 98 % der Spieleinsatz-Anteile den Treuhänder angewiesen, keine Lottoscheine zu erwerben; die Spieler hätten in anderer Weise Ersatz erhalten sollen. Eine entsprechende Verpflichtung gegenüber den Mitspielern habe nur im Fall des tatsächlichen Erwerbs von Lottoscheinen beim Treuhänder gelegen. Auch habe die Klägerin keinen Freistellungsanspruch gegenüber dem Treuhänder. Aufgrund fehlender vertraglicher Regelungen sei den Treuhändern freigestellt gewesen, wie sie mit den erhaltenen Geldern weiter verfahren. All dies schließe eine betriebliche Veranlassung der Abführung der Spieleinsatz-Anteile aus. Insoweit komme auch nicht die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten gegenüber dem Treuhänder wegen der Erfüllung von Ersatzansprüchen der Mitspieler in Betracht. Der hinsichtlich tatsächlich gespielter Lottoscheine vom FA anerkannte Betriebsausgabenabzug sei auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Gewinn mindernd zu berücksichtigen seien Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten in Form von Lotteriesteuer für alle drei Streitjahre. Hinsichtlich der Gewerbesteuer kämen solche Rückstellungen nur zum 31. Dezember 2001 und 31. Dezember 2002 in Betracht. Auf den 31. Dezember 2000 sei keine Gewerbesteuer-Rückstellung zu bilden, weil sich die im Jahr 2000 laufende Fahndungsprüfung nur auf Lotteriesteuer bezogen habe und daher nicht die Grundlage für die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Gewerbesteuernachforderung liefere.

  18. Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts und trägt im Wesentlichen vor: Sie könne sich auf den Rechtsgedanken des § 13 GewStDV und die Gewerbesteuerfreiheit von staatlichen Lotterieunternehmen berufen, denn sie übe eine vergleichbare Tätigkeit aus. Zwar sei sie nicht als Einnehmerin für eine staatliche Lotterie tätig; sie vermittele jedoch die Teilnahme an Ziehungen des staatlichen Lottoblocks. Soweit sie ‑‑die Klägerin‑‑ in Spielgemeinschaften eigene Anteile gehalten und entsprechend mitgespielt habe, sei dies ‑‑wie sich aus dem BFH-Urteil vom 25. März 1976 IV R 205/75 (BFHE 119, 76, BStBl II 1976, 576) ergebe‑‑ für die Befreiung unschädlich.

  19. Das FG habe aber auch zu Unrecht das Vorliegen eines Treuhandverhältnisses verneint. Sie ‑‑die Klägerin‑‑ habe im Auftrag der Mitspieler den eingezahlten Betrag in eine Treugutkomponente und die Vergütungskomponenten "entmischt". Auch sei eine Treuhandschaft im Streitfall nicht deshalb ausgeschlossen, weil kein Rückforderungsrecht des Treugebers bestehe, denn die jederzeitige Rückgabe des Treuguts entspreche nur dem Wesen einer Verwaltungstreuhand, nicht dem einer Verwendungstreuhand, die den Treuhänder nur zur bestimmungsgemäßen Verwendung der anvertrauten Mittel verpflichte. Zumindest stellten die weitergeleiteten Beträge Betriebsausgaben dar. Das Vertragswerk habe auch bei Nichtzustandekommen einer Spielgemeinschaft (Schadens-)Ersatzansprüche der Teilnehmer vorgesehen; es komme nicht darauf an, ob die Klägerin insoweit einen vertraglichen Freistellungsanspruch gegen den Treuhänder habe. Die Personenidentität auf der Ebene der vertretungsberechtigten Organe stehe einem Betriebsausgabenabzug nicht entgegen.

  20. Die Klägerin beantragt, das vorinstanzliche Urteil und die geänderten Gewerbesteuermessbescheide 2000 bis 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. November 2005 aufzuheben.

  21. Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

  22. Es trägt im Wesentlichen vor, dass es sich bei den streitbefangenen Beträgen um Ausgaben für betriebsfremde Zwecke, also um Entnahmen, handele. Eine betriebliche Veranlassung, den Anteil von 44,8 % der Spieleinnahmen an den Treuhänder weiterzuleiten, ergebe sich auch nicht aus der Ersatzverpflichtung im Fall des Nichterwerbs von Lottoscheinen, denn den Treuhänder treffe nach dem Vertragswerk keine entsprechende Verpflichtung. Ausgehend von der faktischen Handhabung seien nur Überweisungen in Höhe von 2 % der Gesamteinnahmen nötig gewesen. Die Klägerin habe ‑‑obwohl sie insoweit die Feststellungslast treffe‑‑ Angaben dazu verweigert, welcher Anteil der 44,8 % für die Auszahlung von Gewinnen verwendet worden sei. Auch sei ein Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige davon Kenntnis habe, dass der Zahlungsempfänger vom Betriebszweck abweiche; der X habe als Geschäftsführer der Klägerin von der Nichteinhaltung des Vertragswerks durch den Treuhänder gewusst. Ein steuerlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis liege schon deshalb nicht vor, weil es im Innenverhältnis an einer Treuhand konstituierenden Weisungsbefugnis der Treugeber mangele.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil der Vorinstanz ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).

  2. 1. Dass die Klägerin einen der Gewerbesteuer unterliegenden Gewerbebetrieb betrieben hat (§ 2 Abs. 1 GewStG), hat auch die Klägerin, die für die Streitjahre Gewerbesteuererklärungen abgegeben hat, nicht in Zweifel gezogen; der erkennende Senat sieht insoweit von weiteren Ausführungen ab. Darüber hinaus ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin nicht von der Gewerbesteuer befreit ist.

  3. a) Gemäß § 3 Nr. 1 GewStG sind von der Gewerbesteuer u.a. die staatlichen Lotterieunternehmen befreit. Gemäß § 13 GewStDV unterliegt ‑‑in Anknüpfung an die in § 3 Nr. 1 GewStG bestimmte Steuerbefreiung‑‑ die Tätigkeit der Einnehmer einer staatlichen Lotterie auch dann nicht der Gewerbesteuer, wenn sie im Rahmen eines Gewerbebetriebs ausgeübt wird. Die Anwendbarkeit der Befreiungsvorschriften nach § 3 Nr. 1 GewStG und § 13 GewStDV wird in der Rechtsprechung des BFH seit jeher ‑‑ausgehend vom Wortsinn "staatlich"‑‑ strikt auf solche Unternehmen beschränkt, die der Staat unmittelbar selbst betreibt oder die in der Form der rechtsfähigen, der Staatsaufsicht unterliegenden Anstalt des öffentlichen Rechts organisiert sind (vgl. BFH-Urteile vom 14. März 1961 I 240/60 S, BFHE 72, 581, BStBl III 1961, 212, und vom 19. November 1985 VIII R 310/83, BStBl II 1986, 719; Urteil des Großen Senats des BFH vom 13. November 1963 GrS 1/62 S, BFHE 78, 496, BStBl III 1964, 190). Ausgehend hiervon wird die Klägerin ungeachtet dessen, dass sie nach dem BFH-Urteil in BFHE 221, 256, BStBl II 2009, 735 eine Lotterie veranstaltet hat, von den genannten Befreiungsvorschriften nicht erfasst. Dass sie auch nicht (zugleich oder alternativ) als (bloßer) Einnehmer einer staatlichen Lotterie i.S. von § 13 GewStDV tätig geworden ist, wird von der Klägerin nicht bestritten. Zu Recht weist das FG nach Maßgabe seiner den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen insoweit darauf hin, dass die Klägerin ‑‑soweit im Rahmen des tatsächlich praktizierten Geschäftsmodells überhaupt Lottoscheine einer staatlichen Lotterie erworben worden sind‑‑ nicht lediglich Geschäfte zwischen den Mitspielern und den staatlichen Lotteriegesellschaften vermittelt hat. Selbst wenn man die Betrachtung der Geschäfte der Klägerin auf die Fälle beschränkte, in denen tatsächlich Lottoscheine erworben worden sind, gingen die von der Klägerin nach dem Vertragswerk angebotenen Serviceleistungen ‑‑u.a. die Entwicklung von "Systemreihen"‑‑ über die Tätigkeit eines Einnehmers einer staatlichen Lotterie weit hinaus.

  4. b) Es begegnet keinen gleichheitsrechtlichen Bedenken (Art. 3 Abs. 1 GG), dass die Anwendung des § 3 Nr. 1 GewStG auf die staatliche Lotterie beschränkt ist. Für die Privilegierung von staatlichen Lotteriegesellschaften gelten insoweit die gleichen verfassungsrechtlichen Erwägungen wie für die gleichfalls in § 3 Nr. 1 GewStG geregelte Begünstigung von zugelassenen öffentlichen Spielbanken (vgl. dazu und zum insoweit anzulegenden verfassungsrechtlichen Maßstab BFH-Beschluss vom 29. März 2001 III B 80/00, BFH/NV 2001, 1294, m.w.N.). Danach ist die Begünstigung einzelner Steuerpflichtiger regelmäßig gleichheitsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn diese mit einer Steuer belegt werden, die ein Äquivalent darstellen soll für Steuern, denen (nur) andere, von der Begünstigung ausgenommene Steuerpflichtige unterworfen sind. So wie bei öffentlichen Spielbanken die Spielbankabgabe das Äquivalent für die Befreiung von der Gewerbesteuer und anderen Steuerarten darstellt (vgl. im Einzelnen BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 1294), stellt bei der staatlichen Lotterie die Lotteriesteuer das Äquivalent für die gleichermaßen gewährte Befreiung u.a. von der Gewerbesteuer dar. Dies gilt für die Lotteriesteuer ungeachtet dessen, dass in der frühen historischen Entwicklung der Steuerbefreiung für staatliche Lotterieunternehmen (näher hierzu BFH-Urteil vom 24. Oktober 1984 I R 158/81, BFHE 142, 500, BStBl II 1985, 223) moderne gleichheitsrechtliche Überlegungen, die ohne Beschränkung auf ein einzelnes Steuergesetz auf den durch die steuerrechtliche Gesamtregelung hergestellten Belastungserfolg abstellen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 1294, m.w.N.), ersichtlich keine Rolle gespielt haben.

  5. c) Auch wenn die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 1 GewStG nach den vorgenannten Erwägungen im Ergebnis auch der Vermeidung einer Doppelbelastung durch Lotteriesteuer und (hier) Gewerbesteuer dient, begegnet es unter den im Streitfall vorliegenden Umständen keinen gleichheitsrechtlichen Zweifeln, wenn die Klägerin ‑‑wie der BFH in seinem Urteil in BFHE 221, 256, BStBl II 2009, 735 bestätigt hat‑‑ lotteriesteuerpflichtig ist, zugleich aber auch wegen der Nichtanwendbarkeit des § 3 Nr. 1 GewStG ‑‑mit dem möglichen Ergebnis einer steuerlichen Doppelbelastung‑‑ gewerbesteuerpflichtig ist. Auch für eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 13 GewStDV mit dem Ergebnis der Befreiung der Klägerin von der Gewerbesteuer ist deshalb kein Raum.

  6. aa) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. hierzu und zum Folgenden z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ‑‑BVerfG‑‑ vom 22. September 2009  2 BvL 3/02, BVerfGE 124, 251, m.w.N.). Er verbietet sowohl ungleiche Belastungen wie auch ungleiche Begünstigungen. Verboten ist daher auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem einem Personenkreis eine Begünstigung gewährt wird, einem anderen Personenkreis die Begünstigung aber vorenthalten bleibt, ohne dass sich ausreichende Gründe für die gesetzliche Differenzierung finden lassen. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG liegt vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen Gruppe unterschiedlich behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen.

  7. bb) Ein staatliches Glücksspielmonopol ist mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren ausgerichtet ist (vgl. BVerfG-Urteil vom 28. März 2006  1 BvR 1054/01, BVerfGE 115, 276, für das staatliche Wettmonopol für Sportwetten in Bayern). Die Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht ist ein überragend wichtiges Gemeinwohlziel (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 115, 276; BFH-Urteile vom 29. März 2006 II R 59/04, BFH/NV 2006, 1354, und in BFHE 221, 256, BStBl II 2009, 735). Der Verfolgung dieses (zulässigen) Lenkungszwecks dient auch die Lotteriesteuer; die Besteuerung verfolgt insoweit einen hinreichenden, legitimen Gemeinwohlzweck (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 221, 256, BStBl II 2009, 735, m.w.N.). Das Verbot, nicht genehmigte Lotterien zu veranstalten, schließt die Besteuerung nicht aus (BFH-Urteil in BFHE 221, 256, BStBl II 2009, 735).

  8. cc) Bei dem Veranstalter einer Lotterie tritt zur Belastung mit Lotteriesteuer eine Belastung mit anderen Steuern regelmäßig nur hinzu, wenn dieser ‑‑wie das FG zu Recht ausgeführt hat‑‑ in Umgehung des staatlichen Glücksspielmonopols eine nicht öffentlich-rechtlich genehmigte, verbotswidrige Lotterie durchführt. Dass in diesem Fall Befreiungstatbestände wie hier § 3 Nr. 1 GewStG nicht greifen, folgt nach den zuvor genannten gleichheitsrechtlichen Maßstäben einem gewichtigen sachlichen und deshalb tragfähigen Grund. Der genannte, mit dem Gemeinwohlziel des staatlichen Glücksspielmonopols eng verknüpfte Lenkungszweck der Lotteriesteuer rechtfertigt es, die Belastungswirkung dieser Steuer im Fall einer verbotswidrigen Lotterie zusätzlich zur ‑‑regelmäßig angeordneten‑‑ Belastung mit anderen Steuern eintreten zu lassen. Denn in dieser Situation kommt der am Gemeinwohl orientierten Zweckverfolgung eine noch größere Bedeutung zu als in den Fällen einer genehmigten Lotterie. Die Sicherung des Lenkungszwecks gebietet es in diesem Fall auch gleichheitsrechtlich nicht, die Lotteriesteuer durch eine Steuerfreistellung, hier von der Gewerbesteuer, ganz oder teilweise zu kompensieren und damit deren Lenkungseffizienz zu mindern.

  9. d) Die Doppelbelastung der Klägerin mit Lotterie- und Gewerbesteuer führt auch nicht unter dem Aspekt der Übermaßbesteuerung zu einer Grundrechtsverletzung, wobei auch hier offenbleiben kann, ob die hier vorliegende Steuerbelastung in den Schutzbereich des Art. 14 GG oder des subsidiär anwendbaren Art. 2 Abs. 1 GG fällt, denn es ist nicht erkennbar, dass im Streitfall eine verfassungsrechtliche Obergrenze zumutbarer Belastung erreicht worden wäre (vgl. zum Maßstab z.B. BVerfG-Beschluss vom 12. Mai 2009  2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111, unter B.III. der Gründe, m.w.N.). Denn Lotterie- und Gewerbesteuer führen nicht zu einer Kumulation selbständig nebeneinander stehender steuerlicher Belastungen. Vielmehr wirkt die Lotteriesteuer als Betriebssteuer Gewinn mindernd und führt damit auch zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer (§ 7 Satz 1 GewStG). Im Übrigen wirkt sich auch bei der Bestimmung der Zumutbarkeit der Belastung aus, dass die Lotteriesteuer auch eine am Gemeinwohl orientierte Lenkungsfunktion hat, die nur bei verbotswidrigem Verhalten des Steuerpflichtigen ergänzend zum Tragen kommt.

  10. e) Soweit sich die Klägerin schließlich auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 8. September 2010 C-316/07, C-358/07 bis C-360/07, C-409/07 und C-410/07 (Recht der Internationalen Wirtschaft ‑‑RIW‑‑ 2010, 711) beruft, führt auch dies nicht zur Gewerbesteuerfreiheit der Klägerin. Der EuGH hat in jener Entscheidung zur Auslegung des die Niederlassungsfreiheit betreffenden Art. 43 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) i.d.F des Vertrags von Amsterdam zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1997, Nr. C 340, 1; heute: Art. 49 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ‑‑AEUV‑‑ i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Amtsblatt der Europäischen Union ‑‑ABlEU‑‑ 2007, Nr. C 306, 1, konsolidierte Fassung in ABlEU 2010, Nr. C 83, 47) und des den freien Dienstleistungsverkehr betreffenden Art. 49 EG (heute: Art. 56 AEUV) u.a. im Hinblick auf ein staatliches Monopol auf Sportwetten und Lotterien Stellung genommen. Die Rechtsgrundsätze des EuGH-Urteils kommen jedoch hinsichtlich der Auslegung und Anwendung des § 3 Nr. 1 GewStG auf den Streitfall schon deshalb nicht zum Tragen, weil sich die Klägerin unter den hier vorliegenden Umständen weder auf Art. 43 EG noch auf Art. 49 EG berufen kann.

  11. aa) Die Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit sollen lediglich die Inländerbehandlung im Aufnahmemitgliedstaat sichern (z.B. EuGH-Urteil vom 6. Dezember 2007 C-298/05, Slg. 2007, I-10451, Rdnr. 33; BFH-Urteil vom 28. Mai 2009 VI R 27/06, BFHE 225, 377, BStBl II 2009, 857, unter II.2.b der Gründe). Art. 49 EG steht nach ständiger Rechtsprechung des EuGH der Anwendung jeder nationalen Regelung entgegen, die bewirkt, dass die Erbringung von Dienstleistungen zwischen den Mitgliedstaaten gegenüber der Erbringung von Dienstleistungen allein innerhalb eines Mitgliedstaats erschwert wird (z.B. EuGH-Urteil vom 18. Dezember 2007 C-281/06, Slg. 2007, I-12231, Rdnr. 52, m.w.N.). Art. 49 EG verlangt die Beseitigung jeglicher Diskriminierung des Dienstleistenden aufgrund seiner Staatsangehörigkeit und die Aufhebung aller Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs, soweit sie darauf beruhen, dass der Dienstleistende in einem anderen Mitgliedstaat als dem Dienstleistungsort niedergelassen ist (z.B. BFH-Urteil vom 22. Juli 2008 VI R 56/05, BFHE 222, 442, BStBl II 2008, 894, unter II.3.a der Gründe, m.w.N.); denn Dienstleistungen i.S. des Art. 50 EG (heute: Art. 57 AEUV) sind zeitlich beschränkte Leistungen, die ohne dauerhafte Niederlassung in dem betreffenden Mitgliedstaat erbracht werden (z.B. BFH-Beschluss vom 9. Juli 2007 I B 70/07, BFH/NV 2007, 2357). Danach fallen unter Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit alle Maßnahmen, die geeignet sind, die Tätigkeit des Leistenden zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen (z.B. BFH-Urteil in BFHE 222, 442, BStBl II 2008, 894, unter II.3.a der Gründe, m.w.N.).

  12. bb) Nach diesen Maßstäben sind im Streitfall weder die Niederlassungsfreiheit noch der freie Dienstleistungsverkehr berührt, so dass sich vorliegend die Frage der Auslegung der Art. 43 und 49 EG und der Anwendung der vom EuGH in RIW 2010, 711 konkretisierten Rechtsgrundsätze nicht stellt. Denn die Klägerin ist nicht in einem anderen Mitgliedstaat ansässig und hat ihre Leistungen in dem Mitgliedstaat erbracht, in dem sie niedergelassen ist. Außerdem verfügte die Klägerin nach ihrem Vortrag in der mündlichen Verhandlung auch nicht in einem anderen Mitgliedstaat über eine Erlaubnis für das Anbieten von Glücksspielen. An der Beurteilung, dass sich die Klägerin im Streitfall nicht auf gemeinschaftsrechtlich verbürgte Grundfreiheiten berufen kann, ändert schließlich auch ihr Hinweis nichts, dass ihre Komplementärin in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sei; denn Leistender ist die Klägerin selbst und nicht der einzelne Gesellschafter.

  13. cc) Im Übrigen sprächen auch die vom EuGH in RIW 2010, 711 ausgeführten gemeinschaftsrechtlichen Maßstäbe dafür, eine ‑‑wie nach Auffassung des EuGH durch die nationalen Gerichte zu beurteilen ist‑‑ möglicherweise zurzeit defizitäre Sicherung des Lenkungszwecks der Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht nicht durch eine Minderung der Lenkungseffizienz des derzeit bestehenden normativen Rahmens des staatlichen Glücksspielmonopols zu verstärken. Nach dem EuGH-Urteil in RIW 2010, 711 muss ein staatliches Monopol auf Sportwetten und Lotterien dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit genügen. Dies ist der Fall, soweit, unter dem Aspekt des Ziels eines hohen Verbraucherschutzniveaus, die Errichtung des Monopols mit der Einführung eines normativen Rahmens einhergeht, der dafür sorgt, dass der Inhaber des Monopols tatsächlich in der Lage sein wird, ein solches Ziel mit einem Angebot, das nach Maßgabe dieses Ziels quantitativ bemessen und qualitativ ausgestaltet ist und einer strikten behördlichen Kontrolle unterliegt, in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen. Insoweit kämen auch nach gemeinschaftsrechtlichen Maßstäben ähnliche Erwägungen zum Tragen, wie sie der erkennende Senat unter Zugrundelegung des verfassungsrechtlichen Maßstabs des allgemeinen Gleichheitssatzes zur Rechtfertigung einer Doppelbelastung mit Lotterie- und Gewerbesteuer (oben unter II.1.c cc) angestellt hat. Auch deshalb wäre § 3 Nr. 1 GewStG ‑‑anders als die Klägerin meint‑‑ nicht gemeinschaftsrechtskonform in der Weise auszulegen, dass von der Vorschrift nicht nur staatliche Lotterieunternehmen, sondern sämtliche lotteriesteuerpflichtigen Tätigkeiten, also auch die Veranstaltung nicht genehmigter, verbotswidriger Lotterien, erfasst werden.

  14. Die Klägerin kann daher keine Gewerbesteuerfreiheit beanspruchen.

  15. 2. Dem FG ist im Ergebnis auch darin zu folgen, dass die Spieleinsatz-Anteile (44,8 % der von den Spielern eingezahlten Beträge) ‑‑jedenfalls soweit sie nicht zum Erwerb von Lottoscheinen einer staatlichen Lotteriegesellschaft verwendet worden sind‑‑ nicht unter dem Gesichtspunkt eines steuerrechtlich anzuerkennenden Treuhandverhältnisses einem Anderen als der Klägerin zuzurechnen sind. Es handelt sich auch insoweit um Betriebseinnahmen der Klägerin. In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das FG auch die Annahme eines sog. durchlaufenden Postens verneint. Gleiches gilt für die Würdigung des FG, dass eine betriebliche Veranlassung der Weiterleitung der Spieleinsatz-Anteile an den (jeweiligen) Treuhänder nicht aus der Verpflichtung der Klägerin gegenüber den Mitspielern aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag abgeleitet werden könne, soweit mit den Geldern nicht ‑‑wie in dem zugrunde liegenden Vertragswerk vorgesehen‑‑ Lottoscheine erworben worden sind. Das FG hat jedoch zu Unrecht nicht geprüft, inwieweit in den Fällen der Nichtteilnahme an den staatlichen Lotterien im Rahmen der von der Klägerin veranstalteten Lotterie entstandene Gewinnansprüche ("Ersatzansprüche") der Mitspieler bei der Klägerin Gewinn mindernd zu berücksichtigen sind. Wegen der Begründung im Einzelnen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom heutigen Tag in der Rechtssache IV R 17/09 Bezug genommen.

  16. 3. Die Sache ist nicht spruchreif. Im zweiten Rechtsgang wird das FG noch zu untersuchen haben, ob, in welcher Höhe und wann Gewinnansprüche der Mitspieler gegen die Klägerin entstanden sind, die nicht beim absprachegemäßen Abschluss von Lotterieverträgen angefallen sind und zu weiterem betrieblich veranlassten Aufwand (§ 4 Abs. 4 EStG) der Klägerin geführt haben. Die Frage, in welchem Wirtschaftsjahr sich die Verpflichtung zur Auszahlung von Lotteriegewinnen Gewinn mindernd auswirkt, bestimmt sich für die Klägerin nach allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen. Die Höhe der im Rahmen der von der Klägerin veranstalteten Lotterie erstarkten Gewinnansprüche wird das FG ggf. im Wege einer Schätzung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 AO) festzustellen haben. Wegen der möglichen Anknüpfungspunkte für eine solche Schätzung nimmt der erkennende Senat gleichfalls auf seine Entscheidung in dem Verfahren IV R 17/09 Bezug.

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