BFH X. Senat
EStG § 10 Abs 1 Nr 1a, EStG § 12
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht , 03. Oktober 2009, Az: 2 K 277/07
Leitsätze
Schichtet ein Vermögensübernehmer das überlassene Vermögen in nicht ausreichend ertragbringende Wirtschaftsgüter um, sind die wiederkehrenden Leistungen auch dann nicht als Sonderausgaben abziehbar, wenn die Beteiligten die geschuldeten Versorgungsleistungen an die Erträge der neu erworbenen Vermögensgegenstände anpassen (Anschluss an BFH-Urteil vom 17. März 2010 X R 38/06, BFHE 229, 163) .
Tatbestand
I.
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) werden im Streitjahr 2003 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Eltern des Klägers übertrugen den Klägern mit notariellen Verträgen aus den Jahren 1987 und 1992 im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge ein bebautes Grundstück gegen Zahlung von monatlich wiederkehrenden Leistungen in Höhe von 1.000 DM (Vereinbarung im Übergabevertrag 1987) sowie 2.500 DM (Vereinbarung im Übergabevertrag 1992), insgesamt also 3.500 DM bzw. 1.789 €. In den Verträgen war die Anwendbarkeit der gegenseitigen Abänderbarkeit der Versorgungsrente entsprechend § 323 der Zivilprozessordnung (ZPO) ausdrücklich vereinbart.
In dem übertragenen Gebäude betrieben die Kläger eine Arztpraxis, zunächst nur im Erdgeschoss, später auch im Obergeschoss. Durch Aufnahme weiterer Ärzte entstand eine ärztliche Praxisgemeinschaft.
Im Jahr 2001 veräußerten die Kläger 2/3 des übertragenen Grundstücks für 400.000 DM an andere Gesellschafter der Gemeinschaftspraxis. Den Erlös verwendeten sie ‑‑zusammen mit 50.000 DM eigener Mittel‑‑ zur Tilgung von Darlehen für ein vermietetes Grundstück (100.000 DM) sowie von Praxisdarlehen (150.000 DM). Mit dem Restbetrag in Höhe von 200.000 DM tilgten sie ein weiteres Darlehen für das eigengenutzte Einfamilienhaus. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) führten die Tilgungen zu einer jährlichen Zinsersparnis in Höhe von 22.475 DM, von denen 400/450 (= 10.214 €) auf die Veräußerung des Grundstücksanteils entfallen.
Den verbliebenen Grundstücksanteil in Höhe von 1/3 veräußerten die Kläger zum 20. Juni 2003 an Mitgesellschafter der Gemeinschaftspraxis. Den Kaufpreis von 200.000 DM (102.258 €) setzten die Kläger wiederum zur Tilgung betrieblicher Darlehen ein. Ab dem 1. Juli 2003 reduzierten die Kläger die monatlichen Versorgungsleistungen an die Eltern vereinbarungsgemäß auf 1.000 €. Die jährliche gesamte Zinsersparnis beträgt ab 2003 ca. 15.000 €.
Für das Streitjahr 2003 erkannte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) nach Durchführung einer Außenprüfung die Zahlungen ab 1. Juli 2003 nicht als Sonderausgaben i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) an. Es beurteilte sie vielmehr als Unterhaltsrente i.S. von § 12 Nr. 2 EStG, weil das überlassene Grundstück im Jahr 2001 und dem Streitjahr vollständig veräußert worden sei. Ab dem 1. Juli 2003 sei keine existenzsichernde und ausreichend ertragbringende Wirtschaftseinheit mehr vorhanden gewesen. Vielmehr habe der Erlös der Tilgung verschiedener privater und betrieblicher Verbindlichkeiten gedient.
Das FG hat der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 411 veröffentlichtem Urteil stattgegeben. Im Falle einer nachträglichen Veräußerung des übergebenen Vermögens sei eine Umschichtung auch dann unschädlich, wenn keine anderweitige existenzsichernde Wirtschaftseinheit angeschafft, sondern der Erlös zur Tilgung von Schulden verwendet werde, sofern dadurch Zinsaufwendungen erspart würden, die nicht geringer als die zugesagten Versorgungsleistungen seien. Nach dem Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Mai 2003 GrS 1/00 (BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95) könne übergebenes Geldvermögen zur Entschuldung verwendet werden. Voraussetzung für die Abziehbarkeit der Versorgungsleistungen in diesen Fällen sei, dass das Wirtschaftsgut, das von langfristigen Verbindlichkeiten entlastet werde, der Erzielung von Erträgen ‑‑auch in Gestalt eines Nutzungsvorteils‑‑ diene. Im Streitfall seien die Kläger von langfristigen Schuldverpflichtungen entlastet worden. Die dadurch ersparten Zinsen seien höher als die Verpflichtungen aus dem abgeänderten Vermögensübergabevertrag. Zudem müsse sich der Vermögensübernehmer in Fällen einer nachträglichen Veräußerung des übertragenen Vermögens nicht bereits im Übergabevertrag verpflichten, eine ihrer Art nach bestimmte Vermögensanlage zu erwerben. Erforderlich sei allenfalls eine Abrede im Zeitpunkt der Veräußerung bzw. Vermögensumschichtung. Diese habe nach der glaubhaften Zeugenaussage der Mutter des Klägers vorgelegen. Da nach der vollständigen Veräußerung des übertragenen Grundstücks auch die erzielbaren Erträge nur noch 15.000 € betragen hätten und die Leistungsfähigkeit der Vermögensübernehmer somit geschmälert gewesen sei, hätten auch die Voraussetzungen für eine Abänderung der Versorgungsrente nach § 323 ZPO vorgelegen.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung von § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG. Entgegen der Auffassung des FG handele es sich bei den Zahlungen ab dem 1. Juli 2003 nicht um Sonderausgaben, sondern um eine nach § 12 Nr. 2 EStG nicht abziehbare private Unterhaltsrente. Der sachliche Zusammenhang der wiederkehrenden Leistungen mit der Vermögensübergabe ende, wenn der Übernehmer das übernommene Vermögen auf einen Dritten übertrage und kein Ersatzwirtschaftsgut erwerbe. Zwar habe der BFH im Urteil vom 1. März 2005 X R 45/03 (BFHE 209, 302, BStBl II 2007, 103) entschieden, dass auch anlässlich der Übergabe von Geld- oder Wertpapiervermögen eine als Sonderausgabe abziehbare dauernde Last begründet werden könne, wenn die übergebenen Vermögenswerte vereinbarungsgemäß zur Tilgung von Schulden verwendet werden, mit denen die Anschaffung oder Herstellung von ertragbringendem Vermögen finanziert worden sei. Im Streitfall sei den Klägern jedoch kein Geld- oder Wertpapiervermögen übertragen worden. Die Grundsätze des BFH-Urteils in BFHE 209, 302, BStBl II 2007, 103 seien auf den Streitfall nicht anwendbar:
- Konstitutives Merkmal einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen sei die Übertragung einer existenzsichernden und ausreichend ertragbringenden Wirtschaftseinheit. Die Übergabe von Geldvermögen erfülle diese Voraussetzungen nicht. - Die Begründung einer dauernden Last durch Übergabe von Geldvermögen zum Zwecke der Schuldentilgung widerspreche dem Sinn und Zweck des ‑‑steuerlich begünstigten‑‑ Rechtsinstituts der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen. Das ertraglose Geldvermögen werde in diesem Fall nicht in eine existenzsichernde und ausreichend ertragbringende Wirtschaftseinheit überführt, weil das eingesetzte Vermögen ‑‑im Streitfall der gesamte Veräußerungserlös‑‑ nach erfolgter Schuldentilgung vollständig aufgezehrt sei und dem Übernehmer ‑‑im Streitfall den Klägern‑‑ keine Erträge bringen könne. - Komme es dem Vermögensübergeber ‑‑im Streitfall den Eltern des Klägers‑‑ auf eine Sicherung seiner Versorgung durch Erhalt einer wiederkehrenden Geldleistung an, könne er diese ‑‑ohne Übertragung eines Geldvermögens‑‑ bereits aus eigenem Vermögen bestreiten. Die Übergabe von Geldvermögen gegen Zusage regelmäßiger Versorgungsleistungen stelle somit eine Form des Unterhaltskaufs dar. Im Ergebnis handele es sich um eine ertragsteuerlich unbeachtliche Vermögensumschichtung des Übergebers. - Der Abzug privater Schuldzinsen sei durch das Steueränderungsgesetz 1973 vom 26. Juni 1973 (BGBl I 1973, 676, BStBl I 1973, 545) mit Wirkung zum 1. Januar 1974 gestrichen worden. Die Berücksichtigung ersparter privater Schuldzinsen des Übernehmers ‑‑im Streitfall der Kläger‑‑ in Form einer dauernden Last würde den privaten Schuldzinsenabzug für eine Gruppe von Steuerpflichtigen wieder einführen und damit die Entscheidung des Gesetzgebers missachten. - Darüber hinaus seien ersparte Aufwendungen, wie z.B. ersparte Zinsen, nicht als Erträge des übergebenen Vermögens anzusehen. Das FA beantragt,
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie sind der Auffassung das FG-Urteil stehe in Einklang mit der Rechtsprechung des BFH. Auch wenn bislang noch in keiner Entscheidung alle drei Kernprobleme des Streitfalls (Umschichtung der bisherigen existenzsichernden Wirtschafseinheit; Geld als existenzsichernde Wirtschaftseinheit; ersparte Zinsen als nachhaltiger Ertrag) gemeinsam abgehandelt worden seien, sei doch jede einzelne Rechtsfrage isoliert bereits höchstrichterlich im Sinne der Kläger entschieden.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Zu Unrecht hat das FG entschieden, dass die Versorgungsleistungen der Kläger an die Eltern ab Juli 2003 in Höhe von monatlich 1.000 € als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abziehbar sind.
1. Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG). Wegen der dogmatischen Grundlagen der von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätze wird auf den Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847), auf den Beschluss des erkennenden Senats vom 13. September 2000 X R 147/96 (BFHE 193, 121, BStBl II 2001, 175), die Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 12. Mai 2003 GrS 1/00 (BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95) und GrS 2/00 (BFHE 202, 477, BStBl II 2004, 100) sowie auf die hierzu ergangene Folgerechtsprechung verwiesen (zuletzt Senatsurteil vom 17. März 2010 X R 38/06, BFHE 229, 163).
Die anlässlich einer Vermögensübergabe zur Vorwegnahme der Erbfolge vereinbarten Versorgungsleistungen (private Versorgungsrente) unterscheiden sich von Unterhaltsleistungen i.S. von § 12 Nr. 1 EStG "durch ihre Charakterisierung als vorbehaltene Vermögenserträge; sie enthalten auch deshalb keine Zuwendungen des Vermögensübernehmers aufgrund freiwillig begründeter Rechtspflicht i.S. von § 12 Nr. 2 EStG". Diese Aussage im Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 wird u.a. wie folgt erläutert: "Denn die steuerrechtliche Zurechnung der Versorgungsleistungen zu den wiederkehrenden Bezügen und Sonderausgaben beruht auf dem Umstand, dass sich der Vermögensübergeber in Gestalt der Versorgungsleistungen typischerweise Erträge seines Vermögens vorbehält, die nunmehr allerdings vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden müssen." Dem Beschluss liegt mithin die entscheidungsleitende Vorstellung zugrunde, dass der Übergeber das Vermögen ähnlich wie beim Nießbrauchsvorbehalt ohne die vorbehaltenen Erträge, die ihm nunmehr als Versorgungsleistungen zufließen, übertragen hat.
Dies hat der Große Senat des BFH in seinem Beschluss in BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95 bekräftigt: "Maßgebendes Kriterium für die Frage, ob ein Wirtschaftsgut Gegenstand einer unentgeltlichen Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen sein kann, ist die Vergleichbarkeit mit dem Vorbehaltsnießbrauch. Die Vermögensübergabe muss sich so darstellen, dass die vom Übernehmer zugesagten Leistungen ‑‑obwohl sie von ihm erwirtschaftet werden müssen‑‑ als zuvor vom Übergeber vorbehaltene ‑‑abgespaltene‑‑ Nettoerträge vorstellbar sind." Wiederkehrende Leistungen, die nicht aus den erzielbaren Nettoerträgen des übernommenen Vermögens gezahlt werden können, sind nicht als dauernde Last abziehbar. Sie sind Entgelt für das übernommene Vermögen (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95).
2. Hinsichtlich der Art des übergebenen Vermögens, das Grundlage für die Vereinbarung von als dauernde Last anzuerkennenden Versorgungsleistungen sein kann, hatte die frühere Rechtsprechung zwischen der Übergabe von Geldvermögen und den unter der Bezeichnung "existenzsichernd" zusammengefassten Vermögensarten unterschieden. Diese Differenzierung ist seit dem Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95 entfallen, weil nach der jüngeren Rechtsprechung wiederkehrende Leistungen nur dann als Sonderausgaben abziehbar bzw. als wiederkehrende Bezüge i.S. des § 22 Nr. 1 EStG steuerbar sind, wenn sie aus den Nettoerträgen des überlassenen Vermögens bestritten werden können. Seither ist Geldvermögen, das vor der Änderung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG durch das Jahressteuergesetz 2008 vom 20. Dezember 2007 (BGBl I 2007, 3150, BStBl I 2008, 218) übertragen wurde und vom Vermögensübernehmer ertragbringend angelegt wird, den unter der Bezeichnung "existenzsichernd" zusammengefassten Vermögensarten gleichgestellt.
3. Im Urteil in BFHE 209, 302, BStBl II 2007, 103 hatte der erkennende Senat ‑‑worauf die Kläger in der Revisionserwiderung zutreffend hinweisen‑‑ auch entschieden, dass eine als Sonderausgabe abziehbare dauernde Last dadurch begründet werden kann, dass übergebenes Geld- oder Wertpapiervermögen vereinbarungsgemäß zur Tilgung von Schulden verwendet wird, die auf der Anschaffung oder Herstellung von ertragbringendem Vermögen (auch einem eigengenutzten Einfamilienhaus) beruhen. Die Finanzverwaltung folgt dem nicht; sie wendet diese rechtliche Aussage über den entschiedenen Einzelfall hinaus mit der Begründung nicht an, ersparte Zinsen gehörten nicht zu den Erträgen (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ‑‑BMF‑‑ vom 16. September 2004 IV C 3 -S 2255- 354/04, BStBl I 2004, 922, Tz 21 letzter Absatz, das nach Tz 81 des BMF-Schreibens vom 11. März 2010 IV C 3-S 2221/09/10004, BStBl I 2010, 227, insoweit weiterhin anwendbar ist).
4. Schließlich hat der Senat im Urteil in BFHE 229, 163 erkannt, dass neben der bislang von der Rechtsprechung anerkannten Möglichkeit, ertragloses Vermögen in Absprache mit dem Übergeber in ausreichend ertragbringendes Vermögen umzuschichten (vgl. dazu den Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95, unter C.II.6.a), auch die Umschichtung einer ausreichend ertragbringenden Wirtschaftseinheit in anderes ausreichend ertragbringendes Vermögen grundsätzlich zulässig ist. Diese Form der Umschichtung ist nicht an die Zustimmung des Vermögensübergebers, sei es in Form einer generellen Gestattung im Übergabevertrag oder in einer späteren ergänzenden Regelung, gebunden. Dem Prinzip der generationenübergreifenden "Perpetuierung" des Übergebervermögens als Leitgedanken der Vermögensübergabe (Senatsurteil in BFHE 209, 302, BStBl II 2007, 103) ist genügt, wenn nach der Umschichtung in das Reinvestitionsgut die zugesagten Versorgungsleistungen weiterhin auf der Grundlage des Übergabevertrags an den Übergeber erbracht werden. Voraussetzung einer solchen Umschichtung ist, dass mit dem Reinvestitionsgut genügend Nettoerträge erwirtschaftet werden, um die Versorgungsleistungen zu decken.
5. Der Senat kann offenlassen, ob er sich den Bedenken der Finanzverwaltung, die Berücksichtigung ersparter privater Schuldzinsen des Übernehmers in Form einer dauernden Last würde die gesetzgeberische Entscheidung missachten, die den Abzug privater Schuldzinsen abgeschafft habe, jedenfalls dann anschließen könnte, wenn nicht ‑‑wie vom Großen Senat des BFH im Beschluss in BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95 entschieden‑‑ Geld- oder Wertpapiervermögen übergeben und zur Schuldentilgung verwendet, sondern ein im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragenes Betriebsgrundstück veräußert und mit dem Erlös u.a. ein der Finanzierung eines privat genutzten Einfamilienhauses dienendes Darlehen abgelöst wird. Die ab Juli 2003 an die Eltern des Klägers gezahlten wiederkehrenden Leistungen sind schon deshalb nicht als Sonderausgaben abziehbar, weil die Kläger das übergebene Vermögen nicht in ausreichend ertragbringendes Vermögen umgeschichtet haben. Die Vertragsänderung zum 30. Juni 2003, mit der die Versorgungsleistungen auf monatlich 1.000 € herabgesetzt wurden, kann nicht berücksichtigt werden. Spätestens mit dieser Vertragsänderung diente der Vermögensübergabevertrag nicht mehr der Versorgung der Eltern des Klägers; diese Vertragsänderung ließ den auf die dauerhafte Versorgung der Eltern gerichteten Rechtsbindungswillen entfallen.
6. a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Vertragsverhältnisse zwischen nahen Angehörigen steuerrechtlich nur anzuerkennen, wenn die Verträge bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbart worden sind und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen. Fehlt es innerhalb eines Familienverbundes typischerweise an einem Interessengegensatz und können zivilrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten steuerrechtlich missbraucht werden, so ist es im Interesse einer effektiven Missbrauchsbekämpfung geboten und zulässig, an den Beweis des Vertragsabschlusses und an den Nachweis der Ernstlichkeit von Vertragsgestaltungen zwischen nahen Angehörigen strenge Anforderungen zu stellen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ‑‑BVerfG‑‑ vom 7. November 1995 2 BvR 802/90, BStBl II 1996, 34). Die besonderen Anforderungen der Rechtsprechung bilden Beweisanzeichen (Indizien) bei der im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu treffenden Entscheidung, ob die streitigen Aufwendungen in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Erzielen von Einkünften stehen oder dem nicht steuerbaren privaten Bereich (§ 12 EStG) zugehörig sind (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 IX R 46/08, BFHE 225, 112). Maßgebend für die Beurteilung ist die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten. Dabei kann einzelnen Beweisanzeichen je nach Lage des Falls im Rahmen der Gesamtbetrachtung eine unterschiedliche Bedeutung zukommen. Dementsprechend schließt nicht jede Abweichung vom Üblichen notwendigerweise die steuerliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus (Senatsurteil vom 14. Mai 2003 X R 14/99, BFH/NV 2003, 1547, unter II.1.). Diese Rechtsprechung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. z.B. BVerfG-Beschluss vom 27. November 2002 2 BvR 483/00, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2003, 171). Sie trägt den innerhalb eines Familienverbundes typischerweise fehlenden Interessengegensätzen und der daraus resultierenden Gefahr des steuerlichen Missbrauchs zivilrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten durch nahe Angehörige Rechnung.
b) Die Funktion des Fremdvergleichs in Fällen der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen unterscheidet sich von derjenigen des Fremdvergleichs bei sonstigen Vertragsverhältnissen zwischen nahen Angehörigen: Bei Letzteren geht es um die Frage, ob eine Vereinbarung in dem einkommensteuerrechtlich vorausgesetzten sachlichen Zusammenhang mit der Erzielung von Einkünften (§ 2 Abs. 1, § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) oder mit dem nach § 12 EStG unbeachtlichen privaten Bereich steht (Senatsurteil vom 3. März 2004 X R 14/01, BFHE 205, 261, BStBl II 2004, 826). Der Fremdvergleich dient der alternativen Zuordnung eines Wertflusses zu seinem steuerrechtlich maßgebenden Rechtsgrund ("causa").
Diese Zuordnungsentscheidung entfällt bei der Anerkennung einer dauernden Last. Denn die Versorgungsleistungen sind nach der gesetzlichen Systematik (Einleitungssatz des § 10 Abs. 1 EStG) ohnehin stets privat veranlasst: Der Vermögensübergeber erhält Unterhaltsleistungen, die im Anwendungsbereich der privaten Versorgungsrente (§§ 10 Abs. 1 Nr. 1a, 22 Nr. 1 EStG) steuerlich begünstigt sind. Der Vermögensübernehmer erhält nach dem Willen der Beteiligten "wenigstens teilweise eine unentgeltliche Zuwendung" (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847), was unter Fremden ausgeschlossen wäre. Durch den bei Versorgungsverträgen anzustellenden "Fremdvergleich" sollen deshalb solche Verträge, denen beide Parteien ‑‑durch äußere Merkmale erkennbar‑‑ rechtliche Bindungswirkung beimessen, von Vereinbarungen abgegrenzt werden, die zwar der äußeren Form nach als bindend erscheinen, für die Parteien selbst jedoch den Charakter der Beliebigkeit haben und von denen sie nur Gebrauch machen, wenn es ihnen opportun erscheint. Entscheidend ist deshalb, ob die Vertragsparteien mit dem erforderlichen Rechtsbindungswillen handeln (Senatsurteil in BFHE 205, 261, BStBl II 2004, 826) und diesen beibehalten. Auch wenn es in der Rechtsnatur eines Versorgungsvertrags begründet liegt, dass die Vertragspartner auf eine geänderte Bedarfslage des Vermögensübergebers oder eine veränderte Leistungsfähigkeit des Vermögensübernehmers angemessen reagieren können, steht es ihnen nicht frei zu entscheiden, ob und in welchem Umfang sie ihren Vertragspflichten nachkommen wollen.
7. Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall hat das FG zu Unrecht die laufenden Zahlungen der Kläger an die Eltern ab Juli 2003 als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG anerkannt. Wegen des Wegfalls des Rechtsbindungswillens kann der Vermögensübergabevertrag jedenfalls ab 1. Juli 2003 steuerlich nicht mehr anerkannt werden.
Nach dem Senatsurteil in BFHE 229, 163 kann der Vermögensübernehmer zwar eine Wirtschaftseinheit in anderes Vermögen umschichten. Voraussetzung einer steuerlich anzuerkennenden Vermögensumschichtung ist jedoch, dass mit dem Reinvestitionsgut genügend Nettoerträge erwirtschaftet werden, um die Versorgungsleistungen zu decken. Daran fehlt es im Streitfall. Der ursprünglichen Zahlungsverpflichtung der Kläger in Höhe von 1.789 € monatlich bzw. 21.468 € jährlich stehen durch die Tilgung verschiedener Verbindlichkeiten nach den Feststellungen des FG Zinsersparnisse von jährlich nur 15.000 € gegenüber; die Kläger haben jedenfalls nicht nachgewiesen, dass noch ausreichende Erträge zur Verfügung standen. Somit greift insgesamt § 12 EStG. Ein Sonderausgabenabzug kommt jedenfalls ab 1. Juli 2003 nicht mehr in Betracht.
Dass die Kläger in Abstimmung mit den Eltern ihre monatlichen Verpflichtungen aus dem Übergabevertrag auf 1.000 € reduziert haben, ist insoweit ohne Belang. Die möglicherweise verringerte Leistungsfähigkeit der Kläger ab 1. Juli 2003, die nach den Feststellungen des FG weiterhin an der Praxisgemeinschaft beteiligt waren, beruht auf ihrer Entscheidung, das übergebene Betriebsgrundstück zu veräußern. Soweit ersichtlich, haben sich bislang die Zivilgerichte nicht mit der Frage befasst, ob § 323 ZPO (jetzt § 323a ZPO) greift, wenn der Vermögensübernehmer durch eine willentliche Entscheidung seine Leistungsfähigkeit schmälert und eine Änderung des Versorgungsvertrags verlangen kann. Steuerrechtlich ist jedenfalls davon auszugehen, dass bei einem Vorgehen wie im Streitfall den Vertragsparteien der erforderliche Rechtsbindungswille fehlt. Der Versorgungsvertrag hatte für die Parteien den Charakter der Beliebigkeit. Sie haben von ihm solange und soweit Gebrauch gemacht, wie es ihnen opportun erschien, und ihn ohne Prüfung der Frage, ob die rechtlichen Voraussetzungen für eine Änderung nach § 323 ZPO vorliegen, an die nach der Vermögensumschichtung veränderten Verhältnisse angepasst. Ein am Versorgungsvertrag festhaltender Vermögensübernehmer würde das ihm im Wege der vorweggenommenen Erbfolge überlassene Objekt nicht veräußern und ein Wirtschaftsgut erwerben, mit dessen Erträgen er die Versorgungsleistungen nicht erfüllen kann, und so ggf. die Versorgung desjenigen gefährden, der ihm Vermögen ‑‑wirtschaftlich betrachtet‑‑ jedenfalls teilweise unentgeltlich übertragen hat. Erst recht ließe sich ein am Vertrag festhaltender Vermögensübergeber nicht darauf ein. Ein solches Verhalten ist nicht von einem (fortbestehenden) Rechtsbindungswillen getragen, dem bei Vermögensübergabeverträgen eine besondere Bedeutung beizumessen ist. Auch wenn den geschuldeten Leistungen angesichts des konkreten Versorgungsbedürfnisses des Vermögensübergebers im Einzelfall keine besondere Bedeutung zukommt, lässt sich dessen Zustimmung zu künftig verringerten Versorgungsleistungen nur durch den fehlenden Interessengegensatz zwischen Angehörigen erklären. Würde man den auf den geringeren Ertrag des Reinvestitionsguts abgestimmten Versorgungsvertrag weiterhin steuerlich berücksichtigen, stünde es im Belieben der Vertragsparteien eines Vermögensübergabevertrags, in welchem Umfang sie den Vertrag als bindend anerkennen und erfüllen wollen.
8. Da die Klage bereits aus den genannten Gründen abzuweisen ist, kann offenbleiben, ob überhaupt jemals die Voraussetzungen einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen vorgelegen haben. Jedenfalls der notarielle Vertrag aus dem Jahr 1987 wurde als "Veräußerungsvertrag" bezeichnet, in dem sich die "Erwerber" (Kläger) verpflichteten, den "Veräußerern" (Eltern) eine "Kaufpreisrente" zu zahlen. Da die wiederkehrenden Zahlungen wegen des fehlenden Rechtsbindungswillens jedenfalls ab Juli 2003 nicht mehr als Sonderausgaben abziehbar sind, muss ebenfalls nicht weiter geklärt werden, wie sich etwaige Vorfälligkeitsentschädigungen auf die Relation zwischen ersparten Zinsen und Versorgungsleistungen auswirken bzw. welcher Anteil des zur Schuldentilgung verwendeten Veräußerungserlöses der Kläger auf die von ihnen in den Jahren 1986 bis 2000 durchgeführten An- und Umbauten entfällt (vgl. Gutachten des Sachverständigen S vom 30. April 2000). Dieser Anteil könnte bei der Ertragsprognose nicht berücksichtigt werden (vgl. Senatsurteil vom 16. Juni 2004 X R 50/01, BFHE 207, 114, BStBl II 2005, 130).
9. Ob in den Monaten Januar bis Juni 2003 die Erträge des übergebenen Vermögens (verbleibender Nutzungsvorteil nach der Veräußerung von 2/3 des überlassenen Gebäudes ohne Berücksichtigung der An- und Umbauten; Zinsersparnis nach teilweiser Darlehensablösung) die bis zu diesem Zeitraum geschuldeten Versorgungsleistungen in Höhe von monatlich 1.789 € deckten, kann wegen des im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden Verböserungsverbots ebenfalls dahinstehen.