BFH V. Senat
UStG § 4 Nr 16 Buchst b, UStG § 4 Nr 16 Buchst b, AO § 67, EWGRL 388/77 Art 13 Teil A Abs 1 Buchst b, EWGRL 388/77 Art 13 Teil A Abs 2, BPflV
vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz , 13. September 2006, Az: 6 K 1268/03
Leitsätze
1. Krankenhausleistungen und Heilbehandlungsleistungen einer Krankenhaus-GmbH sind nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. i.V.m. § 67 AO steuerfrei, wenn das Krankenhaus in mindestens 40 v.H. der Jahrespflegetage keine Wahlleistungen zur Zimmerbelegung und zur Chefarztbehandlung erbringt und seine Leistungsentgelte nach Selbstkostengrundsätzen berechnet .
2. Bei der Berechnung der Jahrespflegetage ist nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. i.V.m. § 67 AO die Erbringung medizinischer Wahlleistungen nicht zu berücksichtigen .
Tatbestand
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1993/1999 (UStG) Organträger zweier GmbHs, die in den Streitjahren 1994 bis 1999 jeweils ein Krankenhaus betrieben. Es handelte sich um eine Kurklinik, in der Therapien zur Gesundheitsfürsorge und Rehabilitation, wie z.B. Sauerstoff-, H 3-, Heilfasten-, Therma-, Thymus-, Thymo-Therma-, Ganzheits-, Schmerz- und ATP-Therapien sowie biologisch aktive Zellregeneration durchgeführt wurden (L-GmbH), und eine Klinik für plastische Chirurgie, in der erektile Dysfunktion (organische Impotenz) behandelt wurde (M-GmbH). Der Kläger vermietete die Klinikgrundstücke an die jeweilige GmbH, die beide über eine Konzession nach § 30 der Gewerbeordnung verfügten. Beide Kliniken wurden nicht nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) gefördert und berechneten ihre Leistungen nicht nach der Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (BPflV), sondern nach "Festpreisen".
Der Kläger behandelte die Leistungen der beiden Klinik-GmbHs zunächst als umsatzsteuerpflichtig, beantragte aber mit Schreiben vom 23. Dezember 1999 für das Streitjahr 1994 und mit Schreiben vom 5. Januar 2000 für die Streitjahre 1995 bis 1998, die durch die beiden Klinik-GmbHs erbrachten Leistungen in vollem Umfang steuerfrei zu behandeln.
Im Anschluss an eine Umsatzsteuersonderprüfung erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) für die Streitjahre 1994 bis 1998 geänderte Umsatzsteuerbescheide sowie für das Streitjahr 1999 einen erstmaligen Umsatzsteuerbescheid, nach denen zwar die durch die beiden Klinik-GmbHs erbrachten ärztlichen Leistungen steuerfrei waren, jedoch der Unterkunfts- und Verpflegungsanteil in pauschalierter Höhe der Umsatzsteuer unterworfen wurde.
Hiergegen erhob der Kläger Einspruch, mit dem er weiter die vollständige Steuerfreiheit seiner Leistungen geltend machte. Im Anschluss an eine Außenprüfung ging das FA vom Fehlen des Nachweises aus, dass mehr als 40 v.H. der jährlichen Pflegetage auf Patienten entfielen, denen nur allgemeine Krankenhausleistungen berechnet worden seien. Die fehlende Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen zeige, dass es sich um Wahlleistungen handele. Da die durch das Klinikpersonal erbrachten Leistungen und die Weiterlieferung von Medikamenten entgegen den bisherigen Steuerfestsetzungen dem steuerpflichtigen Leistungsbereich zuzuordnen seien, sei der Anteil der steuerfreien ärztlichen Leistungen bei der L-GmbH auf 32 v.H. und bei der M-GmbH auf 40 v.H. des Gesamtumsatzes zu schätzen. Das FA änderte die bisherigen Festsetzungen für die Streitjahre 1997 bis 1999 durch die Bescheide vom 19. September 2002 und wies den Einspruch im Übrigen mit Einspruchsentscheidung vom 31. Januar 2003 als unbegründet zurück.
Die Klage zum Finanzgericht (FG) hatte keinen Erfolg. Das FG stützte die Klageabweisung darauf, dass für eine Steuerfreiheit für die in den beiden Kliniken erbrachten Leistungen des Klägers nur § 4 Nr. 16 UStG, nicht aber auch § 4 Nr. 14 UStG in Betracht komme. Da die beiden Kliniken des Klägers nicht der BPflV unterlägen und nicht nach dem KHG gefördert würden, seien die Leistungen nicht nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG i.V.m. § 67 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) steuerfrei. Auch die Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG i.V.m. § 67 Abs. 2 AO lägen nicht vor. Zwar seien die streitbefangenen Umsätze als mit dem Betrieb des Krankenhauses eng verbundene Umsätze anzusehen, da sie ärztliche und therapeutische Maßnahmen beträfen. Ob es sich jedoch auch um allgemeine Krankenhausleistungen i.S. von § 67 AO oder um für die Berechnung der Jahrespflegetage schädliche Wahlleistungen handele, richte sich nach § 2 BPflV, dem Katalog zu § 11 Abs. 1 BPflV und den dort in Bezug genommenen §§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 16 Abs. 2 BPflV. Zu den allgemeinen Krankenhausleistungen, auf deren ausschließliche Berechnung es nach § 67 Abs. 2 AO ankomme, gehörten gemäß § 2 BPflV nur die Krankenhausleistungen, die unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig seien. § 11 Abs. 1 BPflV regele die Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen durch Fallpauschalen. Mit den Pflegesätzen würden alle für die Versorgung des Patienten erforderlichen allgemeinen Krankenhausleistungen vergütet (§ 10 Abs. 2 Satz 1 BPflV). Allgemeine Krankenhausleistungen seien gemäß §§ 2, 11 Abs. 1 BPflV für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig. Sie seien damit zugleich für die Erreichung des therapeutischen Ziels unentbehrlich und entsprächen somit den autonomen gemeinschaftsrechtlichen Begriffen der Krankenhausbehandlung und der ärztlichen Heilbehandlung, sowie der damit eng verbundenen Umsätze i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Andere Leistungen gehörten hierzu nur, wenn die Krankenkassen oder Beihilfeträger die Behandlungskosten übernehmen müssten oder aufgrund ihrer Beurteilung im Einzelfall die Kostenübernahme bewilligten. Bei anderen als nach der BPflV vergütungsfähigen Leistungen handele es sich aber nur ausnahmsweise um allgemeine Krankenhausleistungen, wenn es für eine lebensbedrohliche Erkrankung keine wissenschaftlich anerkannte Therapie gebe. Zu den Wahlleistungen nach § 22 BPflV gehörten daher neben den nicht ärztlichen Wahlleistungen (z.B. Ein- oder Zweibettzimmer) auch therapeutische Leistungen, wenn sie ‑‑wie im Streitfall die Leistungen des Klägers, die keine Katalogleistungen i.S. des § 11 BPflV seien‑‑ nicht als allgemeine Krankenhausleistungen anzusehen seien. Dies entspreche Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG, wonach es darauf ankomme, dass die Krankenhausbehandlung unter vergleichbaren Bedingungen wie für öffentlich-rechtliche Krankenanstalten durchgeführt wird. Maßgeblich sei der Katalog der BPflV, da es die Gesundheitsfürsorge gebiete, alle medizinisch erforderlichen Maßnahmen zu finanzieren. Die Beschränkung der steuerbefreiten Krankenhausleistungen auf solche des § 11 BPflV stelle die soziale Vergleichbarkeit her. Unter Berücksichtigung der von den gesetzlichen Krankenkassen und Beihilfestellen erteilten Auskünfte habe der Kläger den Nachweis, dass mindestens 40 v.H. der Pflegetage in den Kliniken auf Patienten entfallen seien, bei denen eine Kostenübernahme durch die gesetzlichen Kassen oder die Beihilfestelle möglich gewesen sei, nicht erbracht. Die in den beiden Kliniken angewendeten Therapien würden auch heute noch nicht als Kassenleistungen erfasst.
Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2008, 741 veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 16 Buchst. a und Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG zu Unrecht verneint. Entscheidend sei nach § 67 AO die Höhe des nach der BPflV berechneten Entgelts, nicht seine Berechnung. Dass die BPflV nur für einige und nicht für alle von Krankenhäusern erbrachten Leistungen Fallpauschalen vorsehe, könne nicht dazu führen, die Zweckbetriebseigenschaft eines Krankenhauses, das Leistungen erbringe, für die keine Fallpauschalen bestehen, zu verneinen. Komme es für § 67 AO auf die konkreten Entgelte an, die ein unter die BPflV fallendes Krankenhaus den gesetzlichen Sozialversicherungsträgern berechne, sei die gesetzliche Regelung verfassungswidrig, da es im Hinblick auf die individuelle Kostenstruktur dieser Krankenhäuser für den nicht unter die BPflV fallenden Wettbewerber nicht feststellbar sei, wie er seine Preise zu kalkulieren habe, um nach § 67 Abs. 2 AO als Zweckbetrieb zu gelten. Zumindest ergebe sich eine teilweise Steuerfreiheit der Leistungen aus § 4 Nr. 14 UStG und dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität, da, wenn ein Arzt ein Krankenhaus betreibe, seine Heilbehandlungsleistungen nach dieser Vorschrift steuerfrei seien.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1994 bis 1999 vom 23. Oktober 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31. Januar 2003 dahingehend zu ändern, dass die festgesetzte Umsatzsteuer jeweils auf Null € herabgesetzt wird.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Voraussetzungen des § 67 Abs. 2 AO seien nicht nachgewiesen. Die soziale Vergleichbarkeit beziehe sich auf das Entgelt, die Art der Leistung, die Zweckbestimmung der Einrichtung und ihre Stellung im Sozial- und Gesundheitssystem. Steuerfrei seien nur die allgemeinen Krankenhausleistungen der privat betriebenen Krankenhäuser. Derartige Leistungen lägen mangels Kostentragung durch die gesetzlichen Krankenkassen nicht vor. Die Klägerin habe höhere Entgelte als die der BPflV unterliegenden Krankenhäuser berechnet.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers ist im Ergebnis begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Die Leistungen der beiden Kliniken sind steuerfrei, wenn mindestens 40 v.H. der jährlichen Pflegetage auf Patienten entfallen, die keine Wahlleistungen (Chefarztbehandlung und Zimmerbelegung) in Anspruch genommen haben und wenn der Kläger in diesem Umfang seine Leistungsentgelte nach Selbstkostengrundsätzen berechnet hat. Die Erbringung medizinischer "Wahlleistungen" ist dabei nicht zu berücksichtigen. Die Feststellungen des FG, das von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, erlauben keine abschließende Entscheidung.
1. Steuerfrei waren in den Streitjahren nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG "die mit dem Betrieb der Krankenhäuser ... eng verbundenen Umsätze, wenn ... bei Krankenhäusern im vorangegangenen Kalenderjahr die in § 67 Abs. 1 oder 2 der Abgabenordnung bezeichneten Voraussetzungen erfüllt" wurden. Die bereits vor Inkrafttreten der Richtlinie 77/388/EWG bestehende Vorschrift mit der Bezugnahme auf § 67 AO und mittelbar auf die BPflV ist richtlinienkonform (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 25. Januar 2006 V R 46/04, BFHE 211, 571, BStBl II 2006, 481, unter II.2.b) unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte auszulegen.
§ 67 AO hatte bei seinem Inkrafttreten zusammen mit der AO 1977 am 1. Januar 1977 (Art. 17 Nr. 1 des Einführungsgesetzes zur AO 1977 vom 14. Dezember 1976, BStBl I 1976, 694) folgenden Wortlaut:
"(1) Ein Krankenhaus, das in den Anwendungsbereich der Bundespflegesatzverordnung fällt, ist ein Zweckbetrieb, wenn mindestens 40 vom Hundert der jährlichen Pflegetage auf Patienten entfallen, bei denen nur der allgemeine Pflegesatz (§ 3 Bundespflegesatzverordnung) oder besondere Pflegesatz (§ 4 Bundespflegesatzverordnung) zuzüglich gesondert berechenbarer Kosten im Sinne der §§ 5 und 7 der Bundespflegesatzverordnung berechnet wird.
(2) Ein Krankenhaus, das nicht in den Anwendungsbereich der Bundespflegesatzverordnung fällt, ist ein Zweckbetrieb, wenn mindestens 40 vom Hundert der jährlichen Pflegetage auf Patienten entfallen, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als nach Absatz 1 berechnet wird."
Mit Wirkung ab 1. Januar 1986 erhielt § 67 AO durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 (StBereinG 1986) vom 19. Dezember 1985 (BGBl I 1985, 2436) folgende Fassung:
"(1) Ein Krankenhaus, das in den Anwendungsbereich der Bundespflegesatzverordnung fällt, ist ein Zweckbetrieb, wenn mindestens 40 vom Hundert der jährlichen Pflegetage auf Patienten entfallen, bei denen nur Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen (§§ 5, 6 und 21 der Bundespflegesatzverordnung) berechnet werden.
(2) Ein Krankenhaus, das nicht in den Anwendungsbereich der Bundespflegesatzverordnung fällt, ist ein Zweckbetrieb, wenn mindestens 40 vom Hundert der jährlichen Pflegetage auf Patienten entfallen, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als nach Absatz 1 berechnet wird."
Durch das Jahressteuergesetz 1997 vom 20. Dezember 1996 (BStBl I 1996, 1548) wurde die Bezugnahme in § 67 Abs. 1 AO dahingehend geändert, dass die Vorschrift hinsichtlich der Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen nunmehr auf §§ 11, 13 und 26 BPflV 1995 verweist. Nach § 1b Abs. 2 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (AOEG) gilt die Neuregelung allgemein mit Rückwirkung zum 1. Januar 1996, bei Krankenhäusern, die bereits mit Wirkung zum 1. Januar 1995 Fallpauschalen und Sonderentgelte nach § 11 BPflV 1995 angewendet haben, mit Rückwirkung ab 1. Januar 1995.
2. Seit Inkrafttreten des UStG 1980 "beruht" § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG mit der Verweisungskette über § 67 AO auf die BPflV auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG. Steuerfrei sind danach die Krankenhausbehandlung und die ärztliche Heilbehandlung sowie die mit ihnen eng verbundenen Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt bzw. bewirkt werden.
Darüber hinaus können die Mitgliedstaaten gemäß Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. a dritter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG die Steuerfreiheit nach Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie für Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, davon abhängig machen, dass Preise angewendet werden, die von den zuständigen Behörden genehmigt sind oder die genehmigten Preise nicht übersteigen; bei Tätigkeiten, für die eine Preisgenehmigung nicht vorgesehen ist, müssen Preise angewendet werden, die unter den Preisen liegen, die von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen für entsprechende Tätigkeiten gefordert werden.
Schließlich sind nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b erster Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG die in Teil A Abs. 1 Buchst. b genannten Dienstleistungen von der Steuerbefreiung ausgeschlossen, wenn sie zur Ausübung der Tätigkeiten, für die Steuerbefreiung gewährt wird, nicht unerlässlich sind.
3. Die Befreiung von anderen Einrichtungen als den Einrichtungen des öffentlichen Rechts setzt nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG voraus, dass die Krankenhausbehandlung und die ärztliche Heilbehandlung sowie die mit ihnen eng verbundenen Umsätze unter Bedingungen erfolgen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind. Dementsprechend sind Krankenhaus- und Heilbehandlungsleistungen nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. i.V.m. § 67 AO steuerfrei, wenn das Krankenhaus in mindestens 40 v.H. der Jahrespflegetage keine Wahlleistungen zur Zimmerbelegung und zur Chefarztbehandlung erbringt und in diesem Umfang seine Leistungsentgelte nach Selbstkostengrundsätzen berechnet. Die Erbringung sog. medizinischer "Wahlleistungen" ist insoweit unerheblich.
a) Wie der BFH mit Urteil vom 25. November 1993 V R 64/89 (BFHE 173, 242, BStBl II 1994, 212, unter II.2.a) unter Bezugnahme auf den Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf einer AO (BTDrucks 7/4292) entschieden hat, bewirkt die Verweisung in § 67 AO auf die BPflV 1973, dass nicht mehr als 60 v.H. der jährlichen Pflegetage auf Patienten entfallen dürfen, die sonstige gesondert berechenbare Leistungen nach § 6 BPflV 1973 und damit sog. Wahlleistungen hinsichtlich der Unterkunft (Belegung eines Ein- oder Zweibettzimmers) oder der Arztwahl (Chefarztbehandlung) in Anspruch nehmen.
Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass Krankenhäuser in privater Trägerschaft nur dann unter sozial vergleichbaren Bedingungen wie öffentlich-rechtlich organisierte Krankenanstalten tätig sind, wenn sie diese Wahlleistungen nur in beschränktem Umfang erbringen. Denn die Wahlleistungen Unterkunft und Chefarztbehandlung können nicht von allen Krankenhauspatienten, sondern nur von denjenigen in Anspruch genommen werden, die die hierfür erforderlichen Zusatzkosten aufbringen können und wollen.
Hieran ist auch unter der Geltung der geänderten Verweisungen des § 67 AO auf §§ 5, 6 und 21 BPflV 1986 und auf §§ 11, 13 und 26 BPflV 1995 festzuhalten. Daher kommt es auch in den Streitjahren darauf an, in welchem Umfang der Krankenhausträger Wahlleistungen (§ 7 BPflV 1986 und § 22 BPflV 1995) erbringt.
b) Allerdings entspricht der Begriff der Wahlleistungen in den Streitjahren nicht mehr dem der BPflV 1973, der der bisherigen Rechtsprechung des Senats zugrunde lag.
aa) Während sich Wahlleistungen unter der Geltung der BPflV 1973 vorrangig auf die Art der Unterbringung oder die Behandlung durch besondere Ärzte bezogen (BFH-Urteil in BFHE 173, 242, BStBl II 1994, 212, unter II.2.a), sind nunmehr aufgrund von Maßnahmen zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen zunehmend sog. medizinische "Wahlleistungen" verbreitet.
Bei den medizinischen Wahlleistungen kann es sich handeln um Leistungen bei fehlender medizinischer Indikation (z.B. "Schönheitsoperationen"), um Leistungen anlässlich einer medizinisch indizierten Krankenhausbehandlung (z.B. erweiterte Labordiagnostik, die bei einer Erkrankung erfolgt, für deren Behandlung aber nicht notwendig ist), um medizinische Alternativbehandlungen (Fälle, in denen bei einer medizinisch notwendigen Behandlung ‑‑ggf. innovative‑‑ Alternativbehandlungsmethoden zur Verfügung stehen, deren Kosten von den gesetzlichen Krankenkassen ‑‑ggf. noch‑‑ nicht getragen werden) oder um Leistungen im Rahmen einer ambulanten Behandlung (Behandlung durch ein zur ambulanten Behandlung von Kassenpatienten nicht zugelassenes Krankenhaus; vgl. hierzu allgemein Informationspapier der Deutschen Krankenhausgesellschaft zum Angebot medizinischer Wahlleistungen durch Krankenhäuser, KH ‑‑Das Krankenhaus‑‑ 2005, 401).
Zwar sind nicht alle medizinischen Wahlleistungen als Krankenhaus- oder Heilbehandlung oder eng hiermit verbundener Umsatz steuerfrei (vgl. zur Schönheitsoperation: BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 27/03, BFHE 206, 471, BStBl II 2004, 862). Insbesondere bei medizinischen Wahlleistungen, bei denen es sich um eine medizinische Alternativbehandlung handelt, kann jedoch eine steuerfreie Krankenhaus- oder Heilbehandlung vorliegen.
bb) Bei richtlinienkonformer Auslegung entsprechend Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG sind im Rahmen der Verweisung durch § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG i.V.m. § 67 AO auf die BPflV 1986 und die BPflV 1995 medizinische Wahlleistungen bei der Bestimmung der Zweckbetriebseigenschaft nicht zu berücksichtigen. Denn die Verweisung in § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG auf § 67 AO dient bei Auslegung entsprechend Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG nur dazu, die Steuerfreiheit der durch private Krankenhäuser erbrachten Leistungen auf Leistungen der Krankenhäuser zu beschränken, die unter sozial vergleichbaren Bedingungen wie öffentlich-rechtliche Krankenhäuser tätig sind. Hierfür sind Zimmerbelegung und Chefarztbehandlung von Bedeutung, nicht aber auch medizinische Leistungen, bei denen nach nationalem Pflegesatzrecht eine Kostentragung durch die gesetzlichen Krankenkassen unterbleibt.
c) Wie der BFH bereits zu § 67 Abs. 2 i.V.m. § 1 AO i.d.F. des StBereinG 1986 in Verbindung mit der BPflV 1985 entschieden hat, ist weiter Voraussetzung für die Anwendung des § 67 Abs. 2 AO eine Vorauskalkulation der eigenen Selbstkosten (BFH-Urteil vom 2. Oktober 2003 IV R 48/01, BFHE 204, 80, BStBl II 2004, 363, unter II.1.c), für die ‑‑soweit möglich‑‑ die Bestimmungen der BPflV zur Kostenkalkulation zu berücksichtigen sind.
Vor den Streitjahren folgte das Erfordernis einer Vorauskalkulation aus der Verweisung in § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG i.V.m. § 67 AO auf die BPflV 1973 ‑‑den allgemeinen und den besonderen Pflegesatz nach §§ 3, 4 BPflV 1973‑‑ bereits daraus, dass diese Pflegesätze nach § 16 BPflV 1973 auf der Grundlage der Selbstkosten festzusetzen waren.
Hieran hat sich durch die späteren Änderungen durch die BPflV 1986 und BPflV 1995 dem Grundsatz nach nichts geändert. So erfolgte z.B. die Vergütung nach § 6 BPflV 1986 auf der Grundlage vorauskalkulierter Selbstkosten. Weitere Änderungen der BPflV dienten der Kostendämpfung im Gesundheitswesen und damit der Begrenzung der "Selbstkosten", wie sich für die BPflV 1995 z.B. aus der Budgetierung in einem zweistufigen Verfahren ergibt, bei dem zunächst das medizinisch leistungsgerechte Budget unter Berücksichtigung von Leistungsgerechtigkeit und wirtschaftlicher Sicherung des Krankenhauses zu ermitteln ist und dieses Budget in einem zweiten Schritt einer Erlösobergrenze gegenübergestellt wird, bei der es sich im Rahmen einer sog. Deckelung der Krankenhausausgaben um eine Kappungsgrenze handelt (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. September 2005 3 C 41/04, BVerwGE 124, 209, unter 4.).
d) Ob und inwieweit Patienten als Wahlleistung die Überlassung von Telefonen und Fernsehgeräten in Anspruch genommen haben, ist für die Berechnung der Jahrespflegetagegrenze unerheblich, da diese Leistungen nicht zu den nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG steuerfreien Leistungen gehören (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union ‑‑EuGH‑‑ vom 1. Dezember 2005 C-394/04, Ygeia, Slg. 2005, I-10373), zumal der Erbringung dieser Leistungen im Hinblick auf ihre Verbreitung auch in öffentlich-rechtlichen Krankenhäusern keine Bedeutung für die soziale Vergleichbarkeit der Leistungstätigkeiten zukommt.
e) Aus der Verweisung in § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG i.V.m. § 67 AO auf die BPflV ‑‑mit Ausnahme der Verweisung auf Fallpauschalen nach § 11 Abs. 1 BPflV 1995‑‑ folgt im Übrigen nicht, dass für die Leistung von den zuständigen Behörden genehmigte Preise anzuwenden sind. Denn bei den Pflegesatzvereinbarungen nach §§ 5, 6 und 21 BPflV 1986 oder den nicht auf Fallpauschalen bezogenen Preisvereinbarungen nach §§ 11, 13 und 26 BPflV 1995 handelt es sich nicht um Preisgenehmigungen i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. a dritter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG, sondern um Preisvereinbarungen für einzelne Krankenhäuser, die unter Berücksichtigung der jeweils individuellen Situation des jeweiligen Krankenhauses getroffen werden. Allgemein genehmigte Preise (vgl. BFH-Urteil vom 17. Februar 2009 XI R 67/06, BFHE 224, 183, BFH/NV 2009, 869), die auch für die der BPflV nicht unterliegenden Krankenhäuser beachtlich wären, liegen daher nicht vor.
4. Entgegen der Auffassung des FG rechtfertigt Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b erster Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG, wonach Lieferungen und Dienstleistungen von der Steuerfreiheit ausgeschlossen sind, wenn sie zur Ausübung der Tätigkeiten, für die die Steuerfreiheit gewährt wird, nicht unerlässlich sind, keine Eingrenzung der steuerfreien Krankenhaus- und Heilbehandlung auf solche Leistungen, die nach der BPflV von den gesetzlichen Krankenkassen vergütet werden. Denn dies würde letztlich dazu führen, dass die Begriffe der "Krankenhausbehandlung und der ärztlichen Heilbehandlung" nach nationalem Recht und nicht ‑‑wie erforderlich‑‑ autonom nach der Richtlinie 77/388/EWG ausgelegt werden (vgl. hierzu EuGH-Urteil vom 10. Juni 2010 C-262/08, CopyGene, BFH/NV 2010, 1589 Rdnr. 24). Der fehlende Heilbehandlungscharakter darf daher nicht allein daraus abgeleitet werden, dass die Leistungen des Klägers nicht in der BPflV aufgeführt waren. Daher kann ein Krankenhaus, das ausschließlich medizinische Wahlleistungen erbringt, bei denen es sich aber umsatzsteuerrechtlich um Krankenhaus- oder Heilbehandlungsleistungen i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG handelt, grundsätzlich die Steuerfreiheit seiner Umsätze nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG i.V.m. § 67 AO beanspruchen, wenn es die Wahlleistungen Unterkunft und Chefarztbehandlung in nicht mehr als 60 v.H. der jährlichen Pflegetage erbringt und darüber hinaus die unter II.3.c genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
5. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen; sein Urteil war daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
a) Bei richtlinienkonformer Auslegung dienen Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin der Diagnose, Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen. Sie müssen einen therapeutischen Zweck haben. Zu den Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin gehören auch Leistungen, die zum Zweck der Vorbeugung erbracht werden, wie vorbeugende Untersuchungen und ärztliche Maßnahmen an Personen, die an keiner Krankheit oder Gesundheitsstörung leiden, sowie Leistungen, die zum Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit erbracht werden (BFH-Urteil vom 30. April 2009 V R 6/07, BFHE 225, 248, BStBl II 2009, 679, mit Nachweisen zur Rechtsprechung des EuGH). Leistungen, die lediglich den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern sollen, sind keine Heilbehandlungen nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG (BFH-Urteil in BFHE 225, 248, BStBl II 2009, 679, unter II.2.b). Gleiches gilt für Buchst. b dieser Bestimmung (vgl. EuGH-Urteil CopyGene in BFH/NV 2010, 1589 Rdnr. 28). Das FG hat hierzu ‑‑insbesondere hinsichtlich der Kurklinik‑‑ keine ausreichenden Feststellungen getroffen.
b) Sollte im zweiten Rechtsgang davon auszugehen sein, dass es sich bei den Leistungen der beiden Kliniken um Krankenhaus- und Heilbehandlungsleistungen handelt, ist weiter zu prüfen, ob in den beiden Kliniken zumindest in 40 v.H. der Jahrespflegetage die Wahlleistungen Unterkunft und Chefarztbehandlung nicht erbracht wurden.
c) Den Feststellungen des FG lässt sich auch nicht entnehmen, ob die beiden Kliniken ihre Umsätze ‑‑mangels Vorliegen von Fallpauschalen für die von ihnen erbrachten Leistungen‑‑ in dem nach § 67 AO erforderlichen Umfang nach Selbstkostengrundsätzen berechnet haben (s. oben II.3.c).
d) Im Übrigen hat das FG zu Recht entschieden, dass Leistungen eines Krankenhauses in privater Trägerschaft nur nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG und nicht nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei sein können (BFH-Urteil vom 18. März 2004 V R 53/00, BFHE 204, 503, BStBl II 2004, 677, Leitsatz).