BFH III. Senat
FGO § 65 Abs 1
vorgehend FG Köln, 09. Mai 2007, Az: 10 K 2341/01
Leitsätze
NV: Die Angabe des Wohnorts des Klägers ist eine Sachentscheidungsvoraussetzung, die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorliegen muss. Ist der Aufenthalt unbekannt, so ist die Klage unzulässig.
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), dessen Staatsangehörigkeit nicht geklärt ist, gehört nach seinen Angaben dem Volk der Palästinenser an und lebt seit 1992 in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik). Er war im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis, die mehrfach verlängert wurde. Bis Mai 2004 war er erwerbstätig.
Im Juli 2000 beantragte der Kläger Kindergeld für seine vier Kinder. Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) lehnte den Antrag ab, der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Im anschließenden Klageverfahren erklärte der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 10. Mai 2007, er habe bereits seit Mai 2004 keinen Kontakt mehr zum Kläger und wisse auch nicht, wo sich dieser aufhalte. Das Finanzgericht (FG) verpflichtete die Familienkasse, Kindergeld für drei Kinder des Klägers für den Zeitraum Juli 1997 bis Mai 2004 und für ein weiteres Kind für den Zeitraum Mai 1998 bis Mai 2004 zu gewähren, im Übrigen wies es die Klage ab. Es war der Ansicht, nach dem Wortlaut des § 62 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes bestehe zwar kein Anspruch auf Kindergeld. Die Vorschrift sei jedoch einschränkend dahin auszulegen, dass der Ausschluss von Ausländern von der Kindergeldberechtigung nicht für solche Eltern gelte, die ‑‑wie der Kläger‑‑ auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden könnten und die sich seit mindestens einem Jahr ununterbrochen in der Bundesrepublik aufhielten.
Zur Begründung der Revision trägt die Familienkasse vor, die Neuregelung der Kindergeldberechtigung von Ausländern sei verfassungsrechtlich unbedenklich.
Sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat zu Unrecht der Klage zum Teil stattgegeben, vielmehr hätte es sie als unzulässig verwerfen müssen, weil sie nicht den Anforderungen des § 65 Abs. 1 FGO genügt.
Nach § 65 Abs. 1 FGO muss die Klage u.a. den Kläger bezeichnen. Hierzu gehört auch die Pflicht zur Angabe einer ladungsfähigen Anschrift (Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 28. Januar 1997 VII R 33/96, BFH/NV 1997, 585, und vom 11. Dezember 2001 VI R 19/01, BFH/NV 2002, 651; Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. November 2009 2 BvL 4/07, BFH/NV 2010, 153; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 65 FGO Rz 7; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 65 FGO Rz 44; Gräber/v. Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 65 Rz 25; Stöcker in Beermann/Gosch, FGO, § 65 Rz 37). Ein Kläger hat im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht dafür Sorge zu tragen, dass er durch die Angabe seines tatsächlichen Wohnortes und Lebensmittelpunktes für das Gericht stets erreichbar bleibt. Die Sachentscheidungsvoraussetzung der ausreichenden Bezeichnung des Klägers muss grundsätzlich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorliegen (vgl. BFH-Urteil vom 17. Oktober 1990 I R 118/88, BFHE 162, 534, BStBl II 1991, 242). Im Streitfall konnte der Klägervertreter bis zu diesem Zeitpunkt keine Anschrift benennen, er wies vielmehr darauf hin, dass ihm der Aufenthalt des Klägers nicht bekannt sei und er keinen Kontakt mehr zu ihm habe. Die Klage ist somit unzulässig.