BFH VIII. Senat
AO § 41 Abs 1, EStG § 18 Abs 1 Nr 1, EStG § 18 Abs 1 Nr 1, EStG § 15 Abs 1 S 1 Nr 2, EStG § 15 Abs 1 S 1 Nr 2
vorgehend FG Köln, 16. Januar 2007, Az: 4 K 4321/04
Leitsätze
NV: Geht ein Angehöriger eines freien Berufs i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG mit einer berufsfremden Person eine Mitunternehmerschaft ein, so erzielt die Mitunternehmerschaft gewerbliche Einkünfte.
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Vater und Sohn. Der Vater (V) ist als Steuerberater zugelassen, sein Sohn (S) ist Diplom-Kaufmann und Steuerfachgehilfe.
V führte als Steuerberater eine Einzelpraxis. Zum ... 1995 gründete er mit S eine Sozietät. S hatte behauptet, im zweiten Versuch die Steuerberaterprüfung bestanden zu haben. Ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag wurde nicht geschlossen. Eine Anzeige der Sozietätsgründung bei der Steuerberaterkammer erfolgte nicht.
Ab dem Veranlagungszeitraum 1995 bis einschließlich 1999 gaben die Kläger Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ab. Sie bezeichneten sich darin als "X Partner", erklärten gemeinschaftliche Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die sie nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelten und gaben an, dass V mit einem Gewinnanteil in Höhe von 60 % und S mit einem Gewinnanteil von 40 %, ab 1999 beide Gesellschafter mit jeweils 50 % an der Gesellschaft beteiligt seien. Im Außenverhältnis firmierten die Kläger auf ihrem gemeinsamen Briefbogen ebenfalls als "X Partner".
Nachdem sich im Jahr 2002 im Zuge strafrechtlicher Ermittlungen gegen S herausgestellt hatte, dass dieser die Berufsbezeichnung Steuerberater zu Unrecht führte, da er die Prüfung nicht bestanden hatte, erklärte V die Zusammenarbeit mit seinem Sohn für beendet und zeigte dies seinen Mandanten und der Steuerberaterkammer an.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) veranlagte die Kläger zunächst erklärungsgemäß. Im Anschluss an eine Außenprüfung gelangte das FA zu der Auffassung, dass die Kläger Mitunternehmer seien und ‑‑mangels der Bestellung aller Mitunternehmer zu Steuerberatern‑‑ Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielten.
Das FA erließ geänderte Feststellungsbescheide für die Streitjahre 1996, 1997, 1998 und 1999. Für die Streitjahre 2000 und 2001, für die keine Feststellungserklärungen mehr abgegeben worden waren, schätzte das FA den Gewinn der Sozietät.
Hiergegen erhoben die Kläger Einspruch und beantragten, die Gewinnfeststellungsbescheide aufzuheben und die Einkünfte des V in dessen Einkommensteuerveranlagungen als Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG) zu behandeln.
Während des Einspruchsverfahrens legten die Kläger eine zwischen ihnen geschlossene Vereinbarung vor, die nicht datiert ist. Unter Ziffer 1 wird festgelegt, dass S an V die ihm in den Jahren 1995 bis 2001 zugewiesenen Gewinnanteile zurückzuzahlen hat. Der Anspruch des V beträgt 436.652,91 € (854.018,86 DM). Nach Ziffer 2 der Vereinbarung hat S einen Gegenanspruch aus Bereicherungsrecht für die Jahre 1995 bis 2001 in Höhe von 454.470,88 € (= 768.616,98 DM Vergütungen zuzüglich 120.250,80 DM [= 61.483,26 €] Umsatzsteuer). Nach Abtretung von Vorsteuererstattungsansprüchen und Aufrechnung der Restbeträge verblieb ein Restsaldo in Höhe von 43.665,29 € zu Gunsten von V, der am 31. Dezember 2002 fällig sein sollte.
Die gegen die Änderungsbescheide in der Form der Einspruchsentscheidung erhobene Klage hatte keinen Erfolg. In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) hatten die Kläger erklärt, bei der Bemessung des Wertersatzes aus Bereicherungsrecht für S seien sie von einem 10 %-Abschlag von den Gewinnanteilen ausgegangen, da hierin der übliche Zuschlag für das Unternehmerrisiko bestehe. Im Übrigen sei S auch Diplom-Kaufmann gewesen und habe der Sozietät wegen seiner Tätigkeit bei einem Sportverein Aufträge verschafft. Das Urteil des FG Köln vom 17. Januar 2007 (Az. 4 K 4321/04) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1085 veröffentlicht.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Der Steueranspruch sei rückwirkend entfallen, da dem Verstoß gegen das Steuerberatungsgesetz sowie der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung steuerliche Rückwirkung i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) zukomme. Die zivilrechtlich anerkannten Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft fänden keine Anwendung. Die Nichtigkeit des Gesellschaftsverhältnisses sei steuerrechtlich gemäß § 41 AO maßgebend, da die Kläger das Geschäft vollständig rückabgewickelt hätten. V habe daher weiterhin Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 18 EStG erzielt, während S Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 EStG erzielt habe. Steuerrechtlich sei S kein Mitunternehmer gewesen, da ihm die Zulassung zum Steuerberater gefehlt habe und er daher nicht leitend und eigenverantwortlich habe tätig sein können.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des FG Köln vom 17. Januar 2007 4 K 4321/04 sowie die Gewinnfeststellungsbescheide für 1996 bis 2001 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2004 ersatzlos aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Sie ist deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
Im Ergebnis hat das FG die Einkünfte der Kläger zutreffend als Mitunternehmereinkünfte aus Gewerbebetrieb behandelt (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG).
1. Geht ein Angehöriger eines freien Berufs i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG mit einer berufsfremden Person eine Mitunternehmerschaft ein, so erzielt diese gewerbliche Einkünfte (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 14. Februar 1956 I 84/55 U, BFHE 62, 277, BStBl III 1956, 103; vom 11. Juni 1985 VIII R 254/80, BFHE 144, 62, BStBl II 1985, 584; vom 9. Oktober 1986 IV R 235/84, BFHE 148, 42, BStBl II 1987, 124; vom 8. April 2008 VIII R 73/05, BFHE 221, 238, BStBl II 2008, 681). Wegen der besonderen persönlichen Eigenschaften, die mit der Ausübung eines freien Berufs i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG verbunden sind, ist die Tätigkeit einer Personengesellschaft nur dann als "freiberuflich" zu beurteilen, wenn alle Mitunternehmer die Voraussetzungen einer freiberuflichen Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllen. Erfüllt nur ein Mitunternehmer diese Voraussetzungen nicht, erzielen alle Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG.
Der berufsfremde Gesellschafter übt auch keine einem freien Beruf ähnliche Tätigkeit aus. Die ohne Zulassung entfaltete Tätigkeit kann der Tätigkeit in einem der Katalogberufe nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht ähnlich sein, wenn für dessen Ausübung eine besondere Zulassung erforderlich ist (BFH-Urteile vom 6. Juni 1973 V R 88/72, BFHE 110, 66, BStBl II 1975, 522; vom 14. März 1975 IV R 207/72, BFHE 115, 265, BStBl II 1975, 576; vom 17. November 1981 VIII R 121/80, BFHE 135, 421, BStBl II 1982, 492). Dies ergibt sich daraus, dass die gesetzlich geforderte Zulassung als besonderes charakteristisches Merkmal der Berufstätigkeit anzusehen ist. Der Gesetzgeber entscheidet darüber, unter welchen Voraussetzungen eine Tätigkeit als freiberuflich zu qualifizieren ist (zum Fall einer Steuerberaterpraxis bereits ausführlich BFH-Urteil in BFHE 148, 42, BStBl II 1987, 124). Eine Aufteilung der Einkünfte in solche des Freiberuflers nach § 18 EStG und solche des Berufsfremden aus Gewerbebetrieb ist nicht möglich (BFH-Urteile in BFHE 148, 42, BStBl II 1987, 124; in BFHE 221, 238, BStBl II 2008, 681).
2. Nach diesen Maßstäben haben die Kläger gemeinschaftlich gewerbliche Einkünfte erzielt.
Die Kriterien der steuerrechtlichen Mitunternehmerschaft ‑‑Mitunternehmerrisiko und Mitunternehmerinitiative‑‑, die nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, 440, BStBl II 1984, 751, 769) im Einzellfall zwar mehr oder weniger ausgeprägt sein können, jedoch beide vorliegen müssen, sind im Streitfall anhand der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu bejahen. Die Kläger haben sich auf eine gemeinsame Einkünfteerzielung durch Steuerberatungsleistungen geeinigt, eine zwischen ihnen geltende Gewinnverteilung beschlossen und diese Vereinbarungen in den Streitjahren auch tatsächlich vollzogen.
Der Einwand der Kläger, S habe Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit gemäß § 19 EStG erzielt, weil ihm die Zulassung zum Steuerberater gefehlt habe und er deshalb nicht leitend und eigenverantwortlich tätig geworden sei, greift nicht durch. Nach den Feststellungen des FG und dem eigenen Vorbringen der Kläger ist S nicht, wie es § 19 EStG voraussetzt, weisungsabhängig für V tätig geworden, sondern hat mit V gemeinsam Steuerberatung betrieben. Als ohne Zulassung tätiger Gesellschafter erzielte er originär gewerbliche Einkünfte, so dass die Mitunternehmerschaft insgesamt keine freiberuflichen, sondern nur gewerbliche Einkünfte erzielen konnte (vgl. BFH-Urteil in BFHE 148, 42, BStBl II 1987, 124).
3. Eine gewerbliche Mitunternehmerschaft zwischen V und S besteht im Streitfall selbst dann, wenn der zwischen ihnen stillschweigend geschlossene Gesellschaftsvertrag bürgerlich-rechtlich unwirksam ist.
Die von den Klägern aufgeworfenen Fragen, ob der Gesellschaftsvertrag wegen Verstoßes gegen Berufsrecht und damit gegen ein gesetzliches Verbot (vgl. hierzu Urteil des Bundesgerichtshofs ‑‑BGH‑‑ vom 20. März 1986 II ZR 75/85, BGHZ 97, 243; BGH-Beschluss 28. September 1995 II ZR 257/94, Deutsches Steuerrecht 1995, 1722; BGH-Urteil vom 16. Dezember 2002 II ZR 109/01, BGHZ 153, 214) oder aufgrund einer erklärten Anfechtung durch V von Anfang an bürgerlich-rechtlich unwirksam war, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Es bedarf im Streitfall auch keiner Entscheidung, ob eine von Anfang an gegebene bürgerlich-rechtliche Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrags die Existenz einer steuerrechtlichen Mitunternehmerschaft gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausschließt (vgl. BFH-Urteil vom 1. August 1996 VIII R 12/94, BFHE 181, 423, BStBl II 1997, 272).
Die bürgerlich-rechtliche Unwirksamkeit des Gesellschaftsvertrags zwischen V und S wäre jedenfalls steuerrechtlich gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 AO unerheblich, weil die Kläger das wirtschaftliche Ergebnis des gemeinsamen Betriebs der Steuerberaterpraxis nicht vollständig rückgängig gemacht haben.
a) Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 AO bleibt ein unwirksames Rechtsgeschäft für die Besteuerung erheblich, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen.
Diese Vorschrift bringt zum Ausdruck, dass es für Zwecke der Besteuerung auf den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt und nicht auf die zivilrechtliche Wirksamkeit der zugrunde liegenden Vereinbarung ankommt, soweit und solange die Beteiligten aus der anfänglichen oder späteren Unwirksamkeit keine Folgerungen ziehen und das wirtschaftliche Ergebnis eintreten und bestehen lassen, den Vollzug also nicht rückgängig machen (BFH-Urteil vom 17. Februar 2004 VIII R 28/02, BFHE 205, 426, BStBl II 2005, 46; Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 41 AO Rz 2, m.w.N.). Der Tatbestand der Einkünfteerzielung kann dabei grundsätzlich nicht ungeschehen gemacht werden (Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 40 AO Rz 13; Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 19. Juli 1993 GrS 1/92, BFHE 172, 80, BStBl II 1993, 894; GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897).
b) Die Kläger haben mit der im Einspruchsverfahren vorgelegten Vereinbarung nicht das wirtschaftliche Ergebnis ihres Handelns nach § 41 Abs. 1 Satz 1 AO mit steuerlicher Wirkung beseitigt. Die Vereinbarung bedeutete keine Rückabwicklung wie unter fremden Dritten. Die Kläger nahmen bei der Bemessung des Wertansatzes für S lediglich einen geringen Abschlag für das Unternehmerrisiko vor und berücksichtigten im Übrigen ausdrücklich die Gewinnung von Aufträgen durch S. Damit haben sie im wirtschaftlichen Ergebnis an der gemeinsamen Einkünfteerzielung im Rahmen der Praxisgemeinschaft festgehalten und S weiterhin die aus der unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen erwirtschafteten Gewinnanteile im Wesentlichen zugewiesen. Eine solche lediglich auf die Vermeidung von Steuerfolgen gerichtete Vereinbarung vermag das wirtschaftliche Ergebnis nicht mit steuerlicher Wirkung zu beseitigen.