BFH III. Senat
FGO § 82, ZPO § 377 Abs 2, ZPO § 380 Abs 1, ZPO § 381 Abs 1
vorgehend FG Nürnberg, 01. Juni 2009, Az: 7 K 1615/2007
Leitsätze
1. NV: Allein durch Vorlage eines privatärztlichen, nur die Arbeitsunfähigkeit bescheinigenden Attests wird die Reise- bzw. Verhandlungsunfähigkeit eines Zeugen nicht ausreichend dargetan .
2. NV: Die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen einen nicht erschienenen Zeugen ist grundsätzlich auch dann geboten, wenn sich seine Vernehmung als entbehrlich erweist .
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) bestimmte in dem Verfahren 7 K 1615/2007 Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme auf den 29. Mai 2009. Mit Fax vom 22. Mai 2009 lud das FG den Beschwerdeführer, der von Beruf Steuerberater ist, gegen Empfangsbekenntnis als Zeugen zu diesem Termin.
Der Beschwerdeführer bestätigte am 28. Mai 2009 per Fax, die Ladung an diesem Tag zur Kenntnis genommen zu haben und kündigte an, er könne den Termin so kurzfristig, u.a. wegen dringender Fristen, nicht wahrnehmen. Daraufhin teilte ihm das FG am selben Tag mit, er könne von seiner Pflicht zum Erscheinen nicht entbunden werden, und drohte ihm für den Fall seines unentschuldigten Ausbleibens ein Ordnungsgeld und die Tragung der durch das Ausbleiben entstandenen Kosten an.
Am frühen Morgen des 29. Mai 2009 informierte der Beschwerdeführer das FG per Fax darüber, dass er den anberaumten Termin krankheitsbedingt nicht wahrnehmen könne. Zugleich übermittelte er ein ärztliches Attest, ausweislich dessen er vom 28. Mai 2009 bis einschließlich 5. Juni 2009 arbeitsunfähig war. Im Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme erschien der Beschwerdeführer nicht.
Das FG wies die Klage in Sachen 7 K 1615/2007 mit Urteil vom 29. Mai 2009 ab. Ausweislich der Urteilsgründe hielt das FG eine Vernehmung des Beschwerdeführers für entbehrlich, weil es aus seiner Sicht auf den vom Beschwerdeführer zu bezeugenden Umstand nicht ankam.
Mit Beschluss vom 2. Juni 2009 erlegte das FG dem Beschwerdeführer die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten auf und setzte gegen ihn ein Ordnungsgeld in Höhe von 400 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft von sechs Tagen fest.
Gegen den am 17. Juni 2009 zugestellten Beschluss legte der Beschwerdeführer am 29. Juni 2009 Beschwerde ein. Zur Begründung gab er an, er sei krankheitsbedingt verhindert gewesen. Am Nachmittag vor dem anberaumten Termin habe er sich beim Räumen eines Büros schmerzhafte Rückenbeschwerden zugezogen, die seine Anreise zum Gerichtstermin unmöglich gemacht hätten. Der Beschwerdeführer reichte hierzu ein weiteres Attest des behandelnden Arztes ein.
Das FG half der Beschwerde nicht ab.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
1. Gemäß § 82 FGO i.V.m. § 380 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) werden einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt, ohne dass es eines Antrags bedarf. Zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt. Diese Maßnahmen unterbleiben, wenn das Ausbleiben des Zeugen rechtzeitig genügend entschuldigt wird (§ 381 Abs. 1 Satz 1 ZPO); erfolgt die Entschuldigung nicht rechtzeitig, so unterbleiben die Maßnahmen nur dann, wenn glaubhaft gemacht wird, dass den Zeugen an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft (§ 381 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Unter derselben Voraussetzung werden, wenn die genügende Entschuldigung nachträglich erfolgt, die getroffenen Anordnungen aufgehoben (§ 381 Abs. 1 Satz 3 ZPO).
2. Der Beschwerdeführer ist nicht zu der vom FG anberaumten Verhandlung erschienen, obwohl er ordnungsgemäß geladen war. Die Zeugenladung konnte ohne jede Frist auch durch formlose Mitteilung erfolgen (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 68. Aufl., § 377 Rz 4; Stein/Jonas/ Berger, ZPO, 22. Aufl., § 380 Rz 2; Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 377 Rz 1a). Das Schreiben des Vorsitzenden vom 28. Mai 2009, mit dem der Beschwerdeführer zuletzt zum Erscheinen aufgefordert wurde, hatte den in § 377 Abs. 2 ZPO für eine Ladung vorgeschriebenen Inhalt. Der dem Beschwerdeführer bekannte Gegenstand der Vernehmung wurde durch den Hinweis, das FG werde für seine Entbindung von der Schweigepflicht Sorge tragen, in Bezug genommen; im Übrigen enthielt die Aufforderung neben der Bezeichnung der Beteiligten einen Hinweis auf die Folgen bei unentschuldigtem Fernbleiben.
Sein Fernbleiben hat der Beschwerdeführer nicht rechtzeitig genügend entschuldigt. Durch die vorgelegte privatärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wurde eine Reise- bzw. Verhandlungsunfähigkeit nicht dargetan (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 16. Dezember 2005 VIII B 204/05, BFH/NV 2006, 771). Zwar hat er im Beschwerdeverfahren ein weiteres privatärztliches Attest vom 19. Juni 2009 eingereicht. Dieses könnte aber gemäß § 82 FGO i.V.m. § 381 Abs. 1 Satz 3 ZPO nur dann zur Aufhebung der vom FG getroffenen Anordnungen führen, wenn der Beschwerdeführer dargetan und glaubhaft gemacht hätte, dass er die Entschuldigung nicht schon im Vorfeld des Verhandlungstermins habe vorbringen können. Hierfür gibt es jedoch keine Anhaltspunkte. Vielmehr musste es sich dem Beschwerdeführer ‑‑zumal als kundigem Steuerberater‑‑ aufdrängen, seine Erkrankung als neu hinzugetretenen Hinderungsgrund dem FG nachvollziehbar darzulegen, nachdem er noch am Vortag der Verhandlung "andere dringende Fristen" sowie die nicht erfolgte Entbindung von der Schweigepflicht als Hinderungsgründe angeführt hatte.
3. Die Rechtmäßigkeit der vom FG beschlossenen Maßnahmen wird nicht dadurch berührt, dass das Fernbleiben des Beschwerdeführers nicht zur Vertagung der mündlichen Verhandlung nötigte, sondern der Rechtsstreit in jener Verhandlung durch ein Endurteil abgeschlossen werden konnte. Denn die Festsetzung von Ordnungsmitteln ist unter den Voraussetzungen des § 380 ZPO grundsätzlich auch dann geboten, wenn sich die Vernehmung des nicht erschienenen Zeugen als entbehrlich erweist (BFH-Beschluss vom 9. Juli 2007 I B 55/07, BFHE 218, 17, BStBl II 2009, 605).
4. Schließlich ist die angefochtene Entscheidung auch im Hinblick auf die Höhe der festgesetzten Ordnungsmittel unbedenklich. Für die Festsetzung von Ordnungsgeld beträgt das Mindestmaß 5 €, das Höchstmaß 1.000 €, für die Festsetzung von Ordnungshaft das Mindestmaß einen Tag, das Höchstmaß sechs Wochen (Art. 6 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch i.d.F. des Gesetzes vom 13. Dezember 2001, BGBl I, 3574, 3578). Der Senat stimmt den Überlegungen des FG zu, dass der Beschwerdeführer bewusst ohne rechtzeitige genügende Entschuldigung der Verhandlung fernblieb, obwohl er sich als Berufsträger in besonderem Maße über die ihn als Zeugen treffenden Pflichten im Klaren sein musste. Vor dem Hintergrund, dass noch am Vortag andere Hinderungsgründe geltend gemacht waren, konnte das FG die Vorlage einer nicht aussagekräftigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als Ergänzung eines nicht glaubhaften, wechselnden Vortrages verstehen.