BFH X. Senat
AO § 173 Abs 1 Nr 1, AO § 175 Abs 1 S 1 Nr 1, EStG § 4 Abs 4, EStG § 4 Abs 4, EStG § 4 Abs 1
vorgehend FG Münster, 09. Januar 2008, Az: 1 K 4908/04 E, G
Leitsätze
NV: Eine allein in bei Ihm archivierten Akten festgehaltene Tatsache muss das FA nur dann als bekannt gegen sich gelten lassen, wenn für die Hinzuziehung dieser Akten nach den Umständen des Falls eine besondere Veranlassung bestand.
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für die Streitjahre 1996 bis 1999 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger erzielt aus einer Handelsvertretung Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er ermittelt seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich.
Für die Streitjahre ergingen nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Einkommensteuerbescheide und Gewerbesteuermessbescheide. Die Festsetzungen waren jeweils lediglich wegen einzelner verfassungsrechtlicher Fragen vorläufig. Auch die Gewerbesteuerzerlegungsbescheide für 1997 bis 1999 ergingen endgültig.
Im Rahmen einer Außenprüfung beim Kläger vertrat der Prüfer und ihm folgend der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) die Auffassung, Zinsen in Höhe von 35.163,82 DM (für 1997), von 33.258,63 DM (für 1998) und von 28.105,73 DM (für 1999) seien nicht als Betriebsausgaben abziehbar. Die Zahlungen beruhten auf zwei Darlehen, die nicht im Zusammenhang mit betrieblichen Vorgängen ständen.
Die Kläger hatten mit notariellem Vertrag vom 9. Dezember 1983 das mit einem Zweifamilienhaus bebaute Grundstück X in Z zu einem Kaufpreis von 845.000 DM erworben. Zur Finanzierung des Kaufpreises nahm die Klägerin bei der Stadtsparkasse Z zwei Darlehen über 520.000 DM (Kontonummer: Y1; künftig SSK Y1) und 280.000 DM (Kontonummer: Y2; künftig SSK Y2) auf. Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärungen bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 1985 machten die Kläger die Gesamtzinsen beider Darlehen als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. In der Gewinnermittlung für die klägerische Handelsvertretung 1986 buchte der Kläger zunächst über das Privatentnahmekonto das Darlehen SSK Y1 in Höhe von 512.299,20 DM. In seiner Bilanz zum 31. Dezember 1986 sowie in den Folgejahren wies er dieses Darlehen in Höhe von 506.403,61 DM als Verbindlichkeit aus. Im Rahmen der Gewinnermittlung für das Jahr 1989 verfuhr der Kläger mit dem Darlehen über den Ursprungsbetrag von 280.000 DM (SSK Y2) entsprechend.
Das FA erließ nach § 173 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) am 4. September 2001 geänderte Einkommensteuerbescheide für 1997 bis 1999, in denen der Gewinn des Klägers aus Gewerbebetrieb unter anderem um die genannten Zinsbeträge erhöht wurde. Eine entsprechende Korrektur der für diese Jahre ergangenen Gewerbesteuermessbescheide und Gewerbesteuerzerlegungsbescheide wurde vom FA nach § 35b des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) vorgenommen. Der gegen diese geänderten Einkommensteuerbescheide gerichtete Einspruch hatte nur insoweit Erfolg, als das FA in erneut geänderten Einkommensteuerbescheiden für 1997 bis 1999 die Zinsen aus den streitbefangenen Darlehen anteilig (der Höhe nach unstreitig) steuermindernd als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigte.
Zudem erließ das FA unter dem 14. Dezember 2001 einen auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gestützten geänderten Einkommensteuerbescheid 1996. In diesem wurden die klägerischen Einkünfte aus Gewerbebetrieb um die Zinsen aus den streitbefangenen Darlehen erhöht, diese jedoch gleichzeitig aber anteilig in unstreitiger Höhe bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt.
Die Einsprüche blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 231 veröffentlichten Urteil ab. Die zu beurteilenden Schuldzinsen seien nicht betrieblich veranlasst. Die ihnen zugrunde liegenden Darlehen seien nicht zu betrieblichen Zwecken verwandt worden. Ein solcher betrieblicher Zusammenhang sei auch nicht nachträglich durch eine Umwidmung hergestellt worden. Hierfür sei der bloße buchmäßige Ausweis der Darlehen in der Bilanz der Kläger nicht ausreichend. Durch eine bloße Willensentscheidung des Steuerpflichtigen könne ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit einer bestimmten Einkunftsart nicht hergestellt werden.
Das FA sei auch nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zum Erlass der geänderten Steuerbescheide berechtigt gewesen. Nachträglich sei bekannt geworden, dass ein privates, durch die Ehefrau des Klägers aufgenommenes, der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung zuzuordnendes Darlehen nur aufgrund eines Willensaktes des Klägers als betriebliches Darlehen behandelt worden sei. Aus den Bilanzen des Klägers sei dieser Vorgang auch unter Einbeziehung der Akten der Vorjahre so nicht erkennbar gewesen. Denn im Falle einer steuerlich anzuerkennenden Umwidmung hätte der buchmäßige Ausweis der Darlehensverbindlichkeit in gleicher Weise erfolgen müssen.
Mit ihrer Revision machen die Kläger weiterhin geltend, das FA sei nicht berechtigt gewesen, die Steuerbescheide zu ändern und die in Frage stehenden Schuldzinsen nicht mehr als Betriebsausgaben abzuziehen. Eine Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO scheide im Streitfall aus. Sie, die Kläger, hätten in vollem Umfang ihrer steuerlichen Mitwirkungspflicht dadurch genügt, dass sie die Darlehen offen in der Bilanz 1986 bzw. 1989 neu als Verbindlichkeit ausgewiesen und im Gegenzug eine Buchung auf dem Privatentnahmekonto vorgenommen hätten. Durch die Einbuchung der bis dahin bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend gemachten Darlehen als nunmehr betriebliche Verbindlichkeiten und deren eindeutige Kennzeichnung im Rahmen der Beschriftung der Konten im Kontennachweis hätten sie diesen Vorgang für das FA offenkundig gemacht. Dass das FA die steuerliche Behandlung nicht beanstandet habe, beruhe ausschließlich darauf, dass es seiner Ermittlungspflicht nicht nachgekommen sei. Unerheblich sei der Vortrag des FA, in den Streitjahren habe kein Anlass für weiter gehende Ermittlungen vorgelegen. Da dem FA (aufgrund der Steuererklärungen 1986 und 1989) die Umwidmung der Darlehen bekannt gewesen sei, hätte es, sofern sie diese für fragwürdig gehalten hätte, seinerzeit weitere Nachforschungen anstellen müssen.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
das Urteil des FG sowie die Einspruchsentscheidung vom 18. August 2004 (bezogen auf die Einkommensteuer 1996 bis 1999) aufzuheben und den geänderten Einkommensteuerbescheid 1996 vom 14. Dezember 2001 und die geänderten Einkommensteuerbescheide 1997 bis 1999 jeweils vom 7. Februar 2002 in der Weise zu ändern, dass Schuldzinsen von 32.733 DM (1996), von 35.163 DM (1997), von 33.258 DM (1998) und von 28.105 DM (1999) vollständig steuermindernd berücksichtigt werden.
Der Kläger beantragt des Weiteren,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 18. August 2004 (bezogen auf die Gewerbesteuermessbescheide 1997 bis 1999 und die Bescheide über die Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags 1997 bis 1999) die Gewerbesteuermessbescheide 1997 bis 1999 jeweils vom 11. September 2001 und die Gewerbesteuerzerlegungsbescheide 1997 bis 1999 jeweils vom 20. September 2001 in der Weise zu ändern, dass die für diese Jahre vorstehend genannten Schuldzinsen vollständig gewinnmindernd berücksichtigt werden.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO lägen vor.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat zutreffend erkannt, dass die zu beurteilenden Schuldzinsen keine Betriebsausgaben sind (unter 1.). Im Ergebnis zu Recht ist das FG auch davon ausgegangen, dass das FA gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zum Erlass geänderter Einkommensteuerbescheide berechtigt war (unter 2.). Daher konnte es auch die zuvor ergangenen Gewerbesteuermessbescheide und Gewerbesteuerzerlegungsbescheide entsprechend ändern (unter 3.).
1. Zutreffend hat das FG angenommen, dass die hier zu beurteilenden Schuldzinsen wegen fehlender betrieblicher Veranlassung (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes ‑‑EStG‑‑) nicht als Betriebsausgaben abziehbar sind.
a) Schuldzinsen sind dann Betriebsausgaben, wenn die Zinsen für eine Verbindlichkeit geleistet werden, die durch den Betrieb veranlasst ist und deshalb zum Betriebsvermögen gehört. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn ein Steuerpflichtiger liquide Mittel seines Betriebs entnimmt und zur Tilgung privater Verbindlichkeiten verwendet und er betriebliche Vorgänge mittels eines Kredits finanziert (sog. Zweikonten-Modell; vgl. Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 8. Dezember 1997 GrS 1-2/95, BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193; BFH-Urteil vom 20. Juni 2000 VIII R 57/98, BFH/NV 2001, 28, und Senatsurteil vom 21. September 2005 X R 46/04, BFHE 211, 238, BStBl II 2006, 125). Da allein die tatsächliche Verwendung der Darlehensvaluta maßgebend ist, sind Schuldzinsen nicht bereits deshalb betrieblich veranlasst, wenn der Steuerpflichtige mittels des Kredits ein privates Wirtschaftsgut finanziert, er aber in der Lage gewesen wäre, eine Finanzierung über das Zweikonten-Modell durchzuführen (BFH-Urteile in BFH/NV 2001, 28, und vom 29. August 2001 XI R 74/00, BFH/NV 2002, 188).
b) Auch ist es nach Auffassung des Großen Senats des BFH nicht möglich, einen betrieblichen Veranlassungszusammenhang durch eine bloße wirtschaftliche Umschuldung herzustellen. Ein zu privaten Zwecken aufgenommenes Darlehen kann nicht dadurch wirtschaftlich umgeschuldet werden, dass der Steuerpflichtige durch den bilanziellen Ausweis des Darlehens den Verwendungszweck des privaten Darlehens verändert (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193, unter B.II.1. der Gründe). Denn für die Besteuerung ist allein ‑‑auf der Grundlage des tatsächlich verwirklichten Sachverhalts‑‑ maßgebend, wofür die Darlehensmittel verwendet wurden. Auch kann ein wirtschaftlicher Zusammenhang des Darlehens mit dem Betrieb des Steuerpflichtigen nicht durch einen bloßen Willensakt desselben begründet werden (BFH-Urteile vom 12. September 1985 VIII R 336/82, BFHE 145, 327, BStBl II 1986, 255, und vom 17. Dezember 2003 XI R 19/01, BFH/NV 2004, 1277).
c) Allerdings wird eine Darlehensverbindlichkeit dann Bestandteil des Betriebsvermögens, wenn mittels des Darlehens ein privates Wirtschaftsgut finanziert worden ist, das durch eine Privateinlage in das (notwendige oder gewillkürte) Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen überführt wird. In einem solchen Fall teilt die Darlehensverbindlichkeit das steuerliche Schicksal des mit dem Darlehen finanzierten Wirtschaftsguts (Schmidt/Heinicke, EStG, 29. Aufl., § 4 Rz 229). Hingegen kann eine Darlehensverbindlichkeit nicht isoliert als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt werden (BFH-Urteile vom 17. April 1985 I R 101/81, BFHE 143, 563, BStBl II 1985, 510, und in BFHE 145, 327, BStBl II 1986, 255).
d) Schließlich kann hinsichtlich einer Darlehensverbindlichkeit ein betrieblicher Veranlassungszusammenhang nachträglich dadurch hergestellt werden, dass ein mittels des Darlehens finanziertes Wirtschaftsgut des Privatvermögens veräußert und der Kaufpreis in das Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen überführt wird (sog. Umwidmung; vgl. BFH-Urteil vom 1. Oktober 1996 VIII R 68/94, BFHE 182, 312, BStBl II 1997, 454).
e) Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen sind im Streitfall die zu beurteilenden Schuldzinsen nicht betrieblich veranlasst. Die ihnen zugrunde liegenden Darlehen der Stadtsparkasse X stehen nicht im Zusammenhang mit der Finanzierung betrieblicher Vorgänge des Klägers. Nach den Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist und die von den Klägern auch nicht angegriffen wurden, wurde mittels dieser Darlehen der Kauf eines zum Privatvermögen der Kläger gehörenden bebauten Grundstücks finanziert. Dieses Grundstück wurde weder zu einem späteren Zeitpunkt in das Betriebsvermögen des Klägers überführt noch veräußert. Es blieb Privatvermögen.
2. Im Ergebnis zu Recht hat das FG angenommen, dass das FA gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zum Erlass geänderter Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre berechtigt war.
a) Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen.
Eine Tatsache wird nachträglich bekannt, wenn sie das FA im Zeitpunkt der abschließenden Zeichnung des Eingabewertbogens für den Erlass des ursprünglichen Steuerbescheids noch nicht kannte (BFH-Urteil vom 18. März 1987 II R 226/84, BFHE 149, 141, BStBl II 1987, 416). Maßgebend hierfür ist die Kenntnis der zur Bearbeitung des Steuerfalls organisatorisch berufenen Dienststelle (BFH-Urteil vom 23. März 1983 I R 182/82, BFHE 138, 313, BStBl II 1983, 548). Bekannt ist der zuständigen Dienststelle der Inhalt der dort geführten Akten, ohne dass insoweit auf die individuelle Kenntnis des jeweiligen Bearbeiters abzustellen ist (BFH-Urteil vom 20. Juni 1985 IV R 114/82, BFHE 143, 520, BStBl II 1985, 492).
Das FA ist allerdings gehindert, einen Steuerbescheid gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern, wenn dem FA die Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre, sofern der Steuerpflichtige seinerseits seiner Mitwirkungspflicht in vollem Umfang genügt hat (BFH-Urteil vom 13. November 1985 II R 208/82, BFHE 145, 487, BStBl II 1986, 241). Gleiches gilt, wenn das FA seine Ermittlungspflicht und der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflicht verletzt haben, die Verletzung der Ermittlungspflicht im konkreten Einzelfall aber deutlich überwiegt (BFH-Urteil vom 20. Dezember 1988 VIII R 121/83, BFHE 156, 339, BStBl II 1989, 585).
b) Es erscheint zweifelhaft, ob die Annahme des FG zutrifft, bei der damaligen Bearbeitung der Steuererklärungen 1986 und 1989 sei für das FA nicht erkennbar gewesen, dass der Kläger zu Unrecht private Darlehen in das Betriebsvermögen eingebucht hatte.
Die Zweifel ergeben sich vorliegend daraus, dass jedenfalls in Bezug auf das Jahr 1986 aus der vom Kläger eingereichten Bilanz und den hierzu gegebenen Erläuterungen, auf deren Inhalt das FG Bezug genommen und diesen damit festgestellt hat, für das FA erkennbar gewesen sein musste, dass weder eine Finanzierung nach dem Zweikonten-Modell erfolgt war noch eine sog. Umwidmung stattgefunden hatte.
c) Einer abschließenden Beurteilung dieser Problematik bedarf es indessen nicht, weil sich das angefochtene Urteil aus anderen Gründen als zutreffend erweist. Im Streitfall besteht nämlich die Besonderheit, dass die die Einbuchung der Darlehen in das Betriebsvermögen des Klägers betreffenden Vorgänge nicht aus den in den Streitjahren 1996 bis 1999 vom FA geführten aktuellen Akten, sondern lediglich aus den vom FA archivierten Akten der Jahre 1986 und 1989 ersichtlich sind.
Hinsichtlich archivierter Akten entspricht es der gefestigten BFH-Rechtsprechung, dass die zuständige Dienststelle des FA den Inhalt dieser Akten nur dann als bekannt gegen sich gelten lassen muss, wenn zur Hinzuziehung dieser Vorgänge nach den Umständen des Falles, insbesondere nach dem Inhalt der zu bearbeitenden Steuererklärung eine besondere Veranlassung bestand. Nur wenn diese Voraussetzung gegeben ist, führt die unterlassene Beiziehung der archivierten Akten zu einer Verletzung der Ermittlungspflicht (BFH-Urteile vom 13. Juli 1990 VI R 109/86, BFHE 161, 11, BStBl II 1990, 1048, und vom 11. Februar 1998 I R 82/97, BFHE 185, 568, BStBl II 1998, 552; BFH-Beschlüsse vom 9. Dezember 1998 IV B 22/98, BFH/NV 1999, 900, und vom 12. August 1999 VIII B 12/99, juris).
Eine besondere Veranlassung zur Beiziehung der archivierten Akten bestand im Streitfall nicht. Nach dem von den Klägern nicht bestrittenen Vorbringen des FA in seiner Einspruchsentscheidung vom 18. August 2004, auf die das FG im Tatbestand seines Urteils Bezug genommen hat, wiesen die Jahresabschlüsse und Steuererklärungen der Streitjahre unter Berücksichtigung der vorliegenden aktuellen Akten keine gravierenden Abweichungen zu den Vorjahren auf. Auch waren keine besonderen oder auffälligen Positionen in der Gewinnermittlung erkennbar. Bei dieser Sachlage war das FA zur Beiziehung der archivierten Akten nicht gehalten.
d) Unerheblich ist, dass das FA den für das Streitjahr 1996 ergangenen Einkommensteueränderungsbescheid auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gestützt hat. Für die Rechtmäßigkeit eines Änderungsbescheids ist nicht entscheidend, ob die zutreffende Änderungsnorm genannt ist, sondern dass die Voraussetzungen einer Änderungsvorschrift erfüllt sind, die das FA zur Änderung verpflichtet (BFH-Urteil in BFHE 145, 487, BStBl II 1986, 241). Dies ist hier der Fall, weil die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO erfüllt sind.
3. Das FA war auch zum Erlass geänderter Gewerbesteuermessbescheide und Gewerbesteuerzerlegungsbescheide für 1997 bis 1999 berechtigt.
Die Befugnis zur Änderung der Gewerbesteuermessbescheide folgt aus § 35b Abs. 1 Satz 1 GewStG. Danach ist ein Gewerbesteuermessbescheid zu ändern, wenn der Einkommensteuerbescheid geändert wird und die Änderung den Gewinn aus Gewerbebetrieb betrifft. Nach Satz 2 dieser Vorschrift ist die Änderung des Gewinns aus Gewerbebetrieb insoweit zu berücksichtigen, als sie die Höhe des Gewerbeertrags beeinflusst. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt, weil das FA zu Recht die Einkommensteuerbescheide 1997 bis 1999 geändert und die hier zu beurteilenden Schuldzinsen nicht mehr als Betriebsausgaben abgezogen hat.
Die Befugnis zur Änderung der Gewerbesteuerzerlegungsbescheide 1997 bis 1999 folgt aus § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Denn Änderungen des Gewerbesteuermessbescheids führen dazu, dass auch der Zerlegungsbescheid als Folgebescheid zu ändern ist (Blümich/Hofmeister, GewStG, § 28 Rz 26, m.w.N. aus der Rechtsprechung).