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Beschluss vom 13. August 2010, IX B 20/10

Teilurteil oder Grundurteil - Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten im sog. ELSTER-Verfahren

BFH IX. Senat

FGO § 115 Abs 2 Nr 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 2, AO § 129, FGO § 99, FGO § 98

vorgehend FG Nürnberg, 14. Oktober 2009, Az: 6 K 748/2008

Leitsätze

1. NV: Der Tenor, nicht die Bezeichnung ist maßgebend für die Frage, ob das FG ein Teilurteil oder ein Grundurteil erlassen hat.

2. NV: Ob dem FA ein die Berichtigung gemäß § 129 AO ermöglichendes bloßes mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung ausschließender Tatsachenirrtum oder Rechtsirrtum des Sachbearbeiters vorliegt, ist eine Tatfrage.

3. NV: Verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber der Anwendbarkeit des § 129 AO im sog. ELSTER-Veranlagungsverfahren bestehen nicht.

Gründe

  1. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

  2. 1. Das Finanzgericht (FG) hat ‑‑nach dem insoweit maßgebenden Tenor und entgegen der unmaßgeblichen Bezeichnung‑‑ kein Teilurteil nach § 98 der Finanzgerichtsordnung (FGO), sondern ein Grundurteil nach § 99 FGO erlassen. Die Frage, ob hinsichtlich eines Änderungsbescheides die Änderungsvoraussetzungen vorliegen, gehört zum Anspruchsgrund (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 17. November 1992 VIII R 35/91, BFH/NV 1993, 316; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 99 FGO Rz 18; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 99 Rz 6).

  3. 2. Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) liegt nicht vor.

  4. Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss der Beschwerdeführer schlüssig und substantiiert vortragen, weshalb die für bedeutsam gehaltenen Rechtsfragen im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar sind. Die Frage, ob der Finanzbehörde beim Erlass eines Verwaltungsakts Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten i.S. des § 129 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) unterlaufen sind, ist in einem Revisionsverfahren nicht   abstrakt klärbar; denn hierbei handelt es sich um eine Tatfrage, die lediglich in eingeschränktem Umfang der revisionsgerichtlichen Prüfung unterliegt und im Übrigen nur aufgrund der Gesamtumstände des einzelnen Falles und deshalb nicht allgemein beantwortet werden kann (vgl. BFH-Beschluss vom 6. Februar 2008 VII B 23/07, BFH/NV 2008, 814).

  5. Auch die in diesem Zusammenhang von den Klägern hervorgehobenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber der Anwendbarkeit des § 129 AO im sog. ELSTER-Veranlagungsverfahren vermögen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht zu begründen. Im ELSTER-Verfahren eingereichte Steuererklärungen werden ‑‑in gleicher Weise wie auf amtlichem Vordruck abgegebene Steuererklärungen‑‑ auf einem in Papierform vorliegenden Vordruck von dem zuständigen Sachbearbeiter der Finanzbehörde geprüft. Dabei werden ‑‑wie gerade der Streitfall zeigt‑‑ Prüfvorgänge, die sachverhaltsbezogene Denk- oder Überlegungsfehler beinhalten könnten, entgegen der Auffassung der Kläger auch ausreichend (handschriftlich) dokumentiert; deshalb hat der Steuerpflichtige auch im ELSTER-Verfahren ohne weiteres die Möglichkeit, einen Tatsachen- oder Rechtsirrtum, der ein mechanisches Versehen und damit eine offenbare Unrichtigkeit ausschließt, einzuwenden.

  6. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das FG im Streitfall seiner Entscheidung die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Berichtigungsnorm des § 129 AO aufgestellten Rechtsgrundsätze zugrunde gelegt hat. Dass dem FG bei seiner Würdigung der mittels Beweisaufnahme festgestellten Tatsachen revisionsrechtlich relevante Fehler unterlaufen sind, ist nicht ersichtlich.

  7. 3. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision zur Sicherung der Rechtseinheit (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative FGO) liegen nicht vor. Soweit die Kläger eine Divergenz des angefochtenen Urteils mit verschiedenen Urteilen des BFH rügen, sind die tragenden Erwägungen der angefochtenen Entscheidung und der (vermeintlichen) Divergenzentscheidungen schon nicht so herausgearbeitet und gegenübergestellt, dass eine Abweichung im Grundsätzlichen erkennbar wird. Im Übrigen rügen die Kläger insoweit nach dem tatsächlichen Gehalt ihres Beschwerdevorbringens lediglich eine (vermeintlich) fehlerhafte Rechtsanwendung bzw. einen schlichten Subsumtionsfehler; mit der Rüge solcher materiell-rechtlicher Fehler kann die Zulassung der Revision indes nicht erreicht werden.

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