BFH X. Senat
EStG § 15 Abs 1, EStG § 15 Abs 1, EStG § 15 Abs 2, EStG § 15 Abs 2, FGO § 115 Abs 2 Nr 3, FGO § 96 Abs 1 S 1, EStG § 2 Abs 1 S 1 Nr 2, EStG § 2 Abs 1 S 1 Nr 2, TierSchG
vorgehend FG München, 08. November 2009, Az: 7 K 2846/08
Leitsätze
NV: Es ist nicht zu beanstanden, wenn das FG das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht u.a. damit begründet, dass die Tierzucht auf der schmalen Basis von nur wenigen Zuchttieren erfolgt sei .
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der beschließende Senat kann offen lassen, ob die Beschwerdebegründung der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht. Die geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 FGO) liegen jedenfalls nicht vor.
1. Die Kläger führen aus, das angefochtene Urteil des Finanzgerichts (FG) beruhe auf Verfahrensfehlern (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Es sei nicht damit zu rechnen gewesen, dass das FG in seinem Urteil die klägerische Prognose zum Krankheits- und Sterblichkeitsrisiko der vom Kläger gehaltenen Vögel auf der Grundlage des schlechtest möglichen Falls ("worst-case Betrachtung") für maßgeblich halten und sich nicht stattdessen am prognostizierten mittleren Schadensverlauf ("mid-case Betrachtung") orientieren werde. Zudem habe das FG den tatsächlichen Geschehensablauf nicht berücksichtigt. Im Streitfall seien abweichend vom "worst-case Szenario" nicht fünf der sieben gehaltenen Vogelpaare, sondern lediglich eines verendet. Zu Unrecht sei das FG ferner davon ausgegangen, dass der Kläger krankheitsbedingt seine betriebliche Betätigung nicht über einen längeren Zeitraum werde ausüben können. Auch habe das FG keine Ermittlungen zu den voraussichtlich erzielbaren Zuchterfolgen und zur Höhe der voraussichtlich entstehenden Aufwendungen durchgeführt. Die Kläger hätten die Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das FG in der mündlichen Verhandlung nicht rügen können.
2. Die gerügten Verfahrensfehler liegen nicht vor.
a) Eine unzulässige Überraschungsentscheidung und damit eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) ist gegeben, wenn das FG sein Urteil auf einen bisher nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht rechnen musste (Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 19. Januar 2010 IV B 136/08, BFH/NV 2010, 918). Eine solche Überraschungsentscheidung ist dann nicht gegeben, wenn das FG sein Urteil auf Gesichtspunkte stützt, die bereits in der den Klägern bekannten Einspruchsentscheidung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt ‑‑FA‑‑) enthalten sind (vgl. Senatsbeschluss vom 23. Juni 2003 X B 165/02, BFH/NV 2003, 1147).
So ist es im Streitfall. Das FG hat seine Entscheidung, wonach in den Streitjahren 2001 und 2002 keine Gewinnerzielungsabsicht vorgelegen habe, in erster Linie dadurch gemäß § 105 Abs. 5 FGO begründet, dass es ausgeführt hat, es folge insoweit den Ausführungen in der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf, also der Einspruchsentscheidung vom 24. Juli 2008. In dieser Einspruchsentscheidung (S. 8 Abs. 2) führt das FA u.a. aus, dass selbst wenn hinsichtlich der Zucht alles nach Plan verlaufen wäre, frühestens im Jahr 2008 die Möglichkeit bestanden hätte, durch Verkauf der Nachzucht Einnahmen zu erzielen. Da bis dahin sehr hohe Investitionen erforderlich seien und auch mit einem Verlust von Tieren zu rechnen sei, ergebe sich aber auch dann noch lange kein Gewinn aus dieser Tätigkeit. Dieser sei vielleicht nach einem langen Zeitraum und dann auch nur in der Theorie erzielbar, weil Paarung und Nachwuchs nicht planbar seien. Eine bloß theoretisch bestehende Gewinnchance genüge zur Annahme einer Gewinnerzielungsabsicht aber nicht.
Angesichts dieser Ausführungen mussten die Kläger damit rechnen, das FG werde die Gewinnerzielungsabsicht unabhängig von der klägerischen Prognose über das Krankheits- und Sterblichkeitsrisiko der von ihm gehaltenen Vögel wegen des Vorliegens einer bloß theoretisch gegebenen Gewinnchance verneinen.
b) Das FG hat auch nicht gegen den klaren Inhalt der Akten (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) verstoßen. Ein solcher Verfahrensfehler liegt vor, wenn das FG seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde legt, der dem schriftlich festgehaltenen Vorbringen der Beteiligten widerspricht, oder wenn eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt geblieben ist. Kein Verfahrensfehler ist dagegen die ggf. fehlerhafte Würdigung solcher Erkenntnisse (Senatsbeschluss vom 2. April 2002 X B 56/01, BFH/NV 2002, 947).
Im Streitfall ist eine Verletzung von § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht deshalb gegeben, weil sich das FG in den Entscheidungsgründen des Urteils nicht damit auseinandergesetzt hat, dass lediglich ein Vogelpaar in den Streitjahren verendet ist. Denn das FG hat, wie die Bezugnahme auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung zeigt, den klägerischen Prognosen keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen.
In diesem Sinn sind auch die Ausführungen im Urteil (S. 9, Abs. 2) zu verstehen, wonach der klägerische Betrieb angesichts der geringen Zahl von gehaltenen Tieren nicht geeignet gewesen sei, einen Totalüberschuss zu erzielen, weil Ausfälle und andere Unwägbarkeiten nicht hätten kompensiert werden können, die im Streitfall in Gestalt von Krankheit, Tod oder Verhaltensstörungen bei den vom Kläger gehaltenen Vögeln feststellbar seien.
Entgegen der Ansicht der Kläger konnte das FG eigenständig zu dieser Beurteilung kommen, ohne ein Sachverständigengutachten einzuholen. Züchterische Fehlentwicklungen und Fehlschläge können nur durch An- und Verkauf vorhandener Zuchttiere ausgeglichen werden. Das gilt erst recht, wenn die Tierzucht auf der schmalen Basis von nur wenigen Zuchttieren erfolgt, da dann ein zeitnaher Ersatz von Abgängen erforderlich ist. Die Kläger haben jedoch ersichtlich etwaige Kosten und Erlöse aus der Umschichtung des Tierbestandes nicht in die Ertragsprognose einbezogen.
c) Soweit die Kläger rügen, das FG habe zum Nachteil der Kläger angenommen, der Kläger könne krankheitsbedingt seine betriebliche Tätigkeit nicht über einen längeren Zeitraum ausüben, obwohl dies durch Beschäftigung von Mitarbeitern möglich sei, machen sie keinen Verfahrensfehler, sondern eine nicht zur Zulassung der Revision führende Verletzung des materiellen Rechts geltend.
d) Die Kläger haben nicht schlüssig gerügt, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) verletzt. Wird geltend gemacht, das FG habe auch ohne entsprechende Beweisantritte den Sachverhalt von Amts wegen aufklären müssen, dann ist nach der ständigen Rechtsprechung u.a. darzulegen, dass ein solcher Mangel in der mündlichen Verhandlung vor dem FG, in der der Beteiligte wie hier rechtskundig vertreten war, gerügt wurde, oder aus welchen entschuldbaren Gründen eine dahingehende Rüge unterblieb (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 22. April 2008 X B 67/07, BFH/NV 2008, 1346).
Insoweit machen die Kläger im Streitfall lediglich geltend, eine solche Rüge sei deshalb nicht erhoben worden, weil das Unterlassen einer weiteren Sachaufklärung für sie nicht erkennbar gewesen sei. Sie hätten nicht damit rechnen müssen, dass das FG das Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht auf der Grundlage des von den Klägern dargelegten ungünstigsten Schadensverlaufs beurteilen werde. Dies trifft indessen, wie oben unter 2.a dargelegt, nicht zu. Im Übrigen hätten die rechtskundig vertretenen Kläger, wenn sie eine weitere Sachaufklärung durch Befragen des Klägers für erforderlich hielten, die für notwendig gehaltenen Erklärungen in der mündlichen Verhandlung abgeben oder Beweisanträge stellen können.
3. Soweit die Kläger mit Schriftsatz vom 30. März 2010 erstmals geltend machen, das angefochtene Urteil sei auch deshalb fehlerhaft, weil das Halten von mehr als fünf Vogelpaaren nach der Durchführungsverordnung zum Tierschutzgesetz als gewerblich zu beurteilen sei, ist dieser Vortrag verspätet.
Nach der ständigen BFH-Rechtsprechung dürfen Zulassungsgründe, die wie hier erst nach Ablauf der Begründungsfrist des § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO geltend gemacht werden, nicht mehr berücksichtigt werden (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 20. Juni 2007 X B 116/06, BFH/NV 2007, 1705).
Zum Zweck der Klarstellung weist der beschließende Senat darauf hin, dass die tierschutzrechtliche Beurteilung, unter welchen Voraussetzungen eine gewerbliche Vogelzucht gegeben ist, nichts darüber besagt, ob eine solche Betätigung i.S. des § 15 des Einkommensteuergesetzes eine mit Gewinnerzielungsabsicht betriebene gewerbliche Tätigkeit ist.