BFH VIII. Senat
EStG § 9 Abs 1 S 2 Nr 1 S 1, EStG § 17 Abs 1 S 1, EStG § 17 Abs 1 S 4, EStG § 20 Abs 1 Nr 1 S 1
vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht , 29. Oktober 2007, Az: 3 K 249/05
Leitsätze
NV: Schuldzinsen, die für die Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung i.S. von § 17 EStG anfallen, können ab dem Veranlagungszeitraum 1999 wie nachträgliche Betriebsausgaben als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden, wenn sie auf Zeiträume nach Veräußerung der Beteiligung oder Auflösung der Gesellschaft entfallen .
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) begehren den Abzug nachträglicher Schuldzinsen bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen. Die Kläger wurden im Streitjahr (2003) als Eheleute zur Einkommensteuer zusammen veranlagt.
Der Kläger hielt mehr als die Hälfte der Geschäftsanteile an einer GmbH. Zur Absicherung eines Betriebsmittelkredits der GmbH verbürgte er sich gegenüber dem Kreditinstitut und bestellte zu dessen Gunsten eine Grundschuld. Die GmbH stellte den Geschäftsbetrieb im November 2000 ein. Die Gesellschafter beschlossen 2001 formlos die Auflösung der Gesellschaft. Eine Liquidation fand mangels Masse nicht statt. Die GmbH wurde 2004 im Handelsregister von Amts wegen gelöscht.
Zur Abwendung seiner Inanspruchnahme aus der Bürgschaft und der Grundschuld leistete der Kläger auf die Verbindlichkeiten der GmbH Zahlung an das Kreditinstitut. Dafür nahm er ein Darlehen auf, für das er im Streitjahr (2003) 8.382 € Zinsen entrichtete.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) berücksichtigte die gezahlten Schuldzinsen nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen und wies den dagegen gerichteten Einspruch als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 291).
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 und § 20 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im Streitjahr anwendbaren Fassung.
Sie beantragen,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 30. Oktober 2007 3 K 249/05 und die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 15. September 2005 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2003 vom 10. August 2005 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus Kapitalvermögen des Klägers Werbungskosten aus nachlaufenden Schuldzinsen im Zusammenhang mit der Beteiligung an der ... GmbH in Höhe von 4.191 € berücksichtigt werden.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
1. Das FG hat im Wesentlichen ausgeführt, die Schuldzinsen seien erst nach Vollbeendigung der GmbH entstanden. Die GmbH sei bereits im Jahr 2001 aufgelöst und voll beendet gewesen, weil sie kein Vermögen mehr besessen habe und sämtliche gesellschaftlichen Aktivitäten eingestellt gewesen seien. Danach entstandene Zinsen seien nicht mehr durch die Einkünfteerzielung veranlasst.
2. Die Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Es kann dahinstehen, ob das FG den Zeitpunkt zutreffend bestimmt hat, bis zu dem nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Finanzierungsaufwendungen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen als Werbungskosten abgezogen werden konnten.
a) Wie der Senat mit Urteil vom heutigen Tag in der Sache VIII R 20/08 (BFHE 229, 151) entschieden hat, hält er an seiner ständigen Rechtsprechung, wonach Schuldzinsen für den Erwerb einer Beteiligung i.S. von § 17 EStG nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden können, soweit sie auf Zeiträume nach Veräußerung der Beteiligung oder Auflösung der Gesellschaft entfallen, nicht mehr fest. Schuldzinsen, die für die Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung i.S. von § 17 EStG anfallen, können vielmehr ab dem Veranlagungszeitraum 1999 wie nachträgliche Betriebsausgaben als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden, wenn sie auf Zeiträume nach Veräußerung der Beteiligung oder Auflösung der Gesellschaft entfallen. Wegen der Begründung für diese Entscheidung wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des in dem Verfahren VIII R 20/08 (BFHE 229, 151) ergangenen Urteils verwiesen.
b) Bei Anwendung der vorstehenden Grundsätze kommt es entgegen der Auffassung des FG nicht darauf an, ob die GmbH bereits im Streitjahr 2003 gesellschaftsrechtlich aufgelöst war. Der durch die Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen begründete Veranlassungszusammenhang der Schuldzinsen mit einer Einkunftsart (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung) entfällt grundsätzlich nicht mit der Auflösung der Gesellschaft, sondern erst, wenn nachträglich ein Ereignis eintritt, welches den ursprünglich bestehenden Veranlassungszusammenhang dergestalt überlagert, dass entweder die ursprüngliche Veranlassung zur Erzielung von Einkünften mit Wirkung für die Zukunft entfällt oder dass eine neue Veranlassung durch die Erzielung von anderen Einkünften begründet wird. Dazu hat das FG keine Feststellungen getroffen. Derartiges ist im Streitfall auch nicht ersichtlich. Die Kläger haben die GmbH offenbar mangels Masse still liquidiert. Für die Betriebsschulden der GmbH ist der Kläger aufgrund frühzeitig eingegangener persönlicher Haftung eingetreten. Danach ist davon auszugehen, dass den Klägern aus der GmbH nach deren Auflösung nichts verblieben ist. Einen etwaigen Auflösungsgewinn, den die Kläger dazu hätten einsetzen müssen, um das zur Finanzierung der Anschaffungskosten aufgenommene Darlehen zurückzuführen, müssen sich die Kläger mithin nicht anrechnen lassen. Die Kläger hatten deshalb auch keine Möglichkeit, das Darlehen zu einem anderen als dem ursprünglichen Zweck einzusetzen.
c) An die Höhe der vom FG festgestellten Zinsaufwendungen ist der Senat gebunden, auch wenn es für die Entscheidung des FG auf entsprechende Feststellungen nicht ankam. Die Sache ist spruchreif; der Senat entscheidet in der Sache selbst. Danach ist die Klage insgesamt begründet.