BFH X. Senat
EStG § 4 Abs 2
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht , 14. Juni 2010, Az: 12 K 301/07
Leitsätze
NV: Wird ein unzutreffender Bilanzansatz (hier: Warenbestand) entgegen den Grundsätzen des Bilanzzusammenhangs nicht in die Anfangsbilanz des Folgejahres (hier: 2004) übernommen und wird der auf dieser Grundlage ergehende Einkommensteuer-Bescheid bestandskräftig, dann kann dieser Fehler nicht im nachfolgenden Jahr (hier: 2005) korrigiert werden, wenn die Bilanzansätze in der Schlussbilanz des Vorjahrs (hier: 2004) zutreffend sind.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der angerufene Senat lässt es dahingestellt, ob in der Beschwerdebegründung der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebotenen Weise die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt worden sind. Der von den Klägern geltend gemachte Revisionszulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO liegt jedenfalls nicht vor.
Eine Zulassung wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) setzt voraus, dass die angefochtene Entscheidung objektiv willkürlich erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 1. September 2008 IV B 4/08, BFH/NV 2009, 35).
Die Kläger machen geltend, das Finanzgericht (FG) habe es zu Unrecht abgelehnt, einen den Jahresabschluss 2003 betreffenden Bilanzierungsfehler im Streitjahr 2005 zu korrigieren, obwohl wegen eingetretener Bestandskraft eine Korrektur des falschen Bilanzansatzes in den Jahren 2003 und 2004 nicht möglich gewesen sei.
Das angefochtene Urteil ist ersichtlich nicht greifbar gesetzwidrig. Zwar trifft im Ausgangspunkt die Auffassung der Kläger zu, dass ein fehlerhafter Bilanzansatz im ersten offenen Jahr zu korrigieren ist (Schmidt/Heinicke, EStG, 29. Aufl., § 4 Rz 706, 712, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Dies geschieht in der Weise, dass der fehlerhafte Bilanzansatz in der Schlussbilanz des Vorjahrs unverändert in die Anfangsbilanz des ersten offenen Jahres übernommen und dieser fehlerhafte Ansatz in der Schlussbilanz korrigiert wird.
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben. Zwar wurde in der Schlussbilanz 2003 ein zu hoher Warenbestand ausgewiesen, was sich infolge eines dadurch in zu geringem Umfang angenommenen Wareneinsatzes gewinnerhöhend ausgewirkt hat. Dies hätte dazu führen müssen, dass der in dieser Schlussbilanz angesetzte Warenbestand in die Anfangsbilanz 2004 hätte übernommen werden müssen. Dies hätte die im Vorjahr eingetretene Gewinnerhöhung durch einen im Jahr 2004 entsprechend höheren Wareneinsatz ausgeglichen. Eine solche Korrektur ist indessen deshalb nicht erfolgt, weil in der Anfangsbilanz 2004 nicht der fehlerhafte Wertansatz aus der Schlussbilanz des Vorjahres übernommen, sondern der tatsächlich vorhandene Warenbestand angesetzt und demzufolge auch das Anfangskapital entsprechend geringer ausgewiesen wurde. Diesen Fehler hat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) im Rahmen der Veranlagung 2004 nicht korrigiert.
Der Umstand, dass die Steuerfestsetzung für 2004 bestandskräftig wurde, bewirkt indessen entgegen der Ansicht der Kläger nicht, dass nunmehr nach den Grundsätzen des Bilanzenzusammenhangs eine Fehlerkorrektur im Streitjahr 2005 vorgenommen werden kann. Dieser Bilanzenzusammenhang besagt nur, dass ein fehlerhafter Bilanzansatz in der Schlussbilanz des Vorjahres unverändert in die Anfangsbilanz des Folgejahres zu übernehmen und sodann die Korrektur in der Schlussbilanz des Folgejahres zu korrigieren ist. Der Warenbestand in der Schlussbilanz zum 31. Dezember 2004 war indessen unstreitig in der zutreffenden Höhe ausgewiesen. Auch wurde er in die Anfangsbilanz 2005 übernommen. Da zudem unstreitig der Warenbestand in der Schlussbilanz 2005 in der zutreffenden Höhe bilanziert wurde, waren die in der Anfangs- und Schlussbilanz dieses Jahres für den Warenbestand ausgewiesenen Bilanzansätze zutreffend. Bei einer solchen Sachlage kommt eine Fehlerkorrektur nach den Grundsätzen des Bilanzenzusammenhangs nicht in Betracht. Diese Grundsätze erlauben nur eine Korrektur solcher Fehler, die darauf beruhen, dass in der Schlussbilanz (hier für 2004) unzutreffende Werte angesetzt worden sind, welche in der Anfangsbilanz des Folgejahres (hier 2005) zu übernehmen sind, nicht aber die Korrektur sonstiger Veranlagungsfehler (Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 4 Rz 710).
Im Ergebnis zu Recht hat das FG auch angenommen, dass eine Korrektur des Kapitalkontos ausscheidet. Zwar beziehen sich die Grundsätze des formellen Bilanzenzusammenhangs auch auf das Kapitalkonto (BFH-Urteil vom 19. Januar 1993 VIII R 128/84, BFHE 170, 511, BStBl II 1993, 594). Das in der Schlussbilanz 2004 ausgewiesene und in der Anfangsbilanz 2005 unverändert fortgeführte Kapitalkonto war indessen nicht fehlerhaft. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des FG war das Aktiv- und Passivvermögen in der Schlussbilanz 2004 in zutreffender Höhe ausgewiesen. Unter Berücksichtigung des zwar in fehlerhafter Weise ermittelten Gewinns, der aber der bestandskräftig gewordenen Steuerfestsetzung zugrunde gelegt wurde und deshalb verbindlich ist, war daher das Kapitalkonto in zutreffender Höhe ausgewiesen.