BFH X. Senat
EStG § 6 Abs 1 Nr 5 S 1, EStG § 7 Abs 1 S 4
vorgehend FG Köln, 23. Juni 2009, Az: 4 K 102/06
Leitsätze
1. NV: Die AfA nach Einlage berechnet sich nach der Differenz zwischen dem Einlagewert und der vor der Einlage bei den Überschusseinkünften bereits in Anspruch genommenen AfA (Bestätigung der BFH-Urteile vom 18. August 2009 X R 40/06, BFHE 226, 504, BFH/NV 2010, 283 und vom 28. Oktober 2009 VIII R 46/07, BFHE 228, 33, BFH/NV 2010, 977).
2. NV: Dieser Grundsatz gilt auch bei einer Gesamtrechtsnachfolge und bei einer unentgeltlichen Einzelrechtsnachfolge im Rahmen der Erbauseinandersetzung.
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger betreibt eine Apotheke; die Räumlichkeiten hierfür hatte er zunächst von seinem Vater gemietet. Der Kläger ermittelt seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich zum 30. Juni eines Jahres. Nach dem Tod des Vaters im September 2001 ging das Vermögen auf den Kläger und seine Schwester als Erbengemeinschaft über. Im Rahmen der Erbauseinandersetzung im Mai 2002 erhielt der Kläger das Grundstück, in dem die Apotheke betrieben wird, zum Alleineigentum rückwirkend auf den Todeszeitpunkt des Vaters. Er legte den betrieblich genutzten Teil des Grundstücks in das Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens ein; der Teilwert des eingelegten Gebäudeteils beträgt inzwischen unstreitig 225.000 €. Die bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung durch den Erblasser in Anspruch genommenen Absetzungen für Abnutzung (AfA) beliefen sich auf 35.964 €. Der Restwert des betrieblich genutzten Teils des Gebäudes nach Abzug der AfA betrug zum 30. September 2001 45.903 €.
In seinen den Einkommensteuererklärungen 2002 und 2003 zu Grunde liegenden Bilanzen berechnete der Kläger die AfA für den eingelegten Gebäudeteil auf der Grundlage des Einlagewerts.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) hingegen setzte die AfA nach R 43 Abs. 6 Satz 1 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) und H 43 der Einkommensteuerhinweise (EStH) in der jeweils für die Streitjahre 2002 und 2003 geltenden Fassung (jetzt R 7.3 Abs. 6 Sätze 1 bis 3 EStR 2008) auf der Grundlage der fortgeführten Anschaffungs-/Herstellungskosten an. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen gerichteten Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 2012 veröffentlichtem Urteil überwiegend statt. Es gewährte auf der Grundlage des § 7 Abs. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der in den Streitjahren 2002 und 2003 geltenden Fassung (nunmehr § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG) für das Jahr 2002 eine AfA von 3.150 €, die es in Höhe von 2 v.H. auf der Grundlage des Einlagewerts (= 225.000 €) abzüglich der bereits bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung durch den Erblasser in Anspruch genommenen AfA (= 35.964 €) zeitanteilig für zehn Monate (von September 2001 bis Juni 2002) berechnete. Für das Jahr 2003 gewährte es nach derselben Berechnungsgrundlage die ganzjährige AfA in Höhe von 3.780 €. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, bei zum Teilwert eingelegten Wirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1, 1. Halbsatz EStG sei Bemessungsgrundlage für die AfA i.S. des § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG der Einlagewert. Entgegen R 43 Abs. 6 Satz 1 EStR berechne sich daher die AfA von ‑‑nach einer Verwendung zur Erzielung von Überschusseinkünften‑‑ in ein Betriebsvermögen eingelegten Wirtschaftsgütern auf der Grundlage des Einlagewerts abzüglich der bereits bei den Überschusseinkünften in Anspruch genommenen AfA.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung des § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG. Die AfA nach § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG sei in Übereinstimmung mit R 43 Abs. 6 Satz 1 EStR und H 43 EStH auf der Grundlage der historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten zu berechnen.
Das FA beantragt sinngemäß,
das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat zu Recht entschieden, dass auch für den Fall der unentgeltlichen Einzelrechtsnachfolge nach einer Erbengemeinschaft die AfA-Bemessungsgrundlage für den betrieblich genutzten Gebäudeteil aus der Differenz des Einlagewerts und den schon bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Anspruch genommenen AfA-Beträgen zu ermitteln ist.
1. Nach § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG mindern sich bei Wirtschaftsgütern, die nach einer Verwendung zur Erzielung von Einkünften i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG in ein Betriebsvermögen eingelegt worden sind, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten um die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung, Sonderabschreibungen oder erhöhte Absetzungen, die bis zum Zeitpunkt der Einlage vorgenommen worden sind.
2. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat bereits in mehreren Entscheidungen ausgeführt, dass § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG keinen besonderen Einlagewert für die in ein Betriebsvermögen eingelegten Wirtschaftsgüter enthält; diese Wirtschaftsgüter sind bei der Einlage nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1, 1. Halbsatz EStG mit dem Teilwert anzusetzen. § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG statuiert vielmehr eine vom Einlagewert abweichende AfA-Bemessungsgrundlage (BFH-Urteile vom 20. April 2005 X R 53/04, BFHE 210, 100, BStBl II 2005, 698; vom 18. August 2009 X R 40/06, BFHE 226, 504, und vom 28. Oktober 2009 VIII R 46/07, BFH/NV 2010, 977,BFHE 228, 33). Nach Auffassung des Senats berechnet sich die AfA nach Einlage nach der Differenz zwischen dem Einlagewert und der vor der Einlage bei den Überschusseinkünften bereits in Anspruch genommenen AfA. Unter dem Begriff "Anschaffungs- oder Herstellungskosten" i.S. des § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG ist der Einlagewert zu verstehen. Er bezeichnet ‑‑entgegen R 43 Abs. 6 Satz 1 EStR‑‑ nicht die historischen (fortgeführten) Anschaffungskosten.
Diese Auslegung des § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG entspricht seinem durch die Gesetzesbegründung vorgegebenen Regelungsziel, die AfA nach Einlage zu begrenzen und dadurch zu verhindern, dass ein Wirtschaftsgut im Anschluss an eine Abschreibung im Rahmen der Erzielung von Überschusseinkünften nach der Einlage wiederum voll und damit "doppelt" abgeschrieben werden kann. Sind die vor der Einlage im Privatvermögen entstandenen stillen Reserven höher als die vor der Einlage berücksichtigten AfA-Beträge, ist daher die AfA-Bemessungsgrundlage gemäß § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG aus dem Einlagewert abzüglich der vor der Einlage berücksichtigten AfA zu ermitteln. Zur weiteren Begründung wird auf das Senatsurteil in BFHE 226, 504) verwiesen.
3. Diese Grundsätze gelten nicht nur für den Fall einer Gesamtrechtsnachfolge wie in dem Verfahren in BFHE 226, 504, sondern auch dann, wenn ‑‑wie im Streitfall‑‑ der Erbe durch den Erbfall nicht Gesamtrechtsnachfolger, sondern unentgeltlicher Einzelrechtsnachfolger der Erbengemeinschaft geworden ist. Bei einer Einlage in ein Betriebsvermögen wäre der Erbengemeinschaft als Gesamtrechtsnachfolgerin die Inanspruchnahme der AfA durch den Vater des Klägers im Rahmen des § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG zuzurechnen gewesen. Dadurch, dass der Kläger im Rahmen der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft das Eigentum an dem Grundstück rückwirkend auf den Todeszeitpunkt des Vaters erhielt, muss für ihn dieselbe AfA-Bemessungsgrundlage gelten, wie wenn die Erbengemeinschaft die Einlage getätigt hätte.
4. Nach diesen Grundsätzen hat das FG die AfA für den betrieblich genutzten Gebäudeteil in Höhe von 3.150 € (= 2 v.H. aus der Differenz zwischen dem Einlagewert in Höhe von 225.000 € und den schon bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Anspruch genommenen Abschreibungen in Höhe von 35.964 € = 3.780 €; dies zeitanteilig für die zehn Monate von September 2001 bis Juni 2002 wegen der Bilanzierung zum 30. Juni 2002) für die Einkommensteuer 2002 und in Höhe der ganzjährigen AfA von 3.780 € für die Einkommensteuer 2003 zutreffend berechnet.