BFH VI. Senat
FGO § 139 Abs 3, FGO § 133a, FGO § 113, FGO § 108, GG Art 103 Abs 1
vorgehend BFH , 25. Januar 2010, Az: VI B 115/09
Leitsätze
1. NV: Mit der Rüge, das Gericht habe in einer Entscheidung den Geschehensablauf irreführend dargestellt, wird kein Gehörsverstoß i.S.d. § 133a Abs. 1 FGO dargelegt .
2. NV: Ein Antrag auf Tatbestandsberichtigung (§ 108 FGO) einer vom BFH gemäß § 132 FGO durch Beschluss getroffenen Entscheidung über die Aussetzung und Aufhebung der Vollziehung ist wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig .
3. NV: Im Verfahren über die Anhörungsrüge ist der Antrag, die Zuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO), nicht statthaft .
Tatbestand
I. Mit Beschluss vom 26. Januar 2010 VI B 115/09 hat der Senat auf die Beschwerde des Antragsgegners (Finanzamt) den Beschluss des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf vom 21. August 2009 11 V 2481/09 A (E) dahin abgeändert, dass die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2007 vom 5. Februar 2009 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 10. März und 5. Juni 2009 sowie der Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2009 bis zu einen Monat nach Ergehen einer Entscheidung in der Hauptsache ohne Sicherheitsleistung insoweit aufgehoben wird, als Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer der Antragstellerin lediglich in Höhe von 1.250 € nicht als Werbungskosten bei den Einkünften der Antragstellerin aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt worden sind. Die Beschwerde der Antragsteller und Rügeführer (Antragsteller), die auf die Aufhebung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 2008 zielte, wurde zurückgewiesen. Die Antragsteller wenden sich gegen den ihnen am 6. Februar 2010 zugegangenen Beschluss mit der Anhörungsrüge. Der entsprechende Schriftsatz ist am 11. Februar 2010 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen.
Entscheidungsgründe
II. Die Anhörungsrüge führt nicht zum Erfolg.
1. Die gemäß § 133a der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthafte Anhörungsrüge ist unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 133a Abs. 2 Satz 5 FGO in seiner ab dem 1. Juli 2008 geltenden Fassung entspricht.
Nach dieser Bestimmung muss in der Anhörungsrüge ‑‑und zwar innerhalb der Frist des § 133a Abs. 2 Satz 1 FGO‑‑ "dargelegt" werden, dass die Voraussetzungen des § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FGO vorliegen. Darlegen, das schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch im Sinne von "erläutern" und "erklären" zu verstehen ist (vgl. BFH-Beschluss vom 18. Januar 1968 V B 45/67, BFHE 90, 369, BStBl II 1968, 98; Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. November 1995 9 B 362/95, Neue Juristische Wochenschrift 1996, 1554, m.w.N.), heißt in diesem Zusammenhang: Schlüssig, substantiiert und nachvollziehbar darstellen, zu welchen Sach- oder Rechtsfragen der Rügeführer sich im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren (hier dem Beschwerdeverfahren VI B 115/09) nicht habe äußern können, welches entscheidungserhebliche Vorbringen des Rügeführers das Gericht unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht zur Kenntnis genommen oder in Erwägung gezogen habe und woraus der Rügeführer dies meint folgern zu können (z.B. BFH-Beschluss vom 26. November 2008 VII S 28/08, BFH/NV 2009, 409; vgl. auch z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 133a Rz 12, m.w.N.). Denn so wie das Darlegungserfordernis nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dazu führt, dass hinsichtlich aller Revisionszulassungsgründe auch Anforderungen an die Klarheit, Verständlichkeit und Überschaubarkeit des Beschwerdevorbringens zu stellen sind (vgl. im Einzelnen BFH-Beschluss vom 23. Juli 2008 VI B 78/07, BFHE 222, 54, BStBl II 2008, 878), verlangt auch die in § 133a Abs. 2 Satz 5 FGO geforderte Darlegung, dass derartige Mindestanforderungen an die Ausführungen zur Begründung einer Anhörungsrüge zu stellen sind (BFH-Beschluss vom 11. März 2009 VI S 2/09, BFH/NV 2009, 1131).
Daran fehlt es im Streitfall. Die Antragsteller tragen zunächst im Rahmen eines zugleich erhobenen Antrags auf Tatbestandsberichtigung gemäß § 108 FGO vor, dass der Senat im Beschluss vom 26. Januar 2010 den Geschehensablauf irreführend dargestellt habe. Ein Gehörsverstoß wird damit jedoch nicht behauptet. Im Übrigen erschöpft sich die Begründung der Anhörungsrüge in der Anfechtung der Kostenentscheidung. Der Senat habe aufgrund der irreführenden Sachverhaltsdarstellung nicht nach billigem Ermessen über die Kosten des Beschwerdeverfahrens entschieden und auch im Verlauf des Verfahrens den Sach- und Streitstand nicht gebührend berücksichtigt. Deshalb seien den Antragstellern zu Unrecht die Kosten des Beschwerdeverfahrens in vollem Umfang auferlegt worden. Allerdings ist mit diesem Vorbringen ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ebenfalls nicht substantiiert dargelegt.
2. Die Anhörungsrüge wäre aber auch unbegründet, denn die Antragsteller zielen mit ihren Ausführungen im Kern gegen die Richtigkeit der Kostenentscheidung. Mit diesem Vorbringen können sie im Rahmen des § 133a FGO jedoch nicht gehört werden. Denn die Anhörungsrüge dient nicht dazu, die Richtigkeit einer Kostengrundentscheidung zu überprüfen.
3. Der von den Antragstellern gestellte Antrag auf Tatbestandsberichtigung (§ 108 i.V.m. § 113 Abs. 1 FGO) des Beschlusses vom 26. Januar 2010 ist unzulässig.
Zwar ist § 108 FGO sinngemäß auch auf einen Beschluss anwendbar (§ 113 Abs. 1 FGO). Ein Antrag auf Tatbestandsberichtigung einer vom BFH gemäß § 132 FGO durch Beschluss getroffenen Entscheidung über die Aussetzung und Aufhebung der Vollziehung ist aber wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig. Ein berechtigtes Interesse an einer Tatbestandsberichtigung kann nur insoweit bestehen, als damit die Grundlagen für eine Rechtsmittelentscheidung geschaffen werden sollen (BFH-Beschlüsse vom 28. September 1993 VII B 83/93, BFH/NV 1994, 189; vom 17. Juni 1994 IV B 33/94, BFH/NV 1995, 228). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben, weil gegen den Beschluss des Senats wegen Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung kein Rechtsmittel gegeben ist.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133a Abs. 4 Satz 4 FGO).
5. Der Antrag, die Zuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO), ist im Verfahren über die Anhörungsrüge unzulässig. Die Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren; zuständig ist daher das Gericht des ersten Rechtszugs, im Streitfall das FG.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Gerichtskosten richten sich nach Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz i.d.F. des Anhörungsrügengesetzes vom 9. Dezember 2004 (BGBl I 2004, 3220) ‑‑GKG‑‑ (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG). Es fällt eine Festgebühr von 50 € an. Im Übrigen ergeht die Entscheidung gerichtsgebührenfrei.