BFH III. Senat
InvZulG § 3 Abs 1 S 1 Nr 1, InvZulG § 3 Abs 1 S 1 Nr 2, InvZulG § 3 Abs 1 S 3, InvZulG § 5, BGB § 137, InvZulG § 3 Abs 1 S 1 Nr 4
vorgehend FG Hamburg, 04. Juli 2006, Az: 1 K 148/05
Leitsätze
NV: Hersteller ist derjenige, der das Baugeschehen beherrscht und das Bauherrenrisiko trägt. Die Anschaffung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 4 InvZulG 1999 ist nicht zulagenbegünstigt, wenn ein anderer Anspruchsberechtigter i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 4 InvZulG 1999 Investitionszulage in Anspruch nimmt.
Tatbestand
I. Die X-KG war Eigentümerin eines unter Denkmalschutz stehenden Gebäudeensembles im Fördergebiet (§ 1 Abs. 2 des Investitionszulagengesetzes 1999 ‑‑InvZulG 1999‑‑). Sie teilte das Grundstück in Wohnungseigentum auf und schloss mit zwei Maklerfirmen eine Vertriebsvereinbarung, die vorsah, dass eine etwaige Investitionszulage dem jeweiligen Käufer zustehen sollte.
Mit notariell beurkundetem "Werklieferungsvertrag über WEG-Eigentum" vom 1. Februar 2000 kaufte der Kläger und Revisionskläger (Kläger) eine vermietete Eigentumswohnung, die die X-KG nach Maßgabe einer Grundlagenurkunde herzustellen und auszustatten hatte. Der Festpreis, aufgeteilt auf Grund und Boden, Altbausubstanz, nach § 7i des Einkommensteuergesetzes (EStG) begünstigte sowie nach § 7i EStG nicht begünstigte Baukosten, war in Raten entsprechend dem Baufortschritt fällig. Besitz, Gefahr, Lasten und Nutzen gingen nach Abnahme des Kaufgegenstandes am 29. November 2000 und Kaufpreiszahlung auf den Kläger über. Dieser überließ die Wohnung entgeltlich zu Wohnzwecken. Die X-KG machte in ihrem Antrag auf Investitionszulage nach § 3 InvZulG 1999 für das Kalenderjahr 2000 Aufwendungen geltend, die das Gebäudeensemble betrafen. Die für sie zuständige Finanzbehörde gewährte die Investitionszulage mit Bescheid vom 25. April 2001.
Am 14. Januar 2002 beantragte der Kläger beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ‑‑FA‑‑) seinerseits Investitionszulage für die Anschaffung der Wohnung, soweit nachträgliche Herstellungsarbeiten nach dem rechtswirksamen Abschluss des obligatorischen Vertrags vom Veräußerer durchgeführt wurden (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1999). Das FA lehnte mit Bescheid vom 15. September 2003 die Festsetzung einer Investitionszulage für das Kalenderjahr 2000 ab, da aufgrund der Inanspruchnahme der Investitionszulage durch die X-KG die Gewährung von Investitionszulage für den Kläger ausgeschlossen sei. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage durch Urteil vom 5. Juli 2006 1 K 148/05 (Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2007, 59) ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, der Kläger könne nach § 3 Abs. 1 Satz 3 InvZulG 1999 eine Investitionszulage nicht beanspruchen. Er sei als Erwerber gegenüber dem Hersteller nur nachrangig investitionszulagenberechtigt. Der X-KG stehe die festgesetzte Investitionszulage nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1999 zu.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe den Inhalt der notariellen Urkunde, mit der er der X-KG den Abschluss des Kaufvertrags angeboten hatte, verkannt und ihn zu Unrecht nicht als Hersteller der Wohnung angesehen. Im Falle der Errichtung oder Sanierung eines Gebäudes durch einen Bauträger wolle dieser niemals Hersteller im investitionszulagenrechtlichen Sinne bzw. Eigentümer des von ihm errichteten Objektes werden. Der Bauträger sei als reiner Geschäftsbesorger, Eigentumsverschaffer und Werkleistungserbringer tätig. Als solcher wolle er auch nicht vermieten, sondern die als Bauträgerobjekte vertriebenen Immobilien nur kurzfristig in seinem Umlaufvermögen halten. Zum Zwecke der Abgrenzung der Begriffe "Bauherr" und "Erwerber" könne nicht auf die zum Bauherrenmodell entwickelten Kriterien zurückgegriffen werden. Da der Bauträger seine Tätigkeit mit den vom "Erwerber" aufgebrachten Ratenzahlungen finanziere, trage er ein außerordentlich geringes Bauherrenrisiko, das es nicht rechtfertige, ihn als Hersteller i.S. des § 3 InvZulG 1999 anzusehen. Allein der "Erwerber" sei dem wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt, dass sich sein eingesetztes Kapital nicht rentiere. Sinn und Zweck des § 3 InvZulG 1999 sei es, private Investitionen in die Modernisierung von Wohnungen zu lenken. Subventioniert werden solle der Investor, weshalb die am Gebäude durchgeführten Herstellungsarbeiten dem Auftraggeber zuzurechnen seien. Sehe man hingegen den Bauträger als Hersteller an, könne der eigentliche Investor auf die Gewährung der Investitionszulage nicht mehr vertrauen mit der Folge, dass das InvZulG 1999 sein Ziel verfehle. Zudem habe die X-KG das Objekt nicht zur vorübergehenden Nutzung überlassen, sondern endgültig veräußert. Bei Gewerbetreibenden wie der X-KG seien im Hinblick auf § 2 InvZulG 1999 nur Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens begünstigt. Ohnehin enthalte § 3 Abs. 1 Satz 3 InvZulG 1999 lediglich ein Kumulationsverbot, ohne dass der Bauträger vorrangig investitionszulagenberechtigt sein solle, da in der Vorschrift der Erwerber ‑‑im Gegensatz zu § 3 Abs. 1 Satz 4 InvZulG 1999‑‑ nicht genannt sei. Aus dem FG-Urteil folge gerade eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Doppelförderung, da die X-KG gegenüber dem Kläger einen höheren Kaufpreis durchgesetzt und darüber hinaus die Investitionszulage selbst in Anspruch genommen habe. Schließlich mache die in der Vertriebsvereinbarung getroffene Regelung, dass eine etwaige Investitionszulage dem Erwerber zustehe, die Antragstellung des Bauträgers (§ 5 InvZulG 1999) unwirksam.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und das FA unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 15. September 2003 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 7. April 2005 zu verpflichten, die Investitionszulage für das Kalenderjahr 2000 auf … € festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
Nach zutreffender Entscheidung des FG ist ein Anspruch des Klägers auf Investitionszulage ausgeschlossen. Zwar ist die Anschaffung der Wohnung durch den Kläger, soweit nachträgliche Herstellungsarbeiten nach dem rechtswirksamen Abschluss des Werklieferungsvertrags durchgeführt worden sind, nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1999 dem Grunde nach begünstigt; mit der X-KG hat jedoch ein anderer Anspruchsberechtigter vorrangig für das Gebäude Investitionszulage in Anspruch genommen (§ 3 Abs. 1 Satz 3 InvZulG 1999).
a) Begünstigte Investitionen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 sind ‑‑unter weiteren Voraussetzungen‑‑:
- nachträgliche Herstellungsarbeiten an Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1991 fertig gestellt worden sind (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1999),
- die Anschaffung von Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1991 fertig gestellt worden sind, soweit nachträgliche Herstellungsarbeiten nach dem rechtswirksamen Abschluss des obligatorischen Vertrags oder gleichstehenden Rechtsakts durchgeführt worden sind (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1999), und
- Erhaltungsarbeiten an Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1991 fertig gestellt worden sind (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1999),
soweit die Gebäude mindestens fünf Jahre nach Beendigung der nachträglichen Herstellungsarbeiten oder der Erhaltungsarbeiten der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dienen,
- die Anschaffung neuer Gebäude bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung und die Herstellung neuer Gebäude in bestimmten Gebieten (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1999).
b) Einen Anspruch auf Investitionszulage kann der Kläger nur auf § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1999 stützen. Er hat die streitbefangene Wohnung ‑‑den "Kaufgegenstand" laut § 1 Nr. 6 des "Werklieferungsvertrags über WEG-Eigentum"‑‑ angeschafft und kann weder als deren Hersteller angesehen werden noch hat er an ihr Erhaltungsarbeiten durchgeführt.
Dass die Wohnung bei Vertragsschluss noch nicht fertig gestellt war, steht der Annahme eines Anschaffungsgeschäfts nicht entgegen (Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 17. Dezember 1996 IX R 47/95, BFHE 182, 178, BStBl II 1997, 348; BFH-Beschluss vom 30. Oktober 2001 X B 28/01, BFH/NV 2002, 342). Die im Investitionszulagenrecht verwendeten Begriffe der Herstellung, der Herstellungsarbeiten bzw. der Herstellungskosten entsprechen der einkommensteuerrechtlichen Begriffsbestimmung (Senatsurteile vom 15. Mai 1997 III R 143/93, BFHE 182, 470, BStBl II 1997, 575; vom 20. Oktober 2005 III R 18/04, BFH/NV 2006, 815). Nach § 15 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung ist Bauherr, wer auf eigene Rechnung und Gefahr ein Gebäude baut oder bauen lässt. Danach ist Bauherr bzw. Hersteller derjenige, der das Baugeschehen beherrscht und das Bauherrenrisiko trägt (BFH-Urteil vom 14. November 1989 IX R 197/84, BFHE 158, 546, BStBl II 1990, 299; BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 342). Diese Merkmale treffen im Streitfall auf die X-KG zu, nicht aber auf den Kläger. Das FG hat für den Senat bindend festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO), dass sich die X-KG dem Kläger gegenüber vertraglich verpflichtete, zu einem Festpreis den "Kaufgegenstand" nach Maßgabe der Grundlagenurkunde und der Teilungserklärung herzustellen, auszustatten und zu übereignen. Im Rahmen des Baufortschritts allenfalls zu berücksichtigende bauliche Sonderwünsche des Klägers beim Sondereigentum bedurften der Genehmigung durch die X-KG. Diese führte laut § 2a Abs. 2 des Vertrags das Bauvorhaben im eigenen Namen und auf eigene Rechnung durch (vgl. § 34c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Gewerbeordnung). Danach konnte der Kläger auf das Baugeschehen keinen maßgeblichen Einfluss nehmen. Da die X-KG das Bauvorhaben als ‑‑zumindest wirtschaftliche (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 der Abgabenordnung)‑‑ Eigentümerin im eigenen Namen nicht für fremde ‑‑insbesondere nicht des Klägers‑‑ Rechnung durchführte und zudem nach Maßgabe des § 4 des "Werklieferungsvertrags über WEG-Eigentum" die Gefahr trug, lastete auf dem Kläger auch kein Risiko, das über dasjenige eines Erwerbers hinausging (vgl. BFH-Urteil in BFHE 158, 546, BStBl II 1990, 299). Dass die X-KG die Bauarbeiten nicht vollumfänglich vorfinanzierte, sondern vereinbarungsgemäß in Anlehnung an § 3 Abs. 2 der Makler- und Bauträgerverordnung dem Bautenstand entsprechend Kaufpreisraten beanspruchen konnte, ist nicht geeignet, den Kläger als Hersteller der Wohnung anzusehen (vgl. BFH-Urteil vom 24. August 2004 IX R 28/02, BFH/NV 2005, 49).
c) Eine Investitionszulage nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1999 steht dem Kläger jedoch nicht zu, da ein anderer Anspruchsberechtigter für das Gebäude Investitionszulage in Anspruch genommen hat (§ 3 Abs. 1 Satz 3 InvZulG 1999).
aa) Anderer Anspruchsberechtigter in diesem Sinne ist im Streitfall die X-KG. Sie hat an dem Gebäudeensemble, das vor dem 1. Januar 1991 fertig gestellt worden ist und zu dem auch die streitgegenständliche Wohnung gehört, nachträgliche Herstellungsarbeiten (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1999) durchgeführt.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist es ohne Belang, dass das Gebäudeensemble bzw. die streitgegenständliche Wohnung vormals nicht zum Anlagevermögen der X-KG gehörte und diese nicht beabsichtigte, die Wohnung zu vermieten. Die Investitionszulage für nachträgliche Herstellungsarbeiten an Mietwohngebäuden hängt nach der gesetzlichen Regelung, die die Förderung der Modernisierung und Sanierung des Altbaubestands bezweckt (BTDrucks 13/8059, S. 20 f.), eindeutig nicht von der Zugehörigkeit der Gebäude zum Anlagevermögen oder davon ab, wer die entgeltliche Überlassung zu Wohnzwecken verwirklicht (BFH-Urteil vom 14. Dezember 2006 III R 27/03, BFHE 215, 442, BStBl II 2007, 332). Es genügt, dass die Wohnung mindestens fünf Jahre nach Beendigung der nachträglichen Herstellungsarbeiten der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken diente. Dem Anspruch der X-KG auf Investitionszulage steht schließlich nicht entgegen, dass nach der Vertriebsvereinbarung die Förderung dem jeweiligen Käufer zustehen sollte. Dabei kann es dahinstehen, ob sich der Kläger in diesem Zusammenhang auf die Vereinbarung zwischen der X-KG und den Vertriebspartnern berufen kann, zumal vor dem Hintergrund des in § 137 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedankens, dass sich niemand durch Rechtsgeschäft seiner rechtlichen Handlungsfreiheit entäußern kann (Palandt/Ellenberger, Bürgerliches Gesetzbuch, 69. Aufl., § 137 Rz 1). Denn die X-KG hat gegenüber der Finanzbehörde zu keiner Zeit auf ihren Anspruch auf Investitionszulage bzw. die Möglichkeit, diesen Anspruch mit Antrag nach § 5 InvZulG 1999 geltend zu machen, verzichtet.
bb) Da die X-KG für das Gebäude Investitionszulage in Anspruch genommen hat, ist der Kläger nach § 3 Abs. 1 Satz 3 InvZulG 1999 von der Zulagenförderung der Anschaffungskosten ausgeschlossen. Die Vorschrift soll verhindern, dass Investitionszulage für Investitionen in dasselbe Gebäude doppelt festgesetzt wird, unabhängig davon, ob die am Wirtschaftverkehr beteiligten Personen die Preise unter Berücksichtigung eines etwaigen Zulagenanspruchs aushandeln. Aus der Vorschrift wird ohne weiteres ersichtlich, dass die Anschaffung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 4 InvZulG 1999 nicht zulagenbegünstigt ist, wenn ein anderer Anspruchsberechtigter i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 4 InvZulG 1999 Investitionszulage in Anspruch nimmt (Urteil des FG Berlin vom 15. Februar 2006 2 K 610/03, EFG 2006, 921; ebenso Blümich/Stuhrmann, § 3 InvZulG 1999 Rz 21; Masuch in Bordewin/Brandt, § 3 InvZulG Rz 31; Kaligin in Lademann, EStG, § 3 InvZulG 1999 Rz 29).