Zum Hauptinhalt springen Zur Hauptnavigation springen Zum Footer springen
auf der Richterbank liegen Barett und Arbeitsmappe, dahinter ein Richterstuhl, auf dem eine Robe hängt

Entscheidungen
des Bundesfinanzhofs

Entscheidungen online

Zur Hauptnavigation springen Zum Footer springen

Beschluss vom 17. März 2010, I R 19/09

Zusage einer Pension ohne ausreichende Erprobung als vGA - Berechnung der Höhe der vGA - Anderweitige Ausübung des Wahlrechts gem. § 6a Abs. 4 Satz 3 EStG nach Einreichung der Bilanz beim FA

BFH I. Senat

EStG § 4 Abs 1, EStG § 4 Abs 2 S 2, EStG § 6a Abs 3, EStG § 6a Abs 4 S 3, KStG § 8 Abs 3 S 2, FGO § 118 Abs 2

vorgehend Finanzgericht des Saarlandes , 02. Dezember 2008, Az: 1 K 1377/04

Leitsätze

1. NV: Die Erteilung einer Pensionszusage an den Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft setzt im Allgemeinen die Einhaltung einer Probezeit voraus, um die Leistungsfähigkeit des neu bestellten Geschäftsführers beurteilen zu können. Die Feststellung, dass die Zusage einer Altersvorsorgung  durch das Gesellschaftsverhältnis (mit)veranlasst ist, beruht im Wesentlichen auf Schlussfolgerungen tatsächlicher Art des FG, die das Revisionsgericht binden .

2. NV: Die Höhe der anzusetzenden vGA ist nicht deshalb zu mindern, weil bei der Berechnung der Pensionsrückstellungen die Anwartschaft so zu ermitteln ist, als wäre die Zusage bereits mit Dienstantritt erteilt worden .

3. NV: Die bei der Einkommensermittlung hinzugerechneten vGA sind nicht um die in nachfolgenden Wirtschaftsjahren ersparten Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung zu kürzen .

4. NV: Das Wahlrecht gemäß § 6a Abs. 4 Satz 3 EStG kann nach Einreichung der Bilanz beim FA nur nach den Grundsätzen, die für eine Bilanzänderung gelten, anderweitig ausgeübt werden .

Tatbestand

  1. I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, an der W im Streitjahr 2000 zu 99 v.H. beteiligt war. Seine 1955 geborene Ehefrau (E) war seit 1. Februar 1990 als kaufmännische Angestellte bei der Klägerin beschäftigt. Im Streitjahr erhielt sie für ihre Tätigkeit ein monatliches Gehalt von 5.750 DM. Die ihr erteilte Prokura wurde am 18. Oktober 2000 im Handelsregister eingetragen. Am 22. Oktober 2000 wurde sie zur weiteren einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführerin bestellt. Am 1. Dezember 2000 erteilte ihr die Klägerin eine Versorgungszusage, nach der sie nach Vollendung ihres 65. Lebensjahres Anspruch auf eine lebenslängliche Altersrente in Höhe von monatlich 3.000 DM und auf eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von ebenfalls 3.000 DM hat. Die Klägerin bildete hierfür in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 2000 eine Pensionsrückstellung.

  2. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) beurteilte die Zuführung zur Pensionsrückstellung (82.704 DM) mangels einer Probezeit als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) und rechnete den Betrag außerhalb der Bilanz dem Einkommen der Klägerin hinzu.

  3. Die dagegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) des Saarlandes mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 774 veröffentlichtem Urteil vom 3. Dezember 2008  1 K 1377/04 im Wesentlichen ab.

  4. Gegen das FG-Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt wird. Sie beantragt, das FG-Urteil, soweit es die Klage abgewiesen hat, aufzuheben und das Einkommen der Klägerin um weitere 81.604 DM zu mindern.

  5. Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

  1. II. Der Senat entscheidet gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss. Er hält die Revision einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind angehört worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

  2. Die Annahme des FG, die Zusage einer Altersversorgung an E sei eine vGA, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

  3. 1. Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Senat die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer diesem nahe stehenden Person einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteil vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626).

  4. 2. a) Wie der Senat wiederholt entschieden hat (vgl. z.B. Senatsurteile vom 23. Februar 2005 I R 70/04, BFHE 209, 252, BStBl II 2005, 882; vom 24. April 2002 I R 18/01, BFHE 199, 144, BStBl II 2002, 670, m.w.N.), ist davon auszugehen, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer GmbH deren Geschäftsführer eine Pension erst dann zusagen wird, wenn er die Leistungsfähigkeit des neu bestellten Geschäftsführers zuverlässig abzuschätzen vermag. Ohne Erprobung des Geschäftsführers würde eine Pension nicht zugesagt werden. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten.

  5. Allerdings hat der Senat das Erfordernis einer Probezeit bei solchen Unternehmen für verzichtbar gehalten, die aus eigener Erfahrung Kenntnisse über die Befähigung des Geschäftsleiters haben. Diese Kriterien sind bei einem Unternehmen als erfüllt angesehen worden, das seit Jahren tätig war und lediglich sein Rechtskleid ändert, wie beispielsweise bei Begründung einer Betriebsaufspaltung oder einer Umwandlung (vgl. Senatsurteile vom 29. Oktober 1997 I R 52/97, BFHE 184, 487, BStBl II 1999, 318; vom 18. Februar 1999 I R 51/98, BFH/NV 1999, 1384; vom 18. August 1999 I R 10/99, BFH/NV 2000, 225). Gleichermaßen verhält es sich bei einem sog. Management-buy-out, wenn bisherige leitende Angestellte eines Unternehmens dieses "aufkaufen" und sodann in Gestalt eines anderen Unternehmens fortführen (Senatsurteil in BFHE 199, 144, BStBl II 2002, 670).

  6. b) Das FG hat diese Grundsätze auf den Streitfall angewandt. Es hat dennoch ausgeschlossen, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter unter den Gegebenheiten des Streitfalles auch einem gesellschaftsfremden Geschäftsführer bereits am 1. Dezember 2000 ‑‑knapp sechs Wochen nach der Bestellung zum Geschäftsführer‑‑ eine vergleichbare Pension zugesagt hätte. E habe zwar bereits längere Zeit für die Klägerin gearbeitet, jedoch nicht in führender Stellung, sondern als Büroangestellte und damit weisungsgebunden. Die Klägerin habe keine Umstände dargetan, die erkennbar auf die Eignung der E als Geschäftsführerin hinwiesen. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter hätte daher auf eine angemessene Probezeit nicht verzichtet.

  7. c) Diese Sachverhaltswürdigung des FG mag nicht zwingend sein. Sie lässt jedoch keine Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze erkennen und ist deswegen aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Die Feststellung, dass die Zusage einer Altersversorgung durch das Gesellschaftsverhältnis (mit-)veranlasst ist, beruht im Wesentlichen auf Schlussfolgerungen tatsächlicher Art, die zu den tatsächlichen Feststellungen i.S. von § 118 Abs. 2 FGO gehören und deshalb das Revisionsgericht grundsätzlich binden. Soweit die Klägerin geltend macht, die vorherige Tätigkeit der E als kaufmännische Angestellte reiche aus, um sich ein Bild von ihren Fähigkeiten als Geschäftsführerin zu machen, setzt sie nur ihre eigene Würdigung anstelle derjenigen des FG.

  8. Dem Einwand der Klägerin, sie hätte E auch als kaufmännische Angestellte eine Altersversorgung zusagen können, die dann als ausschließlich betrieblich veranlasst anzuerkennen gewesen wäre, ist entgegenzuhalten, dass sich die steuerliche Beurteilung an tatsächlichen, nicht an möglichen Gegebenheiten orientiert. Unabhängig davon stehen diesem Einwand die Feststellungen des FG entgegen, nach denen Arbeitnehmern der Klägerin in vergleichbarer Position keine Altersversorgung zugesagt worden ist. Das FG hat daher angenommen, dass die Zusage einer Altersversorgung an E, hätte sie ihre Stellung als Büroangestellte beibehalten, ebenfalls als vGA zu beurteilen gewesen wäre. Auch diese Würdigung des FG ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Zuführung zu einer Pensionsrückstellung kann nach der Rechtsprechung des Senats als vGA zu beurteilen sein, wenn anderen Arbeitnehmern, die vergleichbare Tätigkeits- und Leistungsmerkmale aufweisen, eine entsprechende betriebliche Altersversorgung nicht eingeräumt wurde (Senatsurteil vom 20. Mai 1992 I R 2/91, BFH/NV 1993, 52, m.w.N.).

  9. d) Die Höhe der anzusetzenden vGA ist nicht deshalb zu mindern, weil bei der Berechnung der Pensionsrückstellungen gemäß § 6a Abs. 3 EStG in der im Streitjahr gültigen Fassung die Anwartschaft so zu ermitteln ist, als wäre die Zusage bereits mit Dienstantritt erteilt worden (§ 6a Abs. 3 Satz 3 EStG). Eine nur anteilige außerbilanzielle Hinzurechnung käme nur dann in Betracht, wenn die Zuführung zur Pensionsrückstellung im Streitjahr zum Teil ausschließlich betrieblich veranlasst wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die gemäß § 6a Abs. 3 EStG gebildete Pensionsrückstellung war nach der Würdigung des FG vielmehr in vollem Umfange dem Grunde nach durch das Gesellschaftsverhältnis (mit-)veranlasst.

  10. Die Klägerin macht zwar zu Recht geltend, dass bei jährlich gleich bleibender Höhe der Zuführungsbeträge zur Pensionsrückstellung ein geringerer Betrag als vGA zu berücksichtigen wäre. Bei der Bemessung der vGA kann aber nicht fiktiv von einem niedrigeren Zuführungsbetrag zur Pensionsrückstellung ausgegangen werden, als § 6a Abs. 3 EStG vorsieht und die Klägerin auch tatsächlich zurückgestellt hat. Die im Streitjahr durch die Pensionszusage eingetretene Vermögensminderung kann auch nicht deshalb als teilweise ausschließlich betrieblich veranlasst beurteilt werden, weil die Pensionszusage in späteren Jahren steuerlich anzuerkennen war. Denn Umstände, die erst in nachfolgenden Veranlagungszeiträumen eingetreten sind, wirken nicht auf das Streitjahr zurück. Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt aus dem Senatsurteil vom 13. Juni 2006 I R 58/05 (BFHE 213, 559, BStBl II 2006, 928) nichts Gegenteiliges. Auch dort wurde zu dem Zeitpunkt, zu dem die Vermögensminderung wirksam wurde, die vGA einkommenserhöhend berücksichtigt.

  11. e) Die dem Gewinn außerbilanziell hinzugerechneten vGA sind auch nicht um die in nachfolgenden Wirtschaftsjahren ersparten Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung zu kürzen. Dies folgt schon daraus, dass Ersparnisse künftiger Wirtschaftsjahre infolge des Wegfalls der Beitragspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung im Streitjahr noch nicht realisiert waren und daher die Höhe der anzusetzenden vGA nicht beeinflussen können. Ob das FG zu Recht unter Berufung auf die Senatsurteile vom 31. März 2004 I R 65/03 (BFHE 206, 32, BStBl II 2005, 664) und vom 28. Januar 2004 I R 21/03 (BFHE 205, 186, BStBl II 2005, 841; vgl. auch Senatsurteil vom 27. November 1974 I R 123/73, BFHE 114, 415, BStBl II 1975, 294) die vGA um die ersparten Arbeitgeberbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für die Monate November und Dezember gemindert hat, kann offenbleiben, weil die Klägerin dadurch nicht beschwert worden ist und das FA keine Revision eingelegt hat.

  12. 3. Die Klägerin kann ihr Wahlrecht gemäß § 6a Abs. 4 Satz 3 EStG nicht mehr anderweitig ausüben. Nach dieser Vorschrift kann die erstmalige Bildung der Rückstellung auf das Erstjahr und die beiden folgenden Wirtschaftsjahre gleichmäßig verteilt werden. Die Klägerin hat in ihrer Bilanz für das Streitjahr die Rückstellungen in voller Höhe gebildet. Da gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG eine Bilanzänderung nur zulässig ist, wenn sie in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung i.S. des § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG steht, eine solche aber nicht vorliegt, ist eine anderweitige Ausübung des Wahlrechts nicht möglich (vgl. Senatsurteil vom 17. Juli 2008 I R 85/07, BFHE 222, 418, BStBl II 2008, 924). Aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 27. September 2006 IV R 7/06 (BFHE 215, 172, BStBl II 2008, 600) ergibt sich nichts Gegenteiliges. Denn in dem dort entschiedenen Fall lag ‑‑anders als im Streitfall‑‑ eine Bilanzberichtigung vor, die durch eine Bilanzänderung kompensiert werden konnte.

Seite drucken