BFH X. Senat
AO § 169, AO § 170 Abs 2 S 1 Nr 1, AO § 171 Abs 4, AO § 202 Abs 1 S 3
vorgehend FG Köln, 19. Mai 2009, Az: 9 K 1135/09
Leitsätze
NV: Die Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO muss nicht in einem gesonderten Schreiben erfolgen. Es genügt auch der ausdrückliche Hinweis in einem Prüfungsbericht, der zu Änderungen hinsichtlich anderer Steuern geführt hat .
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielt im Rahmen einer Betriebsaufspaltung Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b der Abgabenordnung (AO) gesondert festgestellt werden.
Aufgrund der vom Kläger im Jahr 2001 eingereichten Feststellungserklärung für das Jahr 1999 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) die Einkünfte unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erklärungsgemäß in Höhe von 299.239 DM fest.
Für die Jahre 1998 bis 2002 fand beim Kläger eine Außenprüfung für Umsatzsteuer, Gewerbesteuer und gesonderte Feststellung von Einkünften statt, die ‑‑zwischen den Beteiligten unstreitig‑‑ im Februar 2005 abgeschlossen wurde. Diese führte lediglich für das Jahr 2002 zu Änderungen des für das Besitzunternehmen festgestellten Gewinns. Aussagen bezüglich der Feststellung 1999 werden im Textteil des Prüfungsberichts vom 10. Februar 2005 nicht getroffen. In der Anlage zu dem Prüfungsbericht "Prüfungsergebnis Gewinnfeststellung" ist für die Jahre 1998 bis 2001, somit also auch für das Streitjahr 1999, kein Mehrergebnis vermerkt.
Unter dem 2. Januar 2008 erließ das FA einen Gewinnfeststellungsbescheid für 1999. In diesem wurde der Gewinn aus Gewerbebetrieb unverändert mit 299.239 DM festgestellt und der Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 3 AO aufgehoben.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Einspruch mit der Begründung, es sei bereits Feststellungsverjährung eingetreten. Der Ablauf der Verjährungsfrist sei nicht gehemmt gewesen, da dem Prüfungsbericht eindeutig zu entnehmen sei, dass nur die Gewinnfeststellung für 2002 geändert werden solle. Dies beinhalte für das Streitjahr 1999 zugleich eine Mitteilung i.S. des § 202 Abs. 1 Satz 3 AO, sodass § 171 Abs. 4 Satz 3 AO nicht greife.
Das Finanzgericht (FG) hat die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage abgewiesen. Das bloße Fehlen von Änderungen für die Gewinnfeststellung des Streitjahres 1999 im Prüfungsbericht und dessen Anlagen reiche nicht aus, um eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO zu ersetzen. Aus Gründen der Rechtssicherheit müsse eine derartige Mitteilung wegen der dadurch ausgelösten Rechtsfolgen nicht nur für die streitige Feststellungsverjährung, sondern auch für die Änderungssperre nach § 173 Abs. 2 AO eindeutig formuliert sein. Die bloße Schlussfolgerung aus dem Umstand, dass dem Prüfungsbericht und seinen Anlagen Änderungen für ein bestimmtes Streitjahr nicht zu entnehmen seien, bleibe hinter einer ausdrücklichen Mitteilung zurück und könne diese nicht ersetzen. Das bloße Fehlen von Änderungen der Besteuerungsgrundlagen könne auch darauf beruhen, dass diese versehentlich bei der Abfassung des Prüfungsberichts und seinen Anlagen nicht erfasst worden seien oder der Bericht aus anderen Gründen unvollständig geblieben sei.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Der Gewinnfeststellungsbescheid 1999 vom 2. Januar 2008 sei rechtswidrig, da gemäß §§ 181, 169 Abs. 1, § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 171 Abs. 4 AO Feststellungsverjährung mit dem 31. Dezember 2005 eingetreten sei. Zwar sei durch die Außenprüfung der Eintritt der Verjährung zunächst nach § 171 Abs. 4 AO gehemmt gewesen. Diese Hemmung sei jedoch durch die Schlussbesprechung und den Prüfungsbericht ohne Änderung der Besteuerungsgrundlagen vom 10. Februar 2005 wieder entfallen, sodass trotz der Drei-Monats-Frist des § 171 Abs. 4 Satz 1 AO die Feststellungsfrist am 31. Dezember 2005 abgelaufen sei. § 171 Abs. 4 Satz 3 AO greife im Streitfall nicht, da in dem Prüfungsbericht, der hinsichtlich des Streitjahres 1999 keine Änderung enthalte, eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO zu sehen sei.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) müsse eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO nicht zwingend als gesondertes Schreiben ergehen. Vielmehr könne auch ein ausdrücklicher Hinweis in einem Prüfungsbericht als eine solche Mitteilung betrachtet werden. Die explizite Feststellung in der Anlage zum Prüfungsbericht, wonach die Prüfung keine Änderung der Gewinnfeststellung für 1999 ergeben habe, genüge den Anforderungen einer ausdrücklichen Mitteilung i.S. des § 202 Abs. 1 Satz 3 AO. Deshalb stelle sich die Frage einer konkludenten Mitteilung (vgl. BFH-Urteil vom 14. Dezember 1989 III R 158/85, BFHE 159, 120, BStBl II 1990, 283) im Streitfall nicht.
Werde in jedem Fall eine gesonderte Mitteilung außerhalb des Prüfungsberichts gefordert, enthalte die gesetzliche Regelung eine Lücke. Wenn ‑‑wie im Streitfall‑‑ mehrere Besteuerungszeiträume und Steuerarten geprüft würden und sich nicht bei allen Jahren und bei allen Steuerarten Änderungen ergäben, werde ein Prüfungsbericht für den gesamten Prüfungszeitraum und alle Steuerarten erstellt. Eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO sei für diesen Fall nicht vorgesehen. Obwohl nach Abschluss der Prüfung das Vertrauen des Steuerpflichtigen im gesamten Umfang der Prüfung schutzwürdig sei, kämen dann bei einer auf den Wortlaut beschränkten Auslegung die Änderungssperre und die Rechtsfolge des § 171 Abs. 4 Satz 1 AO nur zur Anwendung, soweit Änderungen aufgrund von Prüfungsfeststellungen unterblieben seien.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das FG-Urteil sowie den Bescheid über die gesonderte Gewinnfeststellung 1999 vom 2. Januar 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. März 2009 aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Bloße Schlussfolgerungen aus dem Umstand, dass dem Prüfungsbericht und seinen Anlagen Änderungen für ein bestimmtes Streitjahr nicht zu entnehmen seien, würden hinter einer ausdrücklichen Mitteilung zurückbleiben und könnten diese nicht ersetzen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Zu Recht hat das FG erkannt, dass Feststellungsverjährung dem Erlass des Gewinnfeststellungsbescheids 1999 vom 2. Januar 2008 nicht entgegenstand.
1. Eine Gewinnfeststellung sowie deren Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Feststellungsfrist abgelaufen ist (§ 181 Abs. 1 Satz 1, § 169 Abs. 1 Satz 1 AO). Die ‑‑im Streitfall einschlägige‑‑ regelmäßige Feststellungsfrist von vier Jahren (§ 181 Abs. 1 Satz 1, § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) begann, da der Kläger jährliche Feststellungserklärungen abzugeben hatte, gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Erklärungen eingereicht wurden. Die Gewinnfeststellungserklärung 1999 hat der Kläger nach den Feststellungen des FG im Jahr 2001 abgegeben. Deshalb begann die Feststellungsfrist mit Ablauf des 31. Dezember 2001 und hätte ohne Ablaufhemmung am 31. Dezember 2005 geendet.
2. Die Feststellungsfrist verlängerte sich im Streitfall über den 31. Dezember 2005 hinaus. Das FA hat den geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 1999 vom 2. Januar 2008 vor Ablauf der Feststellungsfrist am 31. Dezember 2009 erlassen.
a) Wird vor Ablauf der Feststellungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Feststellungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO drei Monate verstrichen sind (§ 171 Abs. 4 Satz 1 AO). Sie endet spätestens, wenn seit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Schlussbesprechung stattgefunden hat, oder, wenn sie unterblieben ist, seit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die letzten Ermittlungen im Rahmen der Außenprüfung stattgefunden haben, die in § 169 Abs. 2 AO genannten Fristen verstrichen sind (§ 171 Abs. 4 Satz 3 1. Halbsatz AO).
b) Im Streitfall begann das FA vor Ende der Feststellungsfrist mit einer Außenprüfung, die u.a. auch die gesonderte Gewinnfeststellung des Streitjahres 1999 zum Gegenstand hatte. Hierdurch wurde der Eintritt der Verjährung gehemmt, sodass bei Erlass des streitigen Bescheids vom 2. Januar 2008 die Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen war.
aa) Die Außenprüfung beim Kläger hat zu keiner Änderung der Gewinnfeststellung 1999 geführt.
bb) Nach dieser Außenprüfung ist keine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO ergangen. Der dem Kläger übersandte Prüfungsbericht kann nicht als solche Mitteilung gewertet werden. Der Kläger folgert dies zu Unrecht aus dem Umstand, dass in einer Anlage zu dem Prüfungsbericht für das Streitjahr 1999 kein Mehrergebnis vermerkt ist.
Die Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO kann in Form eines gesonderten Schreibens erfolgen; sie ist aber auch als ausdrücklicher Hinweis in einem Prüfungsbericht möglich, der ‑‑wie im Streitfall‑‑ zu Änderungen hinsichtlich anderer Steuern geführt hat (BFH-Urteile in BFHE 159, 120, BStBl II 1990, 283; vom 13. März 1991 X R 33/89, BFH/NV 1991, 643). Daran mangelt es hier. Im Prüfungsbericht findet sich kein ausdrücklicher Hinweis, dass die Außenprüfung zu keiner Änderung des Gewinnfeststellungsbescheids 1999 geführt hat. Unter der Überschrift Feststellung trifft er lediglich eine Aussage zur Gewinnermittlung für 2002. Auch die Anlage zum Prüfungsbericht macht keine ausdrückliche Aussage zum Feststellungsgewinn des Streitjahres; in der Spalte Gewinnermittlung 1999 ist lediglich kein Betrag vermerkt. Das Gebot einer ausdrücklichen schriftlichen Mitteilung folgt aber bereits aus dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften (§ 171 Abs. 4 Satz 1 letzter Halbsatz, § 202 Abs. 1 Satz 3 AO); es wird auch vom Regelungszweck bestätigt. Die Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO hat ebenso wie der Prüfungsbericht (§ 202 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO) Dokumentations- und Protokollfunktion (vgl. Schick in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 202 AO Rz 40 ff. und 217). Dieser Funktion kann aus Gründen der Klarheit nur eine ausdrückliche Mitteilung gerecht werden. Die Vermutung oder Unterstellung eines sachlichen Prüfungsumfangs und die Annahme einer entsprechenden (konkludenten) Prüfungsmitteilung sind grundsätzlich ungeeignet, die Rechtssicherheit zu fördern (BFH-Urteil in BFHE 159, 120, BStBl II 1990, 283; Klein/Rüsken, AO, 10. Aufl., § 202 Rz 4). Zutreffend hat das FG in diesem Zusammenhang nach Auffassung des erkennenden Senats darauf abgestellt, dass das bloße Fehlen von Änderungen der Besteuerungsgrundlagen auch auf Unachtsamkeiten bei der Abfassung des Prüfungsberichts bzw. der Anlage zum Prüfungsbericht ‑‑aus der der Kläger eine Mitteilung i.S. von § 202 Abs. 1 Satz 3 AO ableiten will‑‑ beruhen kann.
cc) Soweit sich der Kläger in der Revisionsbegründung auf die Entscheidung des FG Düsseldorf vom 16. Februar 2001 1 K 7435/97 G (Entscheidungen der Finanzgerichte 2002, 366) bezieht, wonach die Änderungssperre nach § 173 Abs. 2 AO auch die in der Prüfungsanordnung genannten Jahre und Steuerarten erfasst, hinsichtlich derer eine Mitteilung gemäß § 202 Abs. 1 Satz 3 AO unterbleibt, weil die Außenprüfung für andere Jahre und Steuerarten zu Änderungen geführt hat, übersieht er, dass dieses Urteil im Revisionsverfahren keinen Bestand hatte. Der BFH hat im Urteil vom 2. Oktober 2003 IV R 36/01 (BFH/NV 2004, 307) die BFH-Entscheidung in BFHE 159, 120, BStBl II 1990, 283 bestätigt und unter II.1.c und d erkannt, dass aus dem Schweigen eines Prüfungsberichts keine Rückschlüsse gezogen werden können. Eine förmliche Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO setze zwar nicht zwingend ein gesondertes Schreiben, aber einen ausdrücklichen, mindestens aber konkludenten Hinweis in einem Prüfbericht voraus. Dieser fehlt hier.
dd) Die gesetzliche Regelung enthält auch entgegen dem Vorbringen in der Revisionsbegründung keine Lücke. Bezieht sich eine Außenprüfung auf mehrere Besteuerungszeiträume und mehrere Steuerarten und ergeben sich nicht in allen Jahren und bei allen Steuerarten Änderungen, obliegt es dem Steuerpflichtigen, darauf hinzuwirken, dass das FA eine derartige Mitteilung nachholt. Da der Gewinnfeststellungsbescheid im Streitfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand, konnte kein Vertrauenstatbestand entstehen (vgl. Buciek in Beermann/Gosch, AO § 164 Rz 69, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).
3. Das Wohnsitzfinanzamt des Klägers wird zu prüfen haben, ob der Bescheid vom 2. Januar 2008 noch ausgewertet werden kann (vgl. Senatsurteil vom 13. Dezember 2000 X R 42/96, BFHE 194, 305, BStBl II 2001, 471).
4. Der Antrag, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO) ist unzulässig, weil über die Notwendigkeit der Hinzuziehung das FG als das Gericht des ersten Rechtszuges zu entscheiden hat (vgl. Senatsurteil vom 12. Juli 2007 X R 5/05, BFHE 218, 343, BStBl II 2007, 959, m.w.N.).