BFH I. Senat
FGO § 115 Abs 2 Nr 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 2, KStG § 8 Abs 3 S 2, AO § 42
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg , 15. Juni 2009, Az: 6 K 959/05
Leitsätze
1. NV: Es ist geklärt, dass eine vGA durch Veräußerung eigener Anteile auch dann gegeben sein kann, wenn die GmbH die eigenen Anteile proportional im Verhältnis der jeweiligen Beteiligung zu den Buchwerten an die bisherigen Gesellschafter veräußert .
2. NV: Eine Steuerfolge ist auch dann zu beachten, wenn die betreffende Maßnahme mit einem vergleichbaren wirtschaftlichen Ergebnis zivilrechtlich anders hätte gestaltet werden können, ohne dass die Steuerfolge eingetreten wäre. Für einen Grundsatz der "Umkehrung des Missbrauchs" in Anlehnung an § 42 AO fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage .
Tatbestand
I. Streitpunkt ist, ob die Veräußerung eigener Anteile einer GmbH an die Gesellschafter zu verdeckten Gewinnausschüttungen (vGA) führt.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine GmbH mit abweichendem Wirtschaftsjahr zum 28./29. Februar. Ihr Stammkapital betrug zunächst 535.700 DM. Gesellschafter waren nach einer Neuordnung der Beteiligungsverhältnisse in den Jahren 1991/1992 A mit einem Anteil von nominal 348.000 DM (64,96 % des Stammkapitals) und B mit einem Anteil von 18.300 DM (3,42 % des Stammkapitals); die restlichen Geschäftsanteile im Betrag von 169.400 DM (31,62 % des Stammkapitals) hielt die Klägerin selbst. Sie hatte die eigenen Anteile mit ihren Anschaffungskosten (169.400 DM zzgl. Anschaffungsnebenkosten von 778,72 DM) aktiviert. Im Dezember 1998 erwarben B und der bisher nicht an der Klägerin beteiligte C von A je einen Geschäftsanteil von nominal 36.700 DM für einen Kaufpreis in Höhe von jeweils 500.000 DM. Nunmehr betrug die nominelle Beteiligung des A 51,26 %, die des B 10,27 % und die des C 6,85 %.
Im Oktober 1999 veräußerte die Klägerin die eigenen Anteile im Nennwert von 127.000 DM an A, im Nennwert von 25.400 DM an B und im Nennwert von 17.000 DM an C. Als Kaufpreise wurden jeweils die Nennwerte der Anteile vereinbart.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) beurteilte die Veräußerung der eigenen Anteile an die Gesellschafter bei Festsetzung der Körperschaftsteuer und des Gewerbesteuermessbetrages für das Streitjahr 2000 als vGA in Höhe von insgesamt 1.411.600 DM, weil die Kaufpreise um diesen Betrag unter den gemeinen Werten der Anteile gelegen hätten. Den gemeinen Wert der Anteile bemaß das FA anhand der bei den Anteilsverkäufen im Dezember 1998 zwischen A und B bzw. C vereinbarten Kaufpreise; dabei legte es nicht die auf die nominalen Beteiligungsquoten, sondern die auf die höheren Gewinnbezugs- und Stimmrechte der veräußerten Anteile ‑‑wie sie sich ohne Berücksichtigung der eigenen Anteile der Klägerin ergaben‑‑ entfallenden Kaufpreise zugrunde. Die deswegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg hat sie mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1675 abgedrucktem Urteil vom 16. Juni 2009 6 K 959/05 abgewiesen.
Die Klägerin beantragt mit ihrer Beschwerde die Zulassung der Revision gegen das FG-Urteil und begründet ihr Begehren mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, mit Divergenzen zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), mit der Erforderlichkeit einer BFH-Entscheidung zur Fortbildung des Rechts und mit einem gravierenden Verstoß gegen die Denkgesetze.
Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Das FG-Urteil weicht nicht von den von der Klägerin angeführten BFH-Urteilen ab (Zulassungsgrund der Erforderlichkeit einer BFH-Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Soweit der BFH in den Urteilen vom 16. Juli 1965 VI 71/64 U (BFHE 83, 325, BStBl III 1965, 618) und vom 31. Oktober 1990 I R 47/88 (BFHE 162, 546, BStBl II 1991, 255) eine vGA bzw. eine "andere Ausschüttung" i.S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1977 in Fällen bejaht hat, in denen die Gesellschaft eigene Anteile sofort bzw. zeitnah nach dem Erwerb zu einem Preis unter den Anschaffungskosten an Gesellschafter veräußert hat, ergibt sich aus den Entscheidungen kein Anhalt für die Annahme der Klägerin, eine vGA bei der Veräußerung eigener Anteile an Gesellschafter sei ausschließlich auf die dort gegebenen Sachverhaltskonstellationen beschränkt.
Auch von dem Senatsurteil vom 7. August 2002 I R 2/02 (BFHE 200, 197, BStBl II 2004, 131) ist die Vorinstanz nicht abgewichen. Der Senat hat dort den seither in ständiger Rechtsprechung vertretenen Rechtssatz aufgestellt, dass die Annahme einer vGA voraussetzt, die Unterschiedsbetragsminderung ‑‑oder (nicht Gegenstand des zitierten Senatsurteils) die verhinderte Vermögensmehrung‑‑ bei der Körperschaft müsse die objektive Eignung haben, beim Gesellschafter einen sonstigen Bezug i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auszulösen. Diesen Rechtssatz hat indes auch das FG seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Soweit die Klägerin daran zweifelt, dass der vom FG angenommene Vorteil als "sonstiger Bezug" in diesem Sinne in Betracht kommt, läge hierin keine Abweichung von der Senatsrechtsprechung, sondern lediglich deren unrichtige Anwendung auf den Einzelfall.
Zu dem Senatsurteil vom 23. Februar 2005 I R 44/04 (BFHE 209, 123, BStBl II 2005, 522) besteht ebenfalls keine Divergenz. Aus der dortigen Aussage, eigene Anteile seien wertlos, solange sie sich in der Hand der Kapitalgesellschaft befänden, weil die Werte der Kapitalgesellschaft dieser ohnehin zustünden, lässt sich nicht folgern ‑‑und das Senatsurteil enthält keine Andeutung in diese Richtung‑‑, dass eine Veräußerung von eigenen Anteilen an die Gesellschafter nicht als vGA beurteilt werden kann.
2. Soweit die Klägerin eine Entscheidung des BFH zur Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder zur Klärung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) für erforderlich hält, sind die aufgeworfenen Fragen durch die Rechtsprechung bereits geklärt bzw. in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsbedürftig.
a) Aus dem Senatsbeschluss vom 3. März 2009 I B 51/08 (BFH/NV 2009, 1280) ergibt sich, dass eine vGA auch gegeben sein kann, wenn alle eigenen Anteile proportional im Verhältnis ihrer jeweiligen Beteiligung zu den Buchwerten an die bisherigen Gesellschafter veräußert werden. Soweit die Klägerin dies im Hinblick auf das Erfordernis der Eignung zur Auslösung eines "sonstigen Bezugs" beim Gesellschafter i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG infrage stellt, weil die Gewinnbezugs- und Stimmrechte der Gesellschafter sich durch die Veräußerungen im Ergebnis nicht veränderten, übergeht sie einen wesentlichen Umstand:
Selbst wenn man ‑‑entsprechend der Forderung der Klägerin und entgegen der Auffassung des FG‑‑ im Hinblick auf die Vorteilsgeneigtheit den mit dem Erwerb der eigenen Anteile für den jeweiligen Gesellschafter verbundenen Zuwachs an Gewinnbezugs- und Stimmrechten mit der dadurch gleichzeitig eintretenden "Verwässerung" der mit den Altanteilen bislang faktisch verbundenen überproportionalen Gewinnbezugs- und Stimmrechte saldieren würde, verbliebe ein positiver Saldo zugunsten des jeweiligen Gesellschafters. Denn der Verwässerungseffekt in Bezug auf die Rechte aus den Altanteilen ist ‑‑weil er sich gleichmäßig auch auf die Anteile der anderen Gesellschafter erstreckt‑‑ geringer als der ausschließlich dem jeweiligen Erwerber der eigenen Anteile zugute kommende Zuwachs an Gewinnbezugs- und Stimmrechten. Die Beteiligungsverhältnisse sind für den einzelnen Gesellschafter am Ende nur deshalb gleich geblieben, weil auch die jeweils anderen Gesellschafter eigene Anteile erworben und sich dadurch die Rechte aus den Altanteilen jeweils noch weiter verwässert haben. Bei den aus den Erwerben der anderen Gesellschafter resultierenden "Verwässerungen" handelt es sich indes aus Sicht des einzelnen Gesellschafters um nicht unmittelbar und zwangsläufig mit dem eigenen Anteilserwerb verbundene Nachteile; sie treten vielmehr ‑‑auch wenn sie im Streitfall auf einem gemeinsamen Plan der Gesellschafter beruht haben mögen‑‑ gleichsam "zufällig" ein. Deshalb könnten sie bei der von der Klägerin geforderten Saldierung nicht berücksichtigt werden. Es bliebe mit dem Erwerb der eigenen Anteile mithin in jedem Fall ein zur Auslösung eines "sonstigen Bezugs" i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG geeigneter Vorteil des jeweiligen Gesellschafters.
b) Die von der Klägerin zur Klärung gestellte Rechtsfrage, ob die Vorteilsgeneigtheit mit der Rechtsfolge der vGA auch dann angenommen werden könne, wenn diese Rechtsfolge bei einer anderen zivilrechtlichen Gestaltung ‑‑nämlich einer Einziehung der eigenen Anteile und einer anschließenden Kapitalerhöhung‑‑ nicht eingetreten wäre, ist nicht klärungsbedürftig. Denn an der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage fehlt es u.a. dann, wenn die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 6. Mai 2004 V B 101/03, BFHE 205, 416, BStBl II 2004, 1221; vom 3. April 2008 I B 77/07, BFH/NV 2008, 1445). So liegt die Sache im Streitfall. Das Gesetz knüpft die steuerlichen Folgen grundsätzlich an den objektiv verwirklichten Sachverhalt. Es bietet keine Handhabe dafür, einen Steueranspruch als nicht gegeben anzusehen, wenn die betreffende Maßnahme mit einem vergleichbaren wirtschaftlichen Ergebnis zivilrechtlich anders hätte gestaltet werden können, ohne dass die Steuerfolge eingetreten wäre. Für die von der Klägerin unter Bezugnahme auf einen Vorschlag aus der Literatur (Rose in Kleineidamm (Hrsg.), Festschrift für Lutz Fischer, 1999, S. 373) mit Blick auf § 42 der Abgabenordnung geforderte "Umkehrung des Missbrauchs" fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage.
c) Hinsichtlich der Bemessung der vGA anhand der Differenz zwischen den Entgelten, die B und C im Rahmen des Anteilserwerbs vom Dezember 1998 an A gezahlt haben und den von A, B und C für den Erwerb der eigenen Anteile im Oktober 1999 zu zahlenden Kaufpreise macht die Klägerin einen offensichtlichen und für jedermann erkennbaren Verstoß gegen die Denkgesetze geltend, der geeignet sei, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen und deshalb eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache erfordere. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
Rechtlicher Ausgangspunkt des FG ist die Annahme, in der Veräußerung der eigenen Anteile zum Nennwert liege eine vGA in Form der verhinderten Vermögensmehrung, weil bei einer Veräußerung zum Verkehrswert der Anteile höhere Kaufpreise erzielt worden wären. Aus dieser Sicht ist es konsequent, für die Bemessung des erzielbaren Kaufpreises auf den Preis abzustellen, der bei einem Verkauf der Anteile an gesellschaftsfremde Dritte erzielt worden wäre. Soweit die Klägerin verlangt, im Rahmen des Fremdvergleichs müsse die mit der Veräußerung eintretende Verminderung des Werts der Altanteile der bisherigen Gesellschafter berücksichtigt werden, wäre das mit dem vom FG verfolgten und in sich schlüssigen Fremdvergleichskonzept nicht vereinbar. Ein Verstoß gegen die Denkgesetze ‑‑erst recht ein offenkundiger, für jedermann erkennbarer Verstoß‑‑ liegt somit nicht vor. Überdies hat das FG bei der Ermittlung des Fremdvergleichspreises zugunsten der Klägerin unterstellt, der Preis, den B und C im Dezember 1998 für die Anteile von nominal je 36.700 DM an A gezahlt haben, sei an den damit während des Ruhens der Beteiligungsrechte an den eigenen Anteilen der Klägerin faktisch verbundenen überproportionalen Beteiligungsrechten von jeweils 10 % ‑‑und nicht an der niedrigeren nominalen Beteiligungsquote von 6,85 %‑‑ orientiert gewesen.