BFH VII. Senat
AO § 228, AO § 231, EWGV 404/93 Art 18, GATTAbk , GG Art 2 Abs 1, GG Art 12 Abs 1, GG Art 14 Abs 1, GG Art 79 Abs 3, GG Art 100, EG Art 300 Abs 7
vorgehend FG Hamburg, 29. Januar 2008, Az: 4 K 225/07
Leitsätze
Teilt das HZA im AdV-Verfahren mit, von der Vollstreckung des "angefochtenen Verwaltungsakts" bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens absehen zu wollen, unterbricht dies die Zahlungsverjährung im Allgemeinen auch insoweit, als ein Teilbetrag der festgesetzten Abgabe von vornherein außer Streit war .
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hat im August 1995 Bananen aus Ecuador eingeführt und die dafür zu entrichtenden Einfuhrabgaben unter Zugrundelegung eines Zollsatzes von 75 ECU/t berechnet, der nach Maßgabe der Verordnung (EWG) Nr. 404/93 (VO Nr. 404/93) des Rates vom 13. Februar 1993 über die gemeinsame Marktorganisation für Bananen (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ‑‑ABlEG‑‑ Nr. L 47/1, damals anzuwenden in der Fassung der Änderungsverordnungen (EG) Nr. 3518/93, ABlEG Nr. L 320/15, und Nr. 3290/94, ABlEG Nr. L 349/105) im Rahmen eines Einfuhrkontingents bei Erteilung einer Einfuhrlizenz anzuwenden war, welche die Klägerin jedoch nicht besaß. Das Hauptzollamt X hat deshalb in der Ansicht, es sei der Drittlandszollsatz von 822 ECU/t anzuwenden, die Einfuhrabgaben auf rund 2.550.000 DM durch den in diesem Verfahren angefochtenen Bescheid vom September 1995 festgesetzt.
Hiergegen richtet sich die Klage, die das Finanzgericht (FG) abgewiesen hat. Es urteilte, der Bescheid finde in Art. 18 VO Nr. 404/93 seine Rechtsgrundlage. Die Vorschrift sei zwar mit dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT) nicht vereinbar. Darauf könne sich die Klägerin jedoch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) nicht berufen. Um einen ausbrechenden Rechtsakt, bei dem Art. 18 VO Nr. 404/93 nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht angewandt werden dürfe, handele es sich nicht; denn die Gemeinschaft habe in vorgenannter Vorschrift ihre sachliche Kompetenz nicht überschritten. Ein allgemeiner Prüfungsvorbehalt des BVerfG hinsichtlich der Rechtmäßigkeit von Gemeinschaftsrecht und seiner Vereinbarkeit mit den Grundrechten bestehe nicht.
Die bezüglich anderer Einfuhrpartien zuvor zugunsten der Klägerin ergangenen einstweiligen Anordnungen, durch die das Hauptzollamt X zur Abfertigung von Bananen aus Ecuador nach Maßgabe des Kontingentszollsatzes verpflichtet worden war, die jedoch vom erkennenden Senat durch Beschluss vom 22. August 1995 VII B 153/95 u.a. (BFHE 178, 15) aufgehoben worden sind, begründeten keinen Vertrauensschutzanspruch der Klägerin. Es sei auch keine Zahlungsverjährung hinsichtlich des Teilbetrags eingetreten, der ungeachtet vorgenannter Anordnung des FG geschuldet war; denn die Verjährungsfrist sei dadurch unterbrochen worden, dass der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt ‑‑HZA‑‑) der Klägerin mit Schriftsatz vom April 1998 in dem wegen Aussetzung der Vollziehung (AdV) des angefochtenen Bescheids anhängig gewesenen Verfahren IV 54/98 bekanntgegeben habe, dass vor Bestandskraft des Bescheids keine Zahlung gefordert werde.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, zu deren Begründung im Wesentlichen vorgetragen wird:
Nach Art. 300 Abs. 7 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) seien von der Gemeinschaft geschlossene Abkommen wie das GATT 1994 für die Organe der Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten verbindlich. Unabhängig von der Frage, ob das GATT 1994 subjektive Berechtigungen auslöse, sei es also integraler Bestandteil des Gemeinschaftsrechts, sodass die Gemeinschaftsgerichte es unmittelbar zur Prüfung der Rechtmäßigkeit von Gemeinschaftshandlungen auch dann heranziehen müssten, wenn das gemeinschaftliche Sekundärrecht mit dem Primärrecht der Gemeinschaft vereinbar ist.
Das bei Streitigkeiten über die Anwendung des GATT 1994 berufene Streitschlichtungsgremium (Dispute Settlement Body ‑‑DSB‑‑) der Welthandelsorganision (WTO) habe in Sachen Ecuador ./. Europäische Gemeinschaft am 25. September 1997 eine Entscheidung getroffen (vgl. Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 1997, 722), aus der sich aber auch die Unvereinbarkeit des Sekundärrechts mit dem Primärrecht ergebe, weil alle Akten des Sekundärrechts an den völkerrechtlichen Grundsatz von Treu und Glauben sowie an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden seien, welche die Gemeinschaft mit der Bananenmarktordnung verletzt habe.
Überdies habe die gemeinschaftsrechtliche Einfuhrregelung für Bananen eine Verpflichtung der Gemeinschaft umsetzen sollen, die diese im Rahmen der WTO übernommen habe. Die in der Entscheidung des DSB vom 25. September 1997 festgestellte Unvereinbarkeit der damaligen Bananenmarktordnung mit den WTO-Regeln sei jedoch durch die Nachfolgeregelungen nicht behoben worden.
Ferner sei auch der Gesichtspunkt der Gemeinschaftstreue nach Art. 10 EG zu berücksichtigen, der nicht nur im Verhältnis der Mitgliedstaaten zur Gemeinschaft, sondern auch umgekehrt gelte; wenn die Gemeinschaft im WTO-Streitbeilegungsverfahren endgültig unterliege und die Umsetzungsfrist für die dort getroffene Entscheidung abgelaufen sei, müsse der EuGH Welthandelsrecht als Maßstab des Sekundärrechts anerkennen.
Der EuGH könne nach den neuen Entscheidungen des DSB nicht an seiner Rechtsprechung festhalten, dass das WTO-Recht innerhalb der Gemeinschaft keine unmittelbare Wirkung in dem Sinne habe, dass der einzelne Marktbürger sich auf dieses berufen könne, wenn er die Rechtswidrigkeit von Gemeinschaftshandlungen geltend machen wolle. Denn es stehe fest, dass die Gemeinschaft fortwährend und nachhaltig gegen das WTO-Recht und damit gegen den völkerrechtlichen Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen habe.
Der EuGH könne auch nicht an der Auffassung festhalten, dass das Gemeinschaftsrecht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspreche.
Die früheren Vorbehalte des EuGH gegenüber dem GATT 1947 seien infolge dessen Verrechtlichung nicht mehr durchgreifend; aus ihnen lasse sich eine Ablehnung der unmittelbaren Anwendbarkeit des GATT 1994 nicht rechtfertigen. Auch die vom EuGH angeführten prozessualen Spielräume, die auch nach der Verrechtlichung weiterhin bestünden, seien kein Argument, welches gegen die unmittelbare Anwendbarkeit des GATT 1994 spreche. Vor allem aber sei dies keine Rechtfertigung für die Nichteinhaltung des Grundsatzes, dass eine völkerrechtliche Verpflichtung zur Rücknahme vertragswidriger Maßnahmen im WTO-Recht existiere, an welchen die Gemeinschaft und die vollziehenden Mitgliedstaaten gebunden seien. Daher sei die bisherige Rechtsprechung des EuGH dahin zu korrigieren, dass eine unmittelbare Wirkung von WTO-Recht für den einzelnen Marktteilnehmer auch dann anzunehmen sei, wenn die Gemeinschaft ihre Sekundärrechtsakte nicht ausdrücklich auf das WTO-Recht stütze, aber die WTO-Widrigkeit durch eine gerichtsförmige DSB-Entscheidung völkerrechtlich verbindlich festgestellt sei.
Die Revision beruft sich ferner auf die Urteile des Gerichts erster Instanz der Europäischen Union vom 21. September 2005 T-306/01 ‑‑Yusuf‑‑ (Slg. 2005, II-3533) und T-315/01 ‑‑Kadi‑‑ (Slg. 2005, II-3649, Europäische Grundrechte Zeitschrift 2005, 592), in denen das Gericht den Vorrang des UN-Rechts vor EU-Recht anerkannt habe. Gleiches müsse für Verpflichtungen der Mitgliedstaaten gegenüber der WTO gelten. Wenn ein Beschluss des Sicherheitsrats Anwendungsvorrang vor Sekundärrecht habe und eine diesbezügliche Prüfungskompetenz des Gemeinschaftsgerichts verworfen werde, müsse dies auch für ein bindendes völkerrechtliches Urteil im DSB-Verfahren gelten.
Der EuGH habe in seiner bisherigen Rechtsprechung zum WTO-Recht übersehen, dass dieses zwar auf Zwangsmittel gegenüber den Vertragsstaaten verzichte, die Verpflichtungen der in einem Streitbeilegungsverfahren unterlegenen Partei aber quasi vollstreckungsreif sind. Das WTO-Recht sei dann unmittelbar anzuwenden, wenn der Gemeinschaft im WTO-Prozess keine Handlungsalternativen mehr verblieben. Dieser Fall sei bei der Bananenmarktordnung eingetreten. Durch die Aufhebung der Bananenmarktordnung zum 31. Dezember 2005 habe die Gemeinschaft allerdings eine einvernehmliche Lösung auf zwischenstaatlicher Ebene unmöglich gemacht; sie dürfe jedoch aus als völkerrechtswidrig festgestellten Regelungen keine Rechte wie Zollforderungen herleiten.
Schließlich macht die Revision in diesem Zusammenhang geltend, die zu der Frage der Berufungsfähigkeit des WTO-Rechts vorlie-gende Rechtsprechung des EuGH habe noch nicht die hier zu entscheidende Frage behandelt, ob WTO-Recht bzw. DSB-Entschei-dungen dann unmittelbar anwendbar seien, wenn die ihnen entgegenstehenden Gemeinschaftsrechtsakte außer Kraft getreten seien. Deshalb müsse dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt werden:
"Ist Art. 300 Abs. 7 EGV so auszulegen, dass Natur und Struktur der WTO-Abkommen sowie der Grundsatz der Gegenseitigkeit auch dann einer Überprüfung von EG-Sekundärrecht entgegenstehen, wenn dieses außer Kraft getreten ist und gegen völkerrechtliche Verpflichtungen verstoßen hat, nationale Verwaltungsakte aber noch darauf gestützt und durchgesetzt werden sollen?"
Die Revision ist des Weiteren der Auffassung, dass ein ausbrechender Rechtsakt im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG vorliege, wenn der EuGH eine unmittelbare Anwendung des WTO-Rechts verneine bzw. an seiner diesbezüglichen Haltung festhalten sollte. Da der EuGH eine unmittelbare Anwendung des WTO-Rechts bejahe, wenn die Gemeinschaft dieses Recht ausdrücklich umsetzen wolle, müsse ein ausbrechender Rechtsakt dann angenommen werden, wenn sich die Gemeinschaft einer völkerrechtlichen Verpflichtung entziehe, weil sie eine solche Umsetzung gerade nicht beabsichtige. Der Begriff "ausbrechender Rechtsakt" sei nicht auf die Überschreitung der sachlichen Kompetenz eines Hoheitsträgers zu beschränken, sondern dahingehend zu erweitern, dass die bewusste und nachhaltige Nichtanerkennung zwingender Beschlüsse des DSB durch den EuGH einen solchen Rechtsakt darstelle.
Außerdem werde das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz vom EuGH durch Missachtung des Völkerrechts versagt, weil die Rechtsprechung des EuGH weder den Mitgliedstaaten noch den Marktbürgern eine Berufung auf einen GATT-Verstoß erlaube und das Recht auf effektiven Rechtsschutz generell vereitele, indem verbindliches und höherrangiges Völkerrecht nachhaltig missachtet werde. Wenn das BVerfG in seinem Beschluss vom 7. Juni 2000 2 BvL 1/97 (BVerfGE 102, 147) einen ausbrechenden Rechtsakt durch die Bananenmarktordnung verneint habe, so betreffe dies nur das Verhältnis der Grundrechte der Art. 3, 12 und 14 des Grundgesetzes zum Gemeinschaftsrecht, dem durch die vom BVerfG für erforderlich gehaltene Härtefallregelung zumindest annähernd entsprochen werden solle. Dies umfasse aber nicht den Rechtsschutz bezüglich der Weigerung des EuGH, dafür Sorge zu tragen, dass völkerrechtswidriges Gemeinschaftsrecht nicht umgesetzt werde. Da das WTO-Recht nur den Mitgliedstaaten die Möglichkeit biete, gegen Vertragsverletzungen zu klagen, könne der Individualrechtsschutz natürlicher und juristischer Personen nur von den mitgliedstaatlichen Gerichten und dem EuGH gewährt werden. Komme aber der EuGH seiner in diesem Rahmen bestehenden Pflicht nicht nach, liege ein ausbrechender Rechtsakt vor. Die Missachtung der Verbindlichkeit von Völkerrecht durch den EuGH beinhalte eine unzulässige Erweiterung der durch den EG-Vertrag begründeten Kompetenzen der Gemeinschaft. Daher sei insoweit die Prüfungskompetenz beim BVerfG verblieben.
Im Übrigen sei die Verpflichtung deutscher Gerichte, Völkerrecht anzuwenden, nach der Rechtsprechung des BVerfG anerkannt; es spreche nichts dagegen, diese Verpflichtung auch auf das WTO-Recht zu übertragen. Die Gemeinschaft dürfe die Mitgliedstaaten nicht an der Erfüllung ihrer völkerrechtlichen Verpflichtungen hindern, wie es die EuGH-Rechtsprechung bewirke.
Ferner liege ein ausbrechender Rechtsakt auch deshalb vor, weil der EuGH sonst die Anwendbarkeit völkerrechtlicher Entscheidungen bejahe und dies nur im Bereich der WTO ablehne.
Das vom EuGH verwandte Argument der Reziprozität, dass nämlich auch andere Vertragsstaaten eine unmittelbare innerstaatliche Geltung des WTO-Rechts ablehnten, rechtfertige nicht den Ausschluss von Rechtsschutzmöglichkeiten. Die Bundesrepublik Deutschland müsse als Vertragspartner der WTO die Möglichkeit der Anwendung von WTO-Recht haben und dürfe nicht durch die Rechtsprechung des EuGH zu einem Verstoß gegen ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen gezwungen werden.
Die Klägerin sieht schließlich den Grundsatz des Vertrauensschutzes deshalb verletzt, weil sie nicht nur nach dem Beschluss des erkennenden Senats vom 9. Januar 1996 VII B 225/95 (BFHE 179, 501) von der Unanwendbarkeit der VO Nr. 404/93, sondern vor allem nach dem Beitritt der Gemeinschaft zum GATT 1994 davon habe ausgehen können, dass die Gemeinschaft völkerrechtswidriges Gemeinschaftsrecht baldmöglich außer Kraft setzen werde.
Im Übrigen handele es sich im Streitfall um eine (unzulässige) Nacherhebung i.S. des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 des Zollkodex (ZK). Denn das HZA habe die Sammelzollanmeldungen, die den Hinweis auf die nach Maßgabe des Kontingentszollsatzes geschuldeten Einfuhrabgaben enthalten hätten, zunächst angenommen und dadurch eine buchmäßige Erfassung der Einfuhrabgaben vorgenommen.
Die Nacherhebung der Differenz zwischen dem Kontingentszoll und dem Regelzoll sei aber auch deshalb unzulässig, weil die Zwei-Tages-Frist des Art. 220 Abs. 1 Satz 1 ZK nicht eingehalten worden sei, was der erkennende Senat in dem Urteil vom 23. März 1999 VII R 16/98 (BFHE 188, 164, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 1999, 271) zu Unrecht als für den Zollbeteiligten nicht rechtsbegründend angesehen habe.
Zudem sei die Nacherhebung nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 ZK unzulässig. Das HZA sei bei der zunächst erfolgten Anwendung des Kontingentszollsatzes einem Irrtum nicht nur unterlegen, sondern habe ihn aktiv begangen; es habe von dem Fehlen der Einfuhrlizenzen und der daraus gesetzlich folgenden Anwendung des Drittlandszollsatzes gewusst. Die vom FG erlassenen einstweiligen Anordnungen hätten das HZA nicht gehindert, die Einfuhrabgaben nach Maßgabe des Drittlandszollsatzes von Anfang an buchmäßig zu erfassen; denn sie hätten ihm nur untersagt, Drittlandszölle zu erheben. Die Klägerin habe den Irrtum des HZA auch nicht erkennen können; die Rechtslage sei schwierig gewesen und die Klägerin habe zur Vermeidung eines Irrtums nicht mehr Anstrengungen unternehmen müssen als das FG, das immerhin erhebliche Zweifel an der Anwendbarkeit des Drittlandszollsatzes gehabt habe. Das Gleiche gelte im Hinblick darauf, dass die Klägerin den rechtlichen Unterschied zwischen der buchmäßigen Erfassung des Drittlandszollsatzes und der dem HZA verbotenen Mitteilung desselben nicht erkannt habe.
Im Übrigen sei der von Anfang an nicht streitige, nach Maßgabe des Kontingentszollsatzes berechnete Teilbetrag der in dem angefochtenen Bescheid festgesetzten Abgabeschuld von rund 315.000 DM zahlungsverjährt. Die Fünf-Jahres-Frist seit Erlass jenes Bescheids sei verstrichen, ohne dass das HZA verjährungsunterbrechende Maßnahmen ergriffen habe. Anders als das FG meine, habe das HZA nicht dadurch Vollstreckungsaufschub gewährt, dass es in dem Schriftsatz vom April 1998 erklärt habe, von der Vollstreckung des "angefochtenen Bescheids" bis zum Verfahrensabschluss absehen zu wollen. Denn im Hinblick auf vorgenannten Teilbetrag habe die Klägerin diesen Bescheid gerade nicht angefochten.
Das HZA nimmt zur Begründung auf das Urteil des FG Bezug und weist darauf hin, dass durch die Annahme der von der Klägerin abgegebenen Sammelzollanmeldungen eine buchmäßige Erfassung der Einfuhrabgaben nicht stattgefunden habe und auch nicht hätte durchgeführt werden können, weil in diesen Anmeldungen keine Angaben zu den Bemessungsgrundlagen enthalten seien. Eine buchmäßige Erfassung sei also gemäß Art. 218 Abs. 1 Unterabs. 2 ZK erstmals aufgrund der ergänzenden Anmeldungen der Klägerin mit dem angefochtenen Bescheid erfolgt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das Urteil des FG entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Einfuhrabgaben sind zu Recht nach Maßgabe des regulären Drittlandszollsatzes erhoben worden.
A. Die Klägerin kann sich auf die gemeinschaftsrechtlichen Regelungen, die ihr eine zollbegünstigte Einfuhr der streitigen Waren aufgrund einer entsprechenden Einfuhrlizenz ermöglicht hätten, nicht berufen. Das ist zwischen den Beteiligten nicht strittig und bedarf keiner weiteren Ausführung. Auf ihre Einfuhren ist daher der für Bananen geltende Drittlandszollsatz anzuwenden; denn anders als die Revision meint, sind die diesbezüglichen Regelungen der VO Nr. 404/93 weder nichtig noch wegen eines Anwendungsvorrangs des GATT unanwendbar, selbst wenn sie mit diesem unvereinbar sein mögen, noch steht ihrer Anwendung deutsches Verfassungsrecht entgegen. Das ergibt sich aus den eingehenden Gründen Teil A des zwischen den Beteiligten ergangenen Urteils VII R 8/08 (BFHE 229, 442) vom heutigen Tag, auf das Bezug genommen wird.
B. Das Urteil des FG verletzt auch nicht deshalb Bundesrecht, weil das FG die Voraussetzungen für eine Nacherhebung von Zoll durch den angefochtenen Bescheid nicht geprüft hat; es ist insofern zumindest im Ergebnis richtig (§ 126 Abs. 4 FGO).
Es bedarf keiner Erörterung, ob im Streitfall überhaupt von einer "Nacherhebung" gesprochen werden kann, deren Rechtmäßigkeit an den Art. 220, 221 ZK zu messen ist. Es kann dahinstehen, ob diese Vorschriften einschlägig sind, weil das HZA die geschuldeten Einfuhrabgaben nicht sogleich gemäß Art. 220 Abs. 1 ZK buchmäßig erfasst hat, sondern erst, nachdem es die von der Klägerin abgegebenen und mit einem Hinweis auf die deren Meinung nach geschuldeten Abgaben versehenen Sammelzollanmeldungen angenommen hatte (dazu Art. 221 Abs. 2 ZK), die tatsächlich geschuldeten Abgaben gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1, § 155 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) festgesetzt hat. Denn eine Nacherhebung wäre jedenfalls zu Recht erfolgt. Auch insofern bedarf keiner Wiederholung, was der Senat in vorgenanntem Urteil VII R 8/08 (BFHE 229, 442) Teil B zu einem entsprechenden Sachverhalt erkannt hat.
C. Das FG hat auch zu Recht erkannt, dass die Einfuhrabgabenschuld der Klägerin nicht teilweise, nämlich in Höhe des anfangs nicht streitigen Betrags von rund 315.000 DM, der sich bei Anwendung des Kontingentszollsatzes ergibt, infolge Zahlungsverjährung gemäß § 232 AO erloschen ist. Denn die insofern Ende 1995 in Lauf gesetzte Frist des § 228 AO ist durch das Schreiben des HZA vom April 1998 in dem Verfahren wegen AdV des angefochtenen Bescheids gemäß § 231 Abs. 1 AO unterbrochen worden, weil sich aus diesem Schreiben für die Klägerin erkennbar ergab und ihr gegenüber mit diesem Schreiben auch klargestellt werden sollte, dass das HZA die Vollstreckung seines Steuerbescheids vom September 1995, der den vorgenannten Betrag umfasst, nur aufschieben wollte, bis über die gegen jenen Bescheid anhängige Klage rechtskräftig entschieden ist.
Verjährungsunterbrechende Wirkung misst § 231 Abs. 1 Satz 1 AO u.a. bestimmten Willenserklärungen der Finanzbehörde bei, aus denen sich deren Absicht klar ergibt, die Steuerforderung durchzusetzen. Dazu gehört die schriftliche Geltendmachung des Anspruchs, aber auch die Gewährung von Vollstreckungsaufschub, wofür eine einseitige Erklärung des HZA genügen kann, von Maßnahmen zur Durchsetzung seines Anspruchs einstweilen absehen zu wollen (Beschluss des erkennenden Senats vom 10. November 2003 VII B 342/02, BFH/NV 2004, 315).
Nach der Rechtsprechung des Senats unterbricht eine Maßnahme allerdings nur dann die Zahlungsverjährung, wenn sie "nach außen wirkt"; denn bei rein innerdienstlichen Maßnahmen der Behörde ist für den Betroffenen nicht mit der erforderlichen Klarheit feststellbar, ob der Zahlungsanspruch durch Verjährung erloschen ist oder ob er wegen Unterbrechung der Verjährung weiterhin zur Leistung verpflichtet ist (vgl. statt aller Urteil vom 28. November 2006 VII R 3/06, BFHE 216, 4, BStBl II 2009, 575). An einer solchen Außenwirkung fehlt es indes bei einem Schriftsatz, der gerade auch den Zahlungspflichtigen darüber unterrichten soll, ob die Behörde an ihrer Forderung festhalten will und wie sie das weitere diesbezügliche Verwaltungsverfahren führen will, nicht etwa deshalb, weil diese Mitteilung dem Zahlungspflichtigen nicht unmittelbar, sondern durch Vermittlung des Gerichts übersandt wird und an dieses adressiert ist. Denn ein solcher Schriftsatz in einem gerichtlichen Verfahren richtet sich ‑‑auch‑‑ an den Gegner und pflegt ihm, nicht anders, als wenn er ihm direkt übersandt würde, zur Kenntnis zu gelangen.
Der diesbezügliche Schriftsatz des HZA musste von der Klägerin auch dahin verstanden werden, dass das HZA die Vollstreckung des gesamten, durch den dort bezeichneten Bescheid festgesetzten Abgabenbetrags einstweilen unterlassen, aber nicht endgültig aufgeben wolle. Dass mit dem "angefochtenen Bescheid" der Steuerbescheid nur insoweit gemeint sei, wie die Klägerin gegen diesen damals rechtliche Einwendungen erhoben hatte, legt schon das Sprachverständnis nicht nahe. Denn die Klägerin hatte mit ihrer Klageschrift den Bescheid vom September 1995 ‑‑uneingeschränkt‑‑ angefochten. Ihr ist im Übrigen offenbar die Entscheidung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 17. Juli 1967 GrS 1/66 (BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344) nicht geläufig, dass Streitgegenstand im steuergerichtlichen Verfahren nicht einzelne Besteuerungsmerkmale (hier also der Zollsatz), sondern die Rechtmäßigkeit des die Steuer festsetzenden Steuerbescheids insgesamt ist, weshalb dieser grundsätzlich ungeachtet des rechtlichen Vorbringens der Klägerin vom Gericht in vollem Umfang zu überprüfen ist, was im Allgemeinen dafür sprechen wird, von einer teilweisen Vollziehung desselben vor Bestandskraft abzusehen.
Vor allem aber musste sich der Klägerin aufdrängen, dass das HZA keinen Anlass hat, nicht auf der Begleichung eines (damals angeblich sogar unstreitigen) Teilbetrags der Abgabenschuld zu bestehen, und die Klägerin konnte auch schwerlich ernstlich vermuten, dass das HZA diesen Teilbetrag "vergessen" habe, wie sie jetzt offenbar Glauben machen will.
Das FG hat schließlich auch richtig geurteilt, dass die Gewährung von Vollstreckungsaufschub auch dann die Zahlungsverjährung unterbricht, wenn sie nicht ausdrücklich erfolgt, sondern sich nur aus den Erklärungen der Behörde deren Absicht hinreichend klar ergibt, auf der Begleichung der Abgabenschuld letztlich zu bestehen. Dies aber ergibt sich, wie ausgeführt, aus dem vorgenannten Schriftsatz des HZA im Aussetzungsverfahren.