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Urteil vom 23. Februar 2010, II R 42/08

Mitunternehmerinitiative bei Übertragung eines Kommanditanteils auf einen anderen Kommanditisten unter Vorbehalt eines Nießbrauchs sowie der Stimm- und Verwaltungsrechte? - Grundsatz der unteilbaren Mitgliedschaft eines Personengesellschafters

BFH II. Senat

ErbStG § 13a Abs 1, ErbStG § 13a Abs 2, ErbStG § 13a Abs 4 Nr 1, EStG § 15 Abs 1 S 1 Nr 2, EStG § 15 Abs 3

vorgehend FG Münster, 18. Juni 2008, Az: 3 K 1086/06 Erb

Leitsätze

1. Der schenkweise Erwerb eines Kommanditanteils unterfällt nur dann dem § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG vor 2009 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG, wenn die Mitunternehmerstellung durch den erworbenen Gesellschaftsanteil vermittelt wird .

2. Es reichte daher nicht aus, wenn dem Erwerber hinsichtlich des erworbenen Kommanditanteils nur deshalb Mitunternehmerinitiative zukäme, weil er bereits Kommanditist der KG war, - d.h. wenn sich seine bisherige Mitunternehmereigenschaft wegen Unteilbarkeit der Mitgliedschaft auf den hinzuerworbenen Anteil erstrecken sollte .

Tatbestand

I.

  1. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) sowie ihre Mutter (M) waren zwei von sechs Kommanditisten der X-GmbH & Co. KG (KG), die sich mit der Verwaltung von Grundbesitz und der Errichtung von Wohngebäuden befasste. Die Beteiligung der M belief sich auf 11,25 % und die der Klägerin auf 42,40 %. Die KG hatte zwei nicht am Gesellschaftsvermögen beteiligte persönlich haftende Gesellschafter, nämlich eine natürliche Person sowie die Grundstücksgesellschaft Y-mbH (GmbH). Nur die GmbH war zur Vertretung der KG und zur Führung ihrer Geschäfte berufen. Neben den festen Kapitalkonten und einem gesamthänderisch gebundenen offenen Rücklagenkonto wurden für die Kommanditisten Darlehenskonten geführt. Die GmbH war als Geschäftsführerin berechtigt, bis zu 25 % des Jahresüberschusses dem Rücklagenkonto zuzuführen. Der restliche Gewinn wurde nach weiteren Abzügen entsprechend den festen Kapitalanteilen verteilt. Für Geschäfte, die über den gewöhnlichen Betrieb hinausgehen, benötigte die GmbH einen zustimmenden Gesellschafterbeschluss. In der Gesellschafterversammlung gewährte jeweils 1 € eines festen Kapitalkontos eine Stimme. Gesellschafterbeschlüsse konnten mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden. In bestimmten Angelegenheiten war eine Mehrheit von 75 % sämtlicher Stimmen erforderlich.

  2. Gesellschafter der GmbH waren die sechs Kommanditisten der KG mit Geschäftsanteilen in unterschiedlicher Höhe. Mit einer Ausnahme (Vorzugsstimmrecht) vermittelten je 100 DM eines Geschäftsanteils in der Gesellschafterversammlung eine Stimme. Gesellschafterbeschlüsse kamen mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen zustande. Änderungen des Gesellschaftsvertrages bedurften einer Mehrheit von 75 % sämtlicher Stimmen.

  3. Mit notariell beurkundetem Schenkungsvertrag vom 4. Dezember 2002 übertrug M ihren Kommanditanteil an der KG einschließlich ihres Anteils an den offenen Rücklagen und zuzüglich der Forderung aus ihrem Darlehenskonto sowie ihren Geschäftsanteil an der GmbH auf die Klägerin. Dabei behielt sie sich einen lebenslänglichen Nießbrauch an den übertragenen Beteiligungen vor. Der M sollten die Ergebnisanteile aus der übertragenen Kommanditbeteiligung nebst den Zinsen auf die Darlehensforderung sowie die anteiligen Gewinnausschüttungen der GmbH zugerechnet werden. Außerdem sollten der M die mit der übertragenen Beteiligung an der KG verbundenen "Stimm- und sonstigen Verwaltungsrechte" zustehen. Im Falle einer Veräußerung der Beteiligungen sollte sich der Nießbrauch am "Netto-Veräußerungserlös" und ggf. an dessen Wiederanlage fortsetzen.

  4. M erklärte, dass der Freibetrag gemäß § 13a Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der 2002 geltenden Fassung (ErbStG) in voller Höhe von 256.000 € in Anspruch genommen werde. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) versagte jedoch die Steuervergünstigungen des § 13a ErbStG und setzte durch Bescheid vom 25. März 2004 bei einem Erwerb von 666.612 € und einer Vorschenkung aus dem Jahr 2000 in Höhe von 72.603 € unter dem Vorbehalt der Nachprüfung Schenkungsteuer von 87.900 € fest. Davon stundete er wegen der Nießbrauchsbelastung einen Teilbetrag von 23.220 €, so dass zunächst nur 64.680 € zu zahlen waren. Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin auf den Steuervergünstigungen des § 13a ErbStG bestand, blieben erfolglos.

  5. Das Finanzgericht (FG) war mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1733 veröffentlichten Urteil der Ansicht, die Klägerin sei wegen der Ausgestaltung des vorbehaltenen Nießbrauchs nicht Mitunternehmerin geworden. Zwar habe sie ein Mitunternehmerrisiko getragen ‑‑ihr stehe ein etwaiger Veräußerungserlös zu; auch liege das Risiko eines Untergangs der Beteiligung bei ihr‑‑; sie könne jedoch wegen der M vorbehaltenen Stimm- und Verwaltungsrechte keine Mitunternehmerinitiative entfalten. Dem stehe die Einheitlichkeit ihrer durch den Hinzuerwerb vergrößerten Kommanditbeteiligung nicht entgegen. Ein Gesellschafter könne schuldrechtlich gehindert sein, "über Teile seines Anteils frei zu verfügen". Im Übrigen sei Erwerbsgegenstand eine Kommanditbeteiligung ohne die sonst damit verbundene Möglichkeit, Mitunternehmerinitiative zu entfalten.

  6. Mit der Revision rügt die Klägerin die fehlerhafte Anwendung des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG. Ihr komme auch Mitunternehmerinitiative zu. Wegen der Einheitlichkeit des vergrößerten Kommanditanteils in ihrer, der Klägerin, Hand könne M die dem Nießbraucher sonst zustehenden Stimmrechte nicht ausüben. Vielmehr könnten die Mitgliedschaftsrechte aus dem einheitlichen Gesellschaftsanteil nur einheitlich ausgeübt werden. Daher sei der Vorbehalt der Stimm- und Verwaltungsrechte bezüglich des hinzuerworbenen Anteils durch M unwirksam oder zumindest undurchführbar. Sie, die Klägerin, sei allerdings verpflichtet, bei Wahrnehmung ihrer Gesellschafterrechte die Interessen der M als Nießbraucherin zu berücksichtigen. Unabhängig davon müsse ohnehin in allen Fällen eines dinglichen Nießbrauchs an einem Gesellschaftsanteil dem Gesellschafter ein Kernbereich von Mitwirkungsrechten zur eigenen Ausübung verbleiben. Deshalb sei ein Vorbehalt der Stimm- und Verwaltungsrechte dahin auszulegen, dass das Stimmrecht dem Nießbraucher nur in laufenden Angelegenheiten der Gesellschaft zustehen solle.

  7. Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Schenkungsteuerbescheid vom 25. März 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Februar 2006 dergestalt zu ändern, dass die Steuervergünstigungen des § 13a ErbStG gewährt werden.

  8. Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat es zu Recht abgelehnt, der Klägerin die Steuervergünstigungen des § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG zu gewähren.

  2. 1. Gemäß § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG kommen die Vergünstigungen der Abs. 1 und 2 der Vorschrift in Betracht für inländisches Betriebsvermögen beim Erwerb u.a. eines Anteils an einer Gesellschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Dabei sind die genannten Steuervergünstigungen nur zu gewähren, wenn das von Todes wegen oder durch Schenkung unter Lebenden erworbene Vermögen durchgehend  sowohl beim bisherigen als auch beim neuen Rechtsträger den Tatbestand des Abs. 4 Nr. 1 der Vorschrift erfüllt (Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 10. Dezember 2008 II R 34/07, BFHE 224, 144, BStBl II 2009, 312, sowie vom 14. Februar 2007 II R 69/05, BFHE 215, 533, BStBl II 2007, 443).

  3. a) Dass das Vermögen auch beim Erwerber den Anforderungen des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG genügen muss, ergibt sich nicht nur aus dem Begünstigungszweck der Norm in Verbindung mit den Nachversteuerungstatbeständen des Abs. 5 der Vorschrift, sondern auch aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Die Bevorzugung des Betriebsvermögens gegenüber anderen Vermögensarten bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer bedarf nämlich im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG einer Rechtfertigung, wie sie der Gesetzgeber dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 22. Juni 1995  2 BvR 552/91 (BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995, 671, unter C.I.2.b bb) entnommen hat. Das BVerfG hat aber die Milderung des Steuerzugriffs bei Betriebsvermögen ausdrücklich auf solche Erwerber beschränkt, die den Betrieb "weiterführen", "aufrechterhalten" und "fortführen". Diese Wortwahl zeigt, dass das BVerfG einen Erwerber im Blick hatte, bei dem das erworbene Vermögen Betriebsvermögen geblieben ist. Beim Erwerb eines Mitunternehmeranteils bedeutet "fortführen", dass auch der Erwerber Mitunternehmer geworden sein muss (so BFH-Urteil in BFHE 224, 144, BStBl II 2009, 312, unter II.2.b).

  4. b) Ist der Erwerber eines Anteils an einer Personengesellschaft bereits vor dem Erwerb Gesellschafter der Gesellschaft gewesen, geht der erworbene Anteil nach herkömmlicher Meinung in einer einheitlichen Mitgliedschaft mit der bisherigen Beteiligung des Erwerbers auf (vgl. dazu Koller in Koller/Roth/ Morck, Handelsgesetzbuch, Kommentar, 6. Aufl. 2007, § 124 Rz 2, m.w.N.). Daraus wird abgeleitet, dass der Erwerber zwangsläufig Mitunternehmer auch bezüglich des in der einheitlichen Beteiligung aufgegangenen Hinzuerwerbs wird (so Jülicher in Deutsches Steuerrecht ‑‑DStR‑‑ 1998, 1977, 1978).

  5. Ob an dem Grundsatz der unteilbaren Mitgliedschaft eines Personengesellschafters auch dann noch festgehalten werden kann, wenn sich der Schenker einen Nießbrauch an dem zugewendeten Gesellschaftsanteil vorbehalten hat, ist jedoch fraglich. Zur Wahrung der Rechte des Nießbrauchers ist die Meinung im Vordringen, dass beim Erwerb eines nießbrauchsbelasteten Gesellschaftsanteils eine mehrfache Beteiligung des erwerbenden Gesellschafters zugelassen werden müsse (so Ulmer in Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Bd. 167, S. 103, 114; Kanzleiter in Freundesgabe für Willi Weichler, 1997, S. 50; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 45 I.2.b bb). Für den Erbenerwerb eines der Testamentsvollstreckung unterliegenden Gesellschaftsanteils durch einen zuvor schon an der Personengesellschaft Beteiligten hat bereits der Bundesgerichtshof ausgesprochen, die Testamentsvollstreckung verhindere die uneingeschränkte Vereinigung der bisher schon gehaltenen und der hinzuerworbenen Anteile (Beschluss vom 10. Januar 1996 IV ZB 21/94, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge 1996, 110, unter II.2.b).

  6. c) Für die Anwendung des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG kann letztlich offen bleiben, ob auch beim Erwerb eines Gesellschaftsanteils unter Nießbrauchsvorbehalt von der Unteilbarkeit der Mitgliedschaft abzurücken ist; der Vorschrift ist nämlich nur Genüge getan, wenn die Mitunternehmerstellung durch den erworbenen Gesellschaftsanteil vermittelt worden ist. Nur dann kann angenommen werden, der erworbene Gesellschaftsanteil habe im Sinne eines "Weiter- oder Fortführen des Betriebes"   durchgehend  den Tatbestand des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG erfüllt. Es reichte daher nicht aus, wenn dem Erwerber hinsichtlich des erworbenen Gesellschaftsanteils nur deshalb eine Mitunternehmerstellung zukäme, weil er bereits Gesellschafter der Personengesellschaft war, - d.h. wenn sich seine bisherige Mitunternehmereigenschaft aufgrund der angenommenen Unteilbarkeit der Mitgliedschaft auf den hinzuerworbenen Anteil erstrecken sollte. Dem BVerfG ging es nicht um die Sozialgebundenheit des (Betriebs-)Vermögens, das sich schon vor dem Erwerb des Betriebs bzw. hier des Gesellschaftsanteils in der Hand des Erwerbers befand (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 215, 533, BStBl II 2007, 443, unter II.2.b), sondern um die Sozialgebundenheit des übertragenen Vermögens. Hat der Gesellschaftsanteil beim Übergang vom Schenker auf den Beschenkten seine Fähigkeit verloren, kraft eigener Beschaffenheit dem neuen Inhaber eine Mitunternehmerstellung zu vermitteln, fehlt es an einem durchgehend vorhandenen Gesellschaftsanteil i.S. des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG.

  7. 2. Im Streitfall ist der für M bestellte Vorbehaltsnießbrauch so ausgestaltet, dass die Mitunternehmerstellung bezüglich des übertragenen Kommanditanteils bei M verblieben und insoweit nicht auf die Klägerin übergegangen ist. Damit fehlt es an einem durchgehend vorhandenen Gesellschaftsanteil, der als solcher eine Mitunternehmerinitiative vermittelt.

  8. Ein nach den Vorgaben des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ausgestalteter Nießbrauch lässt die Mitunternehmerinitiative des Nießbrauchsbestellers nicht entfallen (so BFH-Urteil vom 1. März 1994 VIII R 35/92, BFHE 175, 231, BStBl II 1995, 241, 245). Im Streitfall haben aber die Vertragspartner über die Vorgaben des BGB hinaus bestimmt, dass die mit der übertragenen Beteiligung an der KG verbundenen "Stimm- und Verwaltungsrechte" der M als Nießbraucherin zustehen sollen. Damit hat M sich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht nur die Ausübung der nach ihrem anteiligen Festkapital zu ermittelnden Stimmrechte in laufenden Angelegenheiten vorbehalten ‑‑solche Rechte stehen einem Kommanditisten ohnehin nur begrenzt zu‑‑, sondern auch im Bereich der Grundlagengeschäfte (vgl. zur Stimmrechtsproblematik: Karsten Schmidt in Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2. Aufl., Bd. 3, 2007, vor § 230 Rdnr. 21). Verfahren die Gesellschafter danach, ist dies ungeachtet der Gesellschaftsrechtslage zumindest gemäß § 41 Abs. 1 der Abgabenordnung steuerrechtlich beachtlich, zumal die Klägerin aufgrund ihrer schon zuvor gehaltenen Kommanditbeteiligung an den Grundlagengeschäften mitwirken kann und muss. Sie ist durch den Stimmrechtsvorbehalt zugunsten der M nicht von der Mitwirkung an den Grundlagengeschäften ausgeschlossen. Die anderen vier stimmberechtigten Kommanditisten der KG haben dazu im Rahmen der erforderlichen Zustimmung zur schenkweisen Anteilsübertragung ihr Einverständnis erklärt.

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