BFH IV. Senat
EStG § 4 Abs 1, EStG § 7 Abs 4, BGB § 951, BGB § 812, GG Art 3 Abs 1, AO § 39 Abs 2 Nr 1
vorgehend FG Köln, 10. Mai 2005, Az: 4 K 6414/02
Leitsätze
1. Die vom Steuerpflichtigen getragenen Herstellungskosten eines fremden Gebäudes, das er zu betrieblichen Zwecken nutzen darf, sind bilanztechnisch "wie ein materielles Wirtschaftsgut" zu behandeln und nach den für Gebäude geltenden AfA-Regeln abzuschreiben .
2. Für die Behandlung von Herstellungskosten eines fremden Gebäudes "wie ein materielles Wirtschaftsgut" ist ohne Bedeutung, ob
a) die Nutzungsbefugnis des Steuerpflichtigen auf einem unentgeltlichen oder auf einem entgeltlichen Rechtsverhältnis beruht ,
b) dem Steuerpflichtigen zivilrechtliche Ersatzansprüche gegen den Eigentümer des Grundstücks zustehen oder ob er von vornherein auf solche Ansprüche verzichtet , und
c) die Übernahme der Herstellungskosten durch den Steuerpflichtigen eine unentgeltliche Zuwendung an den Eigentümer des Grundstücks oder Entgelt für die Nutzungsüberlassung des Grundstücks ist .
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GbR; ihr Unternehmensgegenstand ist der Erwerb, das Halten und Verwalten von Grundbesitz, Anlagegütern, Beteiligungen und immateriellen Werten sowie die Unternehmensverpachtung. Gesellschafter der Klägerin sind L und seine Kinder D und B. Die Klägerin hat ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1. Mai bis 30. April.
Mit Vertrag vom 15. Juli 1983 verpachtete C, die Ehefrau und Mutter der Gesellschafter der Klägerin, ein ihr gehörendes Grundstück vom 1. Mai 1983 bis zum 30. April 1998 an die Klägerin. Darin war vereinbart, dass die Klägerin das Recht hatte, den Grund und Boden nach ihrem Belieben zu bebauen. Weiter hatte sie das Optionsrecht, das Pachtverhältnis bis zum 30. April 2008 zu verlängern. Machte die Klägerin von ihrem Optionsrecht Gebrauch, so hatte die C keine Entschädigung für die in ihr Eigentum gefallenen Aufbauten zu leisten. Anderenfalls hatte sie zum Ausgleich aller beidseitigen Ansprüche eine Entschädigung in Höhe von 40 % des Buchwerts, höchstens aber des Einheitswerts der Aufbauten zum 30. April 1998 zu bezahlen.
In den Jahren 1983 bis 1985 errichtete die Klägerin auf dem gepachteten Grundstück ein Versandhaus (Altgebäude), das sie an die X-GmbH & Co. KG (KG) im Rahmen einer Betriebsaufspaltung verpachtete. Die Klägerin bilanzierte das Altgebäude seit seiner Fertigstellung und nahm auf die Herstellungskosten Absetzungen für Abnutzung (AfA) vor.
Mit Vertrag vom 16. Dezember 1994 übertrug C das Eigentum an dem Grundstück unter Vorbehalt des lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauchs im Wege vorweggenommener Erbfolge auf B und D.
Am 4. August 1996 übte die Klägerin ihre Option zur Verlängerung des Pachtverhältnisses aus. Darüber hinaus erhielt sie das Recht, den Pachtvertrag bis zum 30. April 2021 zu verlängern.
Im Wirtschaftsjahr 1997/98 stellte die Klägerin auf dem gepachteten Grundstück einen Anbau fertig. In der Bilanz zum 30. April 1998 bildete sie hierfür einen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten in Höhe von 4.198.450 DM, den sie unter Zugrundelegung einer Dauer des Pachtverhältnisses bis zum 30. April 2021 zeitanteilig in Höhe von 91.270,08 DM auflöste. Bei einer Außenprüfung gelangte das Finanzamt für Großbetriebsprüfung G zu der Auffassung, die Aufwendungen für den Anbau seien nachträgliche Herstellungskosten des Altgebäudes. Diese Aufwendungen erhöhte es um 90.323 DM auf 4.288.773 DM; dieser Betrag ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) schloss sich der Auffassung der Betriebsprüfung an und änderte den Gewinnfeststellungsbescheid für das Streitjahr 1998 entsprechend.
Mit ihrem hiergegen gerichteten Einspruch machte die Klägerin geltend, sie habe auch die Herstellungskosten des Altgebäudes bislang zu Unrecht in ihrer Bilanz aktiviert, da sie nicht wirtschaftliche Eigentümerin dieses Gebäudes sei. Für diese Aufwendungen sei beginnend mit dem 1. Mai 1994 ein aktiver Rechnungsabgrenzungsposten in Höhe von 7.178.575 DM zu bilden, der auf die Restlaufzeit des Pachtvertrags bis zum 30. April 2008 zu verteilen und im Wirtschaftsjahr 1997/98 somit in Höhe von 512.755 DM aufzulösen sei. Unter Berücksichtigung der vom FA bereits gewährten AfA und der anteiligen Auflösung des aktiven Rechnungsabgrenzungspostens für den Anbau in Höhe von 93.234,20 DM sei der Gewinn deshalb um insgesamt 359.487 DM zu mindern. Das FA wies den Einspruch zurück.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 570 veröffentlichten Gründen ab.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung und der §§ 240, 242 des Handelsgesetzbuchs.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb für das Streitjahr 1998 dahin zu ändern, dass der Gewinn der Klägerin um 359.863 DM niedriger festgestellt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
Nach im Ergebnis zutreffender Entscheidung des FG kann die Klägerin die von ihr getragenen Herstellungskosten des Altgebäudes und des Anbaus nur nach den für Gebäude geltenden AfA-Regeln abschreiben.
Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Klägerin ‑‑wie vom FG angenommen‑‑ wirtschaftliche Eigentümerin der Aufbauten ist oder nicht. Die Klägerin kann die Herstellungskosten selbst dann nur nach den für Gebäude geltenden AfA-Regeln abschreiben, wenn sie nicht wirtschaftliche Eigentümerin ist. Die Frage des wirtschaftlichen Eigentums wird erst bei Beendigung der Nutzung des Gebäudes durch die Klägerin oder der Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums daran auf sie, die Klägerin, entscheidungserheblich (vgl. hierzu Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 5. Juni 2008 IV R 79/05, BFHE 222, 20, BStBl II 2009, 15, unter II.3.b cc, und vom 14. Mai 2002 VIII R 30/98, BFHE 199, 181, BStBl II 2002, 741, sowie Schuster, Deutsche Steuer-Zeitung 2003, 369).
a) Die Berechtigung zur Vornahme von AfA setzt nicht voraus, dass der Steuerpflichtige Eigentümer des Wirtschaftsguts ist, für das er Aufwendungen getätigt hat. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob er Aufwendungen im betrieblichen Interesse trägt. Das allen Einkunftsarten zugrundeliegende Nettoprinzip, demzufolge die erwerbssichernden Aufwendungen von den steuerpflichtigen Einnahmen abgezogen werden (vgl. § 2 Abs. 2 i.V.m. §§ 4 ff. und 9 des Einkommensteuergesetzes ‑‑EStG‑‑), gebietet grundsätzlich den Abzug der vom Steuerpflichtigen zur Einkunftserzielung getätigten Aufwendungen auch dann, wenn und soweit diese Aufwendungen auf in fremdem Eigentum stehende Wirtschaftsgüter erbracht werden (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 30. Januar 1995 GrS 4/92, BFHE 176, 267, BStBl II 1995, 281, unter C.III.). In diesen Fällen wird der Aufwand bilanztechnisch "wie ein materielles Wirtschaftsgut" behandelt. Das bedeutet, dass die Herstellungskosten für ein fremdes Gebäude als Posten für die Verteilung eigenen Aufwands zu aktivieren und nach den für Gebäude geltenden AfA-Regeln abzuschreiben sind (Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 23. August 1999 GrS 1/97, BFHE 189, 151, BStBl II 1999, 778, unter C.I.2.b, und vom 23. August 1999 GrS 5/97, BFHE 189, 174, BStBl II 1999, 774, unter C.3., und in BFHE 176, 267, BStBl II 1995, 281, unter C.V.).
b) Für die Behandlung von Herstellungskosten eines fremden Gebäudes "wie ein materielles Wirtschaftsgut" ist ohne Bedeutung, ob die Nutzungsbefugnis des Steuerpflichtigen auf einem unentgeltlichen oder ‑‑wie im Streitfall‑‑ auf einem entgeltlichen Rechtsverhältnis beruht (BFH-Urteil vom 30. Juli 1997 I R 65/96, BFHE 184, 297, BStBl II 1998, 402, unter II.3.a; BFH-Beschluss vom 27. Mai 2008 X B 217/07, juris, unter 2.b bb). Für den Abzug von Herstellungskosten durch AfA als Betriebsausgaben ist allein entscheidend, dass der Steuerpflichtige die Aufwendungen im eigenen betrieblichen Interesse selbst trägt und er das Wirtschaftsgut für betriebliche Zwecke nutzen darf.
c) Aus dem gleichen Grund kommt es auch nicht darauf an, ob dem Steuerpflichtigen ein Anspruch nach § 951 i.V.m. § 812 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) oder andere zivilrechtliche Ersatzansprüche gegen den Eigentümer des Grundstücks zustehen oder ob er von vornherein auf solche Ansprüche verzichtet (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juni 2003 X R 72/98, BFHE 202, 514, BStBl II 2004, 403, unter 2.b ee der Gründe, sowie bereits BFH-Urteil vom 15. Mai 1996 X R 99/92, BFH/NV 1996, 891, unter II.2.b bb). Ebenso ist unerheblich, ob die Übernahme der Herstellungskosten durch den Steuerpflichtigen eine unentgeltliche Zuwendung an den Eigentümer des Grundstücks oder Entgelt für die Nutzungsüberlassung des Grundstücks ist.
aa) Die Rechtsprechung des BFH, nach welcher die Aktivierung von Aufwendungen wie Herstellungskosten für ein materielles Wirtschaftsgut einen Anspruch des Steuerpflichtigen nach § 951 i.V.m. § 812 BGB voraussetzt, weil der Steuerpflichtige die Aufwendungen sonst dem rechtlichen Eigentümer zuwendet und damit gemäß § 12 Nr. 2 EStG seine Berechtigung, die Aufwendungen abzuziehen, verliert (z.B. BFH-Urteile vom 22. April 1998 X R 101/95, BFH/NV 1998, 1481, m.w.N.; vom 11. Juni 1997 XI R 77/96, BFHE 183, 455, BStBl II 1997, 774; vom 10. April 1997 IV R 12/96, BFHE 183, 134, BStBl II 1997, 718; vom 11. August 1993 X R 82/90, BFH/NV 1994, 169, m.w.N., und vom 11. Dezember 1987 III R 188/81, BFHE 152, 125, BStBl II 1988, 493, m.w.N.), ist durch den Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 189, 151, BStBl II 1999, 778 überholt. Danach trägt der Steuerpflichtige die Herstellungskosten für ein fremdes Gebäude bereits dann im eigenen betrieblichen Interesse, wenn er das Gebäude alleine betrieblich nutzt (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 189, 151, BStBl II 1999, 778, unter C.I.4.). Der Große Senat des BFH sah es ‑‑wie in seinem Beschluss in BFHE 176, 267, BStBl II 1995, 281‑‑ nicht als entscheidungserheblich an, ob der Steuerpflichtige einen zivilrechtlichen Ersatzanspruch gegen den Eigentümer des Grundstücks hat oder dem Eigentümer die Herstellungskosten unentgeltlich zuwendet.
Im Übrigen kann es darauf nicht ankommen (so auch Drenseck, Deutsches Steuerrecht 1995, 509, 512). Das objektive Nettoprinzip fordert die weitere steuermindernde Berücksichtigung von noch nicht verbrauchtem eigenem Aufwand auch dann, wenn der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut, auf welches er Aufwendungen getätigt hatte, zwar auf einen Dritten übertragen hat, er aber dieses Wirtschaftsgut weiterhin für Zwecke der Einkunftserzielung nutzen darf (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 176, 267, BStBl II 1995, 281, unter C.III.). Die Zuwendung der Herstellungskosten kann indes nicht anders als die Zuwendung des Wirtschaftsguts behandelt werden.
bb) Das Urteil des BFH vom 20. Mai 1988 III R 151/86 (BFHE 153, 566, BStBl II 1989, 269), nach dem die Baukosten unter dem Gesichtspunkt der aktiven Rechnungsabgrenzung zu aktivieren und auf die (voraussichtliche) Nutzungsdauer zu verteilen seien, wenn die Übernahme der Baukosten bzw. der Verzicht auf einen Anspruch gemäß § 951 BGB Nutzungsentgelt ist (s. dort unter 2.b der Gründe), ist ebenfalls durch die Beschlüsse des Großen Senats des BFH in BFHE 176, 267, BStBl II 1995, 281 und in BFHE 189, 151, BStBl II 1999, 778 überholt. Der Steuerpflichtige trägt die Herstellungskosten für ein fremdes, aber zu betrieblichen Zwecken genutztes Gebäude auch dann im eigenen betrieblichen Interesse, wenn er als Gegenleistung für die Nutzungsbefugnis des Grundstücks auf einen Ersatzanspruch verzichtet. Es besteht keine sachliche Rechtfertigung dafür, die Herstellungskosten eines solchen Gebäudes ‑‑abweichend von den sonst geltenden Grundsätzen‑‑ nur deshalb über den Ansatz eines aktiven Rechnungsabgrenzungspostens auf die Dauer des Nutzungsverhältnisses zu verteilen, weil sie zugleich Entgelt für die Nutzungsüberlassung des Grundstücks sind (zur Erstellung eines Gebäudes als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung BFH-Urteile vom 14. Januar 2004 IX R 54/99, BFH/NV 2004, 1088, m.w.N., und vom 26. Juli 1983 VIII R 30/82, BFHE 139, 171, BStBl II 1983, 755).
cc) Soweit sich aus dem Senatsurteil vom 13. Mai 2004 IV R 1/02 (BFHE 206, 146, BStBl II 2004, 780) etwas Gegenteiliges ergeben sollte, hält der Senat daran nicht fest.
d) Diese Grundsätze gelten auch für die Ermittlung des Gewinns einer Personengesellschaft; eine Personengesellschaft ist Steuerrechtssubjekt bei der Feststellung der Einkunftsart und der Einkünfteermittlung (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 3. Juli 1995 GrS 1/93, BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617, unter C.IV.2.b aa, m.w.N.).
e) Nach diesen Maßstäben sind die von der Klägerin getragenen Herstellungskosten bilanztechnisch "wie ein materielles Wirtschaftsgut" zu behandeln und nach den für Gebäude geltenden AfA-Regeln abzuschreiben. Die Klägerin hat diese Aufwendungen im eigenen betrieblichen Interesse getragen, da sie die Gebäude im Rahmen einer Betriebsaufspaltung an die KG verpachtet und damit betrieblich genutzt hat; aufgrund des Pachtvertrags mit der C durfte sie das Gebäude auch betrieblich nutzen. Unerheblich ist, ob und ggf. in welchem Umfang in dem im Pachtvertrag vom 15. Juli 1983 vereinbarten (Teil-)Verzicht auf eine Entschädigung nach Beendigung des Pachtverhältnisses für die in das Eigentum der Verpächterin gefallenen Aufbauten ein Entgelt für die Nutzungsüberlassung oder eine unentgeltliche Zuwendung der Herstellungskosten liegt. Ebenso kann offenbleiben, ob der Klägerin aufgrund der Errichtung des Anbaus ein Ersatzanspruch gegen die Grundstückseigentümer D und B zustand.
Entgegen der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat vertretenen Auffassung kann aus der Regelung des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht hergeleitet werden, dass die von der Klägerin getragenen Herstellungskosten für das Altgebäude und den Anbau abweichend von den für diese Gebäude maßgebenden AfA-Sätzen nach der mutmaßlichen kürzeren Dauer des Pachtverhältnisses abgesetzt werden können. Denn § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG stellt ausdrücklich auf die (voraussichtliche) tatsächliche Nutzungsdauer des Gebäudes und nicht auf eine davon ggf. abweichende kürzere Dauer des Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsverhältnisses ab.